Maria Rauch-Kallat und Wolfgang M. Rosam über die Grenzen des Netzwerkens
KURIER: Netzwerken gehört zu einer guten Karriere. Ist das in Verruf geraten?
Maria Rauch-Kallat: Nein, ganz sicher nicht. Nur weil etwas missbraucht wurde, was gut ist, ist das kein Grund, es abzuschaffen. Wir brauchen Netzwerke unser ganzes Leben lang: in der Familie, im Freundeskreis und im Beruflichen.
Wolfgang Rosam: Es gehört seit eh und je zum beruflichen Zusammenleben dazu. Vor allem Business-to-Politics-Beziehungen werden immer wichtiger. Hier muss man natürlich überlegen, mit wem man netzwerkt und wie man netzwerkt. Das regelt auch das Lobbying-Gesetz. Erstens: Offenlegen, für wen man lobbyiert. Zweitens: Welches Ziel verfolgt man? Drittens: Das gegenseitige Nutzenprinzip – man tauscht Informationen aus.
Was unterscheidet Netzwerken von Packelei?
Rauch-Kallat: Die Packelei ist kein Netzwerken. Netzwerken heißt, dass man sich eine Umgebung aufbaut, in der man sich wohlfühlt, akzeptiert fühlt und in der man arbeitsmäßig viel weiterbringen kann. Netzwerke sind in der täglichen Arbeit eine wertvolle Hilfe, Wikipedia und Google kennen nicht alles. Es hilft, eine Frage an jemanden stellen zu können, der eine Antwort weiß. Es ist wie der Telefonjoker beim Millionenspiel. Männer haben das über Jahrhunderte hinweg im beruflichen Bereich gemacht, Frauen aufgrund von familiären Verpflichtungen nur im privaten. Ich bemühe mich daher, Frauen miteinander zu vernetzen. Sie stellen ihr Licht zu oft unter den Scheffel. So wird aber keiner auf sie aufmerksam, wenn es um Beförderungen geht.
Rosam: Packelei ist kein Netzwerken, sondern dümmliches Verhabern. Das Nutzenprinzip ist in diesem Fall kein Austausch von Informationen, die Absicht ist unseriös bis kriminell.
Woher wissen Sie, welcher Gefallen noch okay ist?
Rauch-Kallat: Ich sage immer, Netzwerken soll mehr ein Geben als ein Nehmen sein. Es ist besser, in einem Netzwerk zu helfen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Dann ist man auch gern gesehen. Wer Netzwerke nur ausnützt, wird sehr bald nicht mehr gemocht werden.
Rosam: Es gibt ganz klare Regeln. Compliance-Richtlinien regeln genau, ob man jemanden zum Essen einladen darf oder nicht. Es darf keine Versprechungen oder Begünstigungen geben. Komischerweise glauben viele, dass man sich gegenseitig etwas Gutes tun muss, um Gehör zu erlangen. Aber es ist viel einfacher: Jeder hört einem zu, wenn man etwas zu sagen hat. Viele der aktuellen Schwierigkeiten basieren auf Packelei, nicht auf einer sachlichen Ebene. Aber wer sich nicht an die Regeln hält, intransparent ist, wird schnell Schwierigkeiten haben.
In Österreich kennt jeder jeden, kann man ohne Netzwerk überhaupt erfolgreich sein?
Rauch-Kallat: Ich glaube schon, dass man erfolgreich sein kann, wenn man sehr gut im Job ist, aber ich glaube, dass es schwieriger ist. Es gibt aber Menschen, die ihr berufliches Netzwerk auf ein Minimum beschränken und sich dadurch schützen.
Rosam: Ein Netzwerk ergibt sich ganz von selbst, aus der Arbeit, die man macht. Netzwerken ist keine Einbahnstraße – man selbst kann auch von Interesse für andere sein. Wenn jemand Chef eines Konzerns mit 1000 Mitarbeitern ist, wird man zwangsläufig Leute kennenlernen. Der Gewerkschafter wird mit dem Chef einen Kaffee trinken wollen, um sich über Interessen und Vorstellungen auszutauschen.
Wie privat darf netzwerken werden?
Rauch-Kallat: Je nach Vertrautheit mit der Person. Manchmal werden aus beruflichen Kontakten auch Freundschaften. Besteht ein Abhängigkeitsverhältnis, ist es aber vernünftiger, Distanz zu halten. Berufliche Entscheidungen sollten auch von persönlichen Emotionen getrennt werden. Wenn man zum Beispiel jemanden aus der Verwandtschaft in der eigenen Firma hat, wird es schwieriger, sich wieder zu trennen, wenn es nicht klappt.
Rosam: Privates und Berufliches sollte man strikt auseinanderhalten. Dieses Verknüpfen ist eine österreichische Eigenheit. Ich prophezeie hier aber ein Ende und einen Paradigmenwechsel: Wir gehen einer Versachlichung des Netzwerkens entgegen.
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