Frauen, die ewigen Verlierer
Frauen müssen mehr verdienen. Dieses Ziel steht auf der Agenda der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA-djp) ganz oben. Bundesgeschäftsführerin Dwora Stein erklärt, wie sie das erreichen wollen.
KURIER: Um wie viel verdienen Frauen in Österreich tatsächlich weniger als Männer?
Bei gleicher Arbeit und in Vollzeit verdienen Frauen laut einer Studie der Universität Linz nur zwölf Prozent weniger als Männer. Muss man so gesehen etwas tun?
Ja, natürlich. Ich kenne die Studie der Universität Linz nicht, doch zwölf Prozent sind sehr viel. Es kann schon sein, dass Frauen auf gleicher Karrierestufe gleich viel verdienen. Ein Hauptgrund für die Einkommensunterschiede ist doch, dass Frauen weniger Karrierechancen haben als Männer.
"Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" fordert die GPA seit langem.
Unsere Forderung ist gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, das ist etwas anderes.
Sie haben die Gründe für die Einkommensunterschiede von Frauen und Männern analysieren lassen. Was haben Sie herausgefunden?
Ein Drittel der Einkommensunterschiede rührt daher, dass Frauen trotz gleicher Qualifikation schon beim Berufseinstieg in niedrigeren Gehaltsstufen als Männer eingestuft werden – das betrifft beispielsweise hochqualifizierte Technikerinnen. Ein weiteres Drittel, weil Frauenkarrieren wegen Karenzzeiten unterbrochen werden. Ein Drittel lässt sich erklären, weil Frauen weniger häufig Überstundenpauschalen bekommen – und wenn doch, dann sind sie niedriger als die der Männer. Frauen kommen weniger oft in den Genuss von Prämien, Zulagen und Gratifikationen.
Weil sie diskriminiert werden oder weil sie schlecht verhandeln?
Ein Grundproblem, warum Frauen bei Gehältern schlechter aussteigen, ist: Frauen werden in Österreich als Zuverdienerinnen gesehen, Männer immer noch als Hauptverdiener. Sicher kommt auch dazu, dass Frauen nicht so gute Verhandlerinnen sind.
Was sollen Frauen tun, wenn sie zum Berufseinstieg schlechter eingestuft werden?
Wir raten ihnen, sich an den Betriebsrat zu wenden oder nachzuverhandeln. Sie müssen darauf schauen, dass die Gehaltseinstufung von Beginn an stimmt. Wenn man das versäumt, holt man das bis Ende des Berufslebens nur schwer nach. Die Betriebsräte haben eine wichtige Rolle, die Einkommensschere zu schließen. Dabei helfen die Einkommensberichte: Sie dienen dazu, herauszuarbeiten, warum Frauen schlechter bezahlt werden. Das müssen die Betriebsräte mit der Geschäftsführung diskutieren.
Seit 2011 müssen große Unternehmen Einkommensberichte vorlegen. Gibt es seither mehr Bereitschaft zur Gleichstellung?
Anfangs gab es viel Kritik an den Einkommensberichten. Doch sehr viele Unternehmen halten sich daran. Viele Personalveranwortliche nutzen die Einkommensberichte, um Ungerechtigkeiten zu ändern. Wenn kein Bericht erstellt wird, kann das der Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht einklagen.
Würden Geldstrafen helfen?
Bestrafung ändert im Normalfall nichts. Man muss dafür sorgen, dass die Berichte gemacht werden – am besten über die Arbeitsgerichte. Wir hätten gern, dass mehr Betriebe das machen. Immer dort, wo Betriebsräte Verhandlungen zu den Einkommen geführt haben, hat es Verbesserungen gegeben.
Bisher müssen Betriebe ab 150 Mitarbeitern einen Einkommensbericht erstellen. Und die kleinen Betriebe?
Absolut auch. Österreich ist kein Land der Großbetriebe. Man kann aber auch ohne Einkommensbericht Einsicht in die Einkommen nehmen.
Sie fordern höhere Mindestgehälter für Frauendomänen. Im Handel, für Pflegekräfte und Tagesmütter gibt es neuerdings 1500 Euro brutto Mindestgehalt. Warum ist Ihnen das nicht genug?
Wir haben vor Jahren mit 1100 Euro begonnen, dann waren es 1300 Euro, heute sind es in fast allen Kollektivverträgen 1500 Euro. Es ist nur logisch, dass es eine Weiterentwicklung geben muss, unter anderem wegen der Inflationsanpassung.
Die GPA fordert andere Gehaltsmodelle – wie sollen die aussehen?
Wir wollen die Karenzzeiten für die Gehaltsvorrückungen anrechnen. In vielen Kollektivverträgen ist das der Fall – unser Ziel sind alle. Vorrückungen gibt es inzwischen eher zu Beginn der Berufslaufbahn, doch auch die Karenzzeiten fallen in diesen Zeitraum.
Das Schließen der Einkommensschere würde 5,5 bis 6,5 Mrd. Euro pro Jahr kosten. Wie wollen Sie die Firmen dazu motivieren?
Es geht nicht darum, die 5,5 Mrd. Euro auf einmal zu lukrieren, sondern konsequent mit den geplanten Maßnahmen weiterzumachen. Ich bin optimistisch, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Dwora Stein wurde am 28.12. 1954 in Wien geboren. Sie studierte Psychologie und Pädagogik und promovierte in Psychologie. 1983 startete sie ihre Karriere als Sekretärin ins Landessekretariat Steiermark der GPA, wechselte 1989 als Leitende Sekretärin in die Zentrale nach Wien. 1994 wurde sie Zentralsekretärin der GPA, 2000 stv. Bundesgeschäftsführerin. Seit 2005 führt sie als Bundesgeschäftsführerin die GPA an. Sie ist Mitglied des ÖGB-Vorstandes, Vizepräsidentin der AK Wien und u. a. als Aufsichtsratsvorsitzende des Jüdischen Museums Wien und des bfi Wien tätig.
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