Man soll kein Arbeitsverweigerer sein, aber auch nicht alles übernehmen. Wie findet man das ideale Maß?
Da gibt es ein ganz einfaches Rezept nach Vilfredo Pareto (Ökonom und Soziologe, Anm.). Er hat definiert, was eine gesunde Nettigkeit ist. Oft machen wir etwas für andere und haben direkt ein schlechtes Gefühl dabei. Gesunde Nettigkeit heißt: Von zwei Menschen geht es danach einem besser und keinem schlechter. Ich helfe jemandem und weiß, dass diese Person mir auch helfen würde.
Sie sagen: Wer etwas tut, das er eigentlich nicht wollte, wurde manipuliert. Wie oft passiert uns das?
Am laufenden Band. Sobald Sie in der Arbeit sind, sind Sie Manipulationen ausgesetzt. Es gibt viele Chefs, die vor Feierabend ins Büro hineinplatzen und sagen: „Sie sind die Einzige, auf die ich mich wirklich verlassen kann. Hier hätte ich noch etwas, wenn Sie das heute erledigen könnten.“ Heißt: Erst gibt es Zucker und dann kommt die bittere Medizin.
Wird das Bedürfnis „von allen gemocht zu werden“ durch ein amikales Umfeld im Job befördert?
Flache Hierarchien fördern Manipulation, ganz klar. Wenn Sie eine klare Hierarchie haben, können Sie sich mit der Macht der Position durchsetzen. Sind die Hierarchien flacher, brauchen Sie Mittel, um andere zu gewinnen.
Da gibt es das Mittel der fairen Überzeugung, aber auch das Mittel der unfairen Manipulation. Es ist bekannt, dass zum Beispiel Mobbing sich oft in Kulturen ausbreitet, wo die Hierarchien flach sind und Konkurrenzkämpfe entstehen. Der Diener legt sich nicht mit dem König an, aber wenn sich zwei als König fühlen, kommt es zur Konfrontation.
Gegen Manipulation soll Abgrenzung helfen. Woran erkennt man, dass man es richtig macht?
Daran, dass ich mit mir und meinen Entscheidungen einverstanden bin. Dass ich mich im Nachhinein nicht ärgere und sage: Verdammt, warum habe ich mich wieder breitschlagen lassen.
Können das manche besser als andere?
Soziale Menschen, die man sich eigentlich an der Spitze von Unternehmen wünschen würde, haben es schwer. Weil sie die Ellbogen, die es zum Aufstieg braucht, anderen nicht gerne in den Bauch rammen.
Ich habe oft erlebt, wenn es um Beförderungen ging, dass ein Name ins Gespräch kam und die Entscheider gesagt haben: Die ist fachlich gut, aber für so eine Position zu nett. Ich habe aber noch kein einziges Mal erlebt, dass es hieß: Die ist fachlich gut, aber nicht sozial genug, um Führungskraft zu sein. Nett kann ein Ausschlusskriterium sein. Nicht nett sein aber eine Qualifikation.
Sie schreiben: Nur wenn man sagt, was man denkt, bekommt man, was einem zusteht. Bekommt man nicht auch heftigen Gegenwind?
Ja, man bekommt auch Gegenwind. Aber man muss unterscheiden, ob er ein Hindernis ist oder in der Natur der Sache liegt. Eine Verhandlung hört nicht auf, wenn zwei Meinungen aufeinanderprallen, sondern sie fängt erst an. Das haben viele Menschen nicht verstanden. Die denken, wenn der andere Nein sagt, sei alles zu Ende. Wie in einem Tennisspiel – wenn der Ball zurückkommt, hört man ja nicht auf zu spielen. Wer länger durchhält, setzt sich durch.
Wo büßen wir unbeabsichtigt den meisten Respekt ein?
Wir verlieren ihn ganz schnell, indem wir keine eigenen Standpunkte vertreten. Wenn wir eine Forderung vorbringen, dabei lächeln und Signale senden, die sich widersprechen. Indem wir sprachliche Weichmacher verwenden: „Eigentlich möchte ich heute keine Überstunde machen.“ Heißt: Ich mache sie doch, ich habe schon aufgegeben. Oder: „Es wäre schön, einmal eine Gehaltserhöhung zu bekommen.“ Schön heißt, muss nicht sein. Mal heißt, egal wann.
In ihren Büchern verwenden Sie starke Zuschreibungen – „Viel Fleiß kein Preis“, „Bin ich hier der Depp“. Wie hart ist unsere Arbeitswelt wirklich?
Die Arbeitswelt ist sehr hart, weil da kulminiert das, was wir in der Gesellschaft leben. Wir dürfen uns nichts vormachen: Wir haben Fusionsschlachten. Da wird eine Firma von der anderen gefressen. Wir haben ein kapitalistisches Wirtschaftssystem, wo sich die Großen gegen die Kleinen durchsetzen.
Das sorgt dafür, dass Menschen an die Spitze von Unternehmen kommen, die dort gar nicht hingehören. Ich wünsche mir, dass nette, soziale Menschen die Spielregeln verstehen, zu ihren Gunsten anwenden und die Arbeitswelt sozialer machen, als sie es jetzt ist.
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