Liefern in der Krise: Der Warentransport rollt weiter

Liefern in der Krise: Der Warentransport rollt weiter
Quarantäne, Stau, Lenkermangel: Wie der Warentransport in Österreich trotzdem aufrecht bleibt.

An Österreichs Grenzen ist wieder etwas Normalität eingekehrt. Die kilometerlangen Staus in der vorigen Woche haben sich mittlerweile wieder aufgelöst. Einen Überblick der Situation an den österreichischen Grenzübergängen verschaffen die Telematik-Daten des Softwareanbieters Sixfold. Diese zeigen: Lkw stehen nicht länger als zehn Minuten im Stau. Außer am Übergang Nickelsdorf im Burgenland nach Ungarn bilden sich wieder Kolonnen. 20 Kilometer waren es am Donnerstag.

Grenzschließungen sorgen für Staus

Hintergrund der Staus waren die zahlreichen Grenzkontrollen, die von mehreren EU-Ländern aufgrund der Eindämmung von Covid-19 eingeführt wurden. „Die langen Grenzwartezeiten wurden vor allem durch die vielen heimreisenden Menschen verursacht“, erklärt Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer.

„Problematisch waren die Staus für den Güterverkehr, zahlreiche Lkw steckten ebenfalls fest, Warentransporte gerieten in Verzug. Aber das hat sich im Wesentlichen aufgelöst.“ Der Branchenvertreter beruhigt: „Der Gütertransport ist gesichert.“ An zahlreichen Grenzübergängen seien mittlerweile Korridore für Lkw eingerichtet worden, um für eine höhere Durchlässigkeit zu sorgen.

Güterverkehr als Systemerhalter

Das Transportwesen und die Logistik sind Branchen, die von der breiten Öffentlichkeit bisher wenig beachtet wurden. „Im Straßenverkehr ist der Lkw oft ein Feindbild. Dabei hält er die Versorgung der Menschen aufrecht“, sagt Fritz Müller, Geschäftsführer der Müller-Transporte GmbH. „Ohne Güterverkehr und Logistik würde alles zum Erliegen kommen. Das zeigt sich besonders in dieser Krise.“

Müller beschäftigt 580 Mitarbeiter an mehreren Standorten in Österreich, 300 Lkw liefern im In- und Ausland Lebensmittel an diverse Supermarktketten. Seine Firma bildet die wichtige Verbindung zwischen Produzenten und dem Handel. Wenn Lkw an der Grenze stecken bleiben, kommen Produkte letzten Endes auch nicht in die Supermarktregale.

Optimale Lieferketten gibt es nicht

Aber, dass Lieferketten nicht nach Plan laufen, sei man in der Logistik gewöhnt, so Müller. Man sei ständig damit beschäftigt, Verzögerungen auszugleichen, um alles am Laufen zu halten. „Eine Herausforderung sind die Quarantänemaßnahmen bei unseren Fahrern aus Ungarn und Slowenien“, sagt der Logistiker. Deren Ausfälle seien schwerer zu ersetzen. „Jene, die fahren können, wurden von uns für drei bis vier Wochen in Hotelzimmern in Österreich eingemietet.“

Rund 11.000 Fahrer im Handel

In Österreich ist, gemessen am Transportaufkommen, die Straße der überwiegende Transportweg im Güterverkehr. Zwei Drittel aller Güter werden auf der Straße transportiert. Mit rund 72.500 Arbeitnehmern ist das sogenannte Güterbeförderungsgewerbe, welches u.a. Handel und Industrie mit Waren beliefert, die größte Branche in der WKO-Sparte Transport und Verkehr.

Rund 11.000 Fahrer sind für die Belieferung des Handels unterwegs. „Die Lieferketten im Lebensmitteleinzelhandel sowie in der Pharmazie sind derzeit besonders stark beansprucht“, sagt WKO-Verkehrssprecher Klacska.

Viele Fahrer würden nahe ihrer Belastungsgrenze arbeiten, da in der Branche generell ein Fahrermangel herrsche. Mit einer neu geschaffenen Lenkerbörse will die WKO nun Fahrer aus lahmgelegten Bereichen wie dem Bau für Fahrten im Handel vermitteln. Fahrermangel und Staus haben aber nicht nur Auswirkungen auf den Lieferverkehr. Sie verlängern auch die Zeit der Lenker hinter dem Steuer.

Ausweitung der Lenkzeit

Die Lenk- und Ruhezeiten sind im Transportwesen streng reguliert. „Die tägliche Lenkzeit liegt bei maximal neun Stunden, zwei Mal in der Woche dürfen es bis zu zehn Stunden sein“, erklärt Verkehrsrechtsexperte Richard Ruziczka von der Arbeiterkammer.

Diese EU-weite Regelung wurde nun für einen Monat aufgeweicht – zum Nachteil für die Fahrer, wie Ruziczka befürchtet. In 17 EU-Ländern können Transport- und Logistikunternehmen von einer Ausweitung der Lenkzeit Gebrauch machen und Lkw-Fahrer mit dieser bis zu elf Stunden auf den Straßen unterwegs sein (siehe weiter unten).

Verzögerungen ausgleichen

Laut Klacska will man so Verzögerungen in der Lieferkette abfedern, zudem soll es Fahrern die Möglichkeit bieten, auch nach Hause zukommen. „Andernfalls würden sie gegen die maximale Fahrzeit verstoßen.“

Peter Goller hatte bisher Glück. Er beliefert heimische Supermärkte mit Lebensmitteln. „Ich fahre derzeit nicht länger als üblich.“ Er nennt andere Probleme, die viele Lenker im Moment betreffen: „Restaurants und Raststätten sind geschlossen und damit auch Zugänge zu WCs und sanitären Anlagen.“ Darum will sich das Verkehrsministerium nun kümmern.

Gewerkschaft und Arbeiterkammer über Ausnahmeregelungen bei „Corona-Fahrten“

Die Verkehrsministerien in ganz Europa haben bis Mitte April die tägliche Lenk- und wöchentliche Ruhezeit gelockert, um die Versorgung in der Corona-Krise zu gewährleisten.

„Die Regelungen der Mitgliedstaaten sind sehr unterschiedlich und können im Transit verunsichern“,warnt Karl Delfs von der Gewerkschaft vida.

In Österreich ist die täglich zulässige Lenkzeit von neun Stunden bis zum 14. April auf elf Stunden ausgeweitet worden. Die tägliche Ruhezeit liegt bei elf Stunden, die Ausnahmeregelung reduziert sie auf neun Stunden.

Die wöchentliche Pause wurde von 45 Stunden auf 24 abgesenkt. Zudem sind wöchentlich bis zu 60 Fahrstunden erlaubt (vorher 45), im Zeitraum von zwei Wochen bis zu 100 Stunden (vorher 90).

Arbeiterkammer und Gewerkschaft sehen die Regelungen kritisch. Die AK sagt: „Übermüdete Lenker fahren nicht sicher.“ Delfs von vida fordert: „Ausnahmen dürfen nur bei Lieferungen, die aufgrund der Grenzkontrollen in Verzug geraten, gelten.“ Hier seien genaue Kontrollen wichtig. 

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