Lehrlingswoche: „Jeder von uns ist wichtig“
Theresa Jäger behält alles im Blick. Erstellt die Einsatzpläne, schaut, dass alle pünktlich sind, die Handsemmeln rechtzeitig nachgebacken werden und organisiert die Bestellungen. Sie schmeißt den Laden. Theresa Jäger macht mit 22, was andere manchmal viel später erreichen. Sie leitet eine der sieben Bäckerei-Filialen von Szihn – im zweiten Lehrjahr. „Für mich ist es jetzt gar nicht so neu, ich habe schon einmal die Filiale geleitet in der ich sonst arbeite, weil meine Vorgesetzte krank war“.
„Natürlich habe ich mich gefreut, so viel Verantwortung über andere Lehrlinge zu haben."
Dieses Mal ist die Lehrlingswoche bei Szihn der Grund, der ihr eine siebentägige Leitung der Filiale ermöglicht. „Natürlich habe ich mich gefreut, so viel Verantwortung über andere Lehrlinge zu haben und in einer anderen Filiale zu arbeiten als die, die ich schon kenne." In der Lehrlingswoche, die am Montag begann, ist die 22-Jährige für alles zuständig, was der kleine, etwas versteckt gelegene Betrieb am Bahnhof Liesing braucht.
Und es ist viel los in dieser ersten Februarwoche, trotz der Ferien. Bis zu 500 Kunden pro Tag werden von den vier Lehrlingen, die pro Schicht eingeteilt werden, bedient. „Den Abend vorher war ich schon nervös“, gibt die junge Chefin zu, „weil es ja eine Filiale von einer Kollegin ist und sie erwartet natürlich auch, dass sie diese vorfindet, wie sie hinterlassen wurde.“
Lehrlingswochen fördern Motivation
Während bei Szihn alle Lehrlinge die Chance haben, an der Lehrlingswoche teilzunehmen, müssen sich Interessierte der Bäckerei-Kette Ströck um Plätze bewerben. 22 werden vergeben. Eingeführt wurde die Lehrlingswoche hier bereits 2015, aufgrund des guten Feedbacks wurde sie beibehalten. Seitdem wird jedes Jahr im März die Bäckerei am Stephansdom von Lehrlingen geführt. Bei der Bewerbung werden Fragen einer Jury in kleinen Gruppen ausgearbeitet und präsentiert. Um das Verhalten der Prüflinge in Stresssituationen zu „durchleuchten“, lassen sich die Projektleiter bei Ströck jedes Jahr was Neues einfallen.
„Die Fragestellungen sind so, dass man erkennt, wie sich der Einzelne im Team verhält“, erklärt Marianne Vondracek, HR-Leiterin bei Ströck. „Man erkennt, wer ein Einzelkämpfer ist, wer die Führungsrolle übernimmt oder sehr gut im Team kann.“ Hinterher wird in Workshops besprochen, wer welche Rolle in der Filiale einnehmen wird: Die Filialleitung, die Assistenz der Leitung, als Supervisor, Bäcker oder Verkäufer.
„Wir wollten die Lehre interessanter gestalten. Einfach weil wir derzeit potenziell sehr starke Lehrlinge haben."
Die Lehrlingswoche ist für die Bäckerei Szihn noch ein Pilotprojekt. Es ist das erste Mal, dass man acht Lehrlinge in Eigenregie schalten und walten lässt. „Wir wollten die Lehre interessanter gestalten. Einfach weil wir derzeit potenziell sehr starke Lehrlinge haben und wir wollten sie fördern und ihnen ein bisschen mehr Verantwortung in die Hand geben,“ sagt Verkaufsleiter Jan Ullrich. Er ist in dieser Woche als Coach in der Filiale anwesend – hat sich aber bisher im Hintergrund gehalten, wie Ullrich sagt. „Die Idee ist auch, die Lehrlinge für den Job zu motivieren und mit dem Vertrauen, das ihnen entgegengebracht wird, auch an das Unternehmen zu binden.“
Gute Fachkräfte für den Betrieb zu finden und zu halten, sei nicht leicht, so der Verkaufsverantwortliche. Und er verweist auf den 23-jährigen Taghi Azimi, der gerade einen Kunden bedient. Der junge Mann mit der runden Brille ist seit neun Monaten bei Szihn in der Lehre. Aber keiner weiß, ob er sie überhaupt beenden kann. Seit Taghi Azimi vor dreieinhalb Jahren mit seiner Familie aus Herat, Afghanistan, nach Wien kam, läuft sein Asylverfahren. Von diesem hängt die Zuerkennung seines Aufenthaltstitels ab. „Wir hoffen das Beste.“
Gestärkter Teamgeist
„Ich find’s leiwand“, fasst Lehrling Christopher Helm seinen Eindruck der letzten Tage zusammen. Er ist für das Aufbacken der Teiglinge zuständig und steht auch im Verkauf. Die Crew in der Bäckerei am Bahnhof Liesing ist jung, manche Lehrlinge sind keine 18. Die Gruppe hat sich aber in wenigen Tagen gut aufeinander abgestimmt, arbeitet routiniert und hat einen professionellen Auftritt. Übergangs-Chefin Theresa Jäger ergänzt: „Ich hab gesehen, dass ich das alles kann, ich komme mit viel mehr Selbstvertrauen aus der Lehrlingswoche raus.“
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