Der Männerzirkus auf den großen Bühnen

Wer findet die Frau? Auf den Podien dieser Welt wird sie vermisst.
Die Podien der Welt sind von Männern regiert. Die Online-Plattform All-Male-Panels will das ändern. Denn: Für Bühnen ohne Frauen gibt es längst keine Ausreden mehr.

Sie bleiben nicht unbemerkt, sind längst nicht mehr zeitgemäß. Trotzdem gibt es Veranstaltungen sonder Zahl, bei denen ausschließlich Männer als Vortragende oder Diskutanten eingeladen sind. Die Tumblr-Seite All-Male-Panels sammelt die Fotos dieser Männerpodien: Tagungen an der Oxford University werden angeprangert, genauso das World Economic Forum in Davos und sogar ein Talk der Neos. Als "Männer-Gütesiegel" posiert Testosteron-Ikone David Hasselhoff: Ein Button mit seinem Profil ziert jedes der geouteten Männerpodien, Hasselhoff hält den Daumen nach oben, seine Botschaft: Congrats, you have an all male panel!

Bilder der Macht – wir sind daran gewöhnt. Manche Organisatoren versuchen, das einseitige Bild zu verändern, indem sie zumindest eine Moderatorin engagieren oder eine Quotendiskutantin dazusetzen. Aber echte Ausgewogenheit am Podium? Ist die Ausnahme.

Spiegel der Wirtschaft?

Eines der bedeutendsten heimischen Events ist das Europäische Forum Alpbach. Heuer haben die Organisatoren das Thema UnGleichheit ausgerufen. Man bemühe sich intensiv, Frauen auf die Podien zu bringen. Das gelingt nicht immer, zeigen etwa die Alpbacher Technologiegespräche. Bei den Wirtschaftsgesprächen gibt es heuer aber sogar eine reine Frauenrunde: "UnGleichheit – aus weiblicher Sicht". Müsste konsequenterweise nicht jedem reinen Männerpanel ein "aus männlicher Perspektive" angehängt werden?

Philippe Narval ist seit 2012 Geschäftsführer des Europäischen Forum Alpbach. Er sagt: "Es ist weniger ein Problem, dass bei vereinzelten Veranstaltungen nur Männer oder nur Frauen am Podium sind. Eine Organisation muss sich daran messen, ob sie Diversität ernst nimmt. Das tun wir. Aber wir können besser werden." 26,6 Prozent der Plenarsprecher in Alpbach waren im vergangenen Jahr Frauen. Über alle Formate verteilt gab es 41 Prozent Sprecherinnen. Die Anzahl der Stipendiatinnen hingegen würde die der Stipendiaten übersteigen. Doch mit dem Anspruch, die Top-Liga am Podium zu haben, sinke auch in Alpbach der Frauenanteil – vor allem im Finanz- und Technologiebereich. "Ein Spiegelbild der Wirtschaft", bedauert Narval.

Die Wirtschaft ist tatsächlich nach wie vor ein Männerzirkus. In 164 der Top 200 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs gibt es keine einzige Frau in der Geschäftsführung. Immerhin ist der weibliche Anteil in den Aufsichtsräten seit 2006 um 8,5 Prozentpunkte auf 16,2 Prozent gewachsen. Die Wiener Salonière Gabi Spiegelfeld, Organisatorin zahlreicher Veranstaltungen, bestätigt: "Zu wenige Frauen sitzen in der ersten Ebene – und die zweite Ebene wird nicht angefragt." Beim Zusammenstellen ihrer Podiumsdiskussionen gehe es ihr aber "mehr um den Inhalt als um die Person". Dass letztlich oft zu wenige Frauen auf den Podien vertreten sind, darauf würde sie regelmäßig von Außenstehenden aufmerksam gemacht.

Das Bewusstsein existiert also durchaus. Lydia Ninz, die Sprecherin des Aufsichtsratsforums Inara, sagte kürzlich im KURIER-Gespräch mit Andrea Hodoschek, dass langsam Bewegung hineinkomme. Aber: "Wir haben keine Kultur bei der Suche. Anstatt systematisiert und mit Headhuntern zu arbeiten, wird nach dem Motto besetzt: Wen kenne ich, wem vertraue ich." Dasselbe Schema wird auch bei Veranstaltungen angewendet: "Netzwerke und Beziehungen sind wichtig, um auf Podien eingeladen zu werden. Es geht darum, wer kennt wen und wer schlägt wen vor. Solange diejenigen, die Entscheidungen treffen, Frauen nicht mitdenken, werden Frauen auch nicht vorgeschlagen", sagt Autorin Eva Rossmann. Zudem brauche es weniger weibliche Bescheidenheit: Frauen müssten stärker Bereitschaft zeigen, auf diese Podien zu wollen. Spiegelfeld rät zum "Wichtigmachen, zum Nach-vorne-drängen und dazu, weniger zögerlich zu sein". Das Zögern sei nämlich völlig unbegründet: Die Frauen, die dann tatsächlich am Podium sitzen, seien top: immer bestens vorbereitet und fachlich hochqualifiziert.

Hingehen, mitreden

Eben das, die (zu) überlegte Herangehensweise, erweist sich für Frauen oft als Verhinderer. Management-Beraterin Heidi Glück: "Während Männer zu jeder Podiumsanfrage sofort "Ja" sagen, sich über die Auftrittsmöglichkeit freuen, beginnen Frauen mit ihren Gedankenspielen: Bin ich gut genug? Bin ich die Richtige für dieses Podium? Habe ich genügend Vorbereitungszeit? Will ich einen Abend dafür opfern? – und nehmen sich damit auch selbst aus dem Spiel." Wer aber dabei sein will, muss mitspielen wollen. Vor allem, wenn in wirtschaftsschwachen Zeiten der Verdrängungswettbewerb härter wird. Eva Rossmann: "Es gibt genug Top-Frauen, aber es liegt an ihnen, sich zu überwinden, sich auch lustig zu machen über die Männerzirkel; aufzuzeigen."

Denn auch, wenn sich unter den Veranstaltern mittlerweile herumgesprochen hat, dass ein Männerpodium nicht mehr zeitgemäß ist – Zitat Heidi Glück: "Es schaut einfach nicht gut aus" –, aufs Podium trauen müssen sich die Frauen schon selbst.

KURIER: Sitzen Sie gerne auf reinen Frauen-Podien?
Eva Rossmann: Warum nicht – es gibt viele Frauen, die viel zu sagen haben.

Welches Bild vermitteln und welche Wirkung haben „Nur-Männer-Podien“ bzw. „Nur-Frauen-Podien“ ?
Frauen-Podien sind exotisch. Insofern vermitteln sie die Bemühung, etwas anders zu machen. Ein reines Männerpanel ist für mich auch kein Problem – wenn es ab und zu vorkommt. Aber nachdem es so häufig vorkommt, bildet es wohl weniger die Kompetenz ab, als die männliche Eitelkeit und alte Seilschaften.

Es heißt, dass es schwierig ist, Frauen für Podiumsdiskussionen zu finden. Ist diese Ausrede noch legitim?
Sie ist zu 100 Prozent nicht zeitgemäß. Höchstens zu 80 Prozent legitim. Würde man wirklich schauen, findet man sicher Frauen. Doch Veranstalter neigen dazu, immer die zu nehmen, die sie ohnehin kennen. Männer kennen meistens Männer. So bleibt es immer beim Alten – das macht es übrigens auch für Junge schwierig.

Man könnte auch sagen: Die wenigen Frauen im Scheinwerferlicht spiegeln die Wirtschaftswelt wieder.
Ja, das könnte man. Es sind auch zu wenige Frauen in führenden Positionen in der Wirtschaft. Und die, die es sind, werden viel mehr über das Geschlecht wahrgenommen als über ihre Kompetenzen. Frauen sind immer der Sonderfall und das ist absurd. Findet man wirklich keine Top-Frau für eine Diskussion, muss man in der zweiten Ebene suchen. Wer es als Frau dorthin geschafft hat, ist top-motiviert, top-kompetent und fähig, sich perfekt auszudrücken.

Es heißt oft, Frauen würden sich nicht trauen.
Ich erlebe Frauen in guten Positionen deutlich eloquenter als Männer. Weil sie sich in ihrer Biografie oft stärker durchsetzen mussten. Es ist völliger Unsinn, dass sich eine Wirtschaftsfrau vor Podien fürchtet. Sie sagen ab, weil sie keine Zeit oder Lust haben. Aber das machen Männer genauso. Niemand will immer.

Welche Verantwortung tragen hier die Organisatoren? Braucht’s eine Quote für Podien?
In der Politik und in Aufsichtsräten bin ich für Quoten, aber nicht für Podien. Für die braucht es das Verständnis der heutigen Realität und den Willen, ein gutes Podium zu haben. Frauen am Podium sind ja kein Gnadenakt. Sie werten es auf.

KURIER: Sitzen Sie gerne auf reinen Männer-Podien?
Harald Katzmair
: Ehrlich gesagt: Nein. Weil Männer mit ihrer Art und ihrem Ego... Orte und Räume, wo Frauen anwesend sind, sind positiv anders.

Welches Bild vermitteln und welche Wirkung haben „Nur-Männer-Podien“ bzw. „Nur-Frauen-Podien“ ?
Wir sind die Bilder der Macht gewohnt: reine Männer-Podien mit Herren über 50. Reine Frauenpodien fallen radikal auf. Es gibt durchaus Frauen, die reine Männerpodien beeinspruchen. Aber eine Verstörung ruft so etwas nicht hervor.

Es heißt, dass es schwierig ist, Frauen für Podiumsdiskussionen zu finden. Ist diese Ausrede noch legitim?
Tatsächlich sind Frauen aufgrund ihrer geringeren Egosucht und Statussucht weniger vertreten. Es ist ein Unsinn zu sagen, es gibt die Frauen nicht. Wiewohl es schwieriger ist, sie zu gewinnen.

Man könnte auch sagen: Die wenigen Frauen im Scheinwerfer spiegeln die Wirtschaftswelt wieder.
Das ist objektiver Unsinn. Es ist eine Vernichtung von Humankapital, die Frauen auszuschließen. Humankapital ist das einzige Kapital, das zerstört wird, indem es nicht verwendet wird.

Welche Verantwortung tragen hier die Organisatoren? Braucht’s eine Quote für Podien?
Sie tragen massive Verantwortung. Wenn Männer unter sich sind und ein Event planen, wird schnell die Geschlechtskategorie vergessen. Veranstaltungen werden auch immer mehr unter Druck geplant – das hilft nicht bei der Zusammenstellung.

Welche Rolle spielen Netzwerke und Beziehungen, um eingeladen und gesehen zu werden?
Absolut eine große. Nur, wenn man Teil eines Netzwerks ist, gibt es Schuldverhältnisse. Dann kann man Verpflichtungsbeziehungen eingehen. Man macht jemanden einen Gefallen und gibt so einen Kredit, den der andere mit einem Gefallen zurückzahlt. Das permanente Spiel ist es, die Beziehungskonten ständig zu füllen und abzurufen.

Löst sich das Problem mit der nächsten Generation von selbst?
Nein. Weil wir in einer Rezession sind. Die Anzahl der Plätze in der Wirtschaft und auf Podien wird nicht mehr, sondern bleibt gleich oder wird weniger. Da kommt es automatisch zu Verteilungskonflikten. Es ist ein Spiel der begrenzten Plätze.

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