Männer-Garderobe: Neuerdings oben ohne

Der bunte Schlips fehlt heute oft.
Keine Krawatte zu tragen ist ein Statement. Warum viele Manager und Politiker auf den bunten Schlips verzichten und wie das Business-Outfit trotzdem seriös wird.

Es passiert etwas in den Chefetagen und den Top-Polit-Positionen. Man merkt es bei offiziellen Anlässen, Pressekonferenzen, auch auf Abendveranstaltungen. Ein Paradigmen-Wechsel in der Garderobe des Mannes findet statt: Er geht jetzt oben ohne. Immer öfter verzichtet Mann auf die Krawatte.

Der Trend ist auf vielen Erdteilen zu beobachten, beginnend in Griechenland beim Wirtschaftsforscher und Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis, über Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, den deutschen Daimler-Chef Dieter Zetsche bis zu den Österreichern, etwa dem T-Mobile-Boss Andreas Bierwith oder Kanzler Sebastian Kurz. Sie bewegen sich in hoch offiziellen Kreisen und pflegen doch einen legeren Look. Ist die Krawatte, das 400 Jahre alte Statussymbol der Herren, jetzt passé?

Oben ohne

"Ich trage immer eine Krawatte. Für mich ist sie ein Stilelement", sagt Nicolas Venturini, Chef der Wiener Traditionsmaßhemdenschneiderei. "Tatsächlich werden heute aber weniger Krawatten getragen, als früher", sagt er. Betrachtet man es von der technischen Seite, ist es deshalb, weil sich der Kragen verändert hat. War er früher eher schlapp und liegend und brauchte die Krawatte als Stütze, steht er heute meist von alleine. "Besonders durch das Modernwerden des Haifisch-Kragens wurde eine Krawatte beinahe schon unangenehm zum Tragen."

Es gibt aber auch einen modischen Grund: "Die Anzüge wurden immer taillierter, immer schmäler und mit ihnen die Krawatten. Das passt nun mal nicht jedem Mann. Die Krawatte hat sich also selbst ein bisschen entbunden vom Männerhals."

Keine Krawatte zu tragen ist heute in erster Linie aber ein Statement. "Es signalisiert Jugendlichkeit, Freiheit. Es ist ein Gefühl der positiven Selbstsicherheit", sagt Venturini. Die Expertin für Business-Knigge und Stil-Beratung, Susanne Abplanalp, geht bei der Bedeutung von "oben ohne" noch einen Schritt weiter: "Manager und Politiker leben vor, dass eine Krawatte allein nicht mehr reicht, um seriös und professionell zu wirken. Sie setzen heute stärker auf innere Werte und wollen ihre Kommunikationsfähigkeiten ausspielen." Zudem wirke die Krawatte einfach zu steif, zu förmlich. "Viele Unternehmen haben heute flache Hierarchien, pflegen das Du-Wort, da will man auch lockerer aussehen."

Business-tauglich

Damit keine Krawatte auch business-tauglich ist, muss das Äußere elegant bleiben – also keinesfalls Brustbehaarung durchblitzen lassen. Die persönliche Note könne man gut mit schönen Anzug-Details, wie Doppel-Manschetten oder Posamentrie-Doppelknöpfen setzen, sagt Venturini. Den fehlenden Farbtupfer um den Hals kompensiere der stilsichere Business-Mann heute mit ärmellosen Westen aus Kaschmir in pink oder apfelgrün, Susanne Abplanalp empfiehlt auch ein schickes Stecktuch.

Wer trotzdem gerne noch zum bunten Schlips greift, für den gilt: "Nicht länger als bis zum Gürtel, einen sorgfältigen, schön sitzenden Knoten machen", so die Stil-Beraterin. Edle, dünne Stoffe bräuchten einen zweifachen Knoten, bei dickeren Stoffe reiche ein einfacher. Klassiker seien die Farben blau – symbolisiert Seriosität, Kompetenz – und rot – steht für Aktivität und Siegessicherheit. Nicolas Venturini findet, "sie darf auch einen Tick ,nicht passen’." Das Stück Stoff um den Hals alleine mache ein Outfit aber nicht elegant. "Die Eleganz kommt vom Mut des Trägers, weil er sich traut, eine Krawatte spannend zu kombinieren."

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