Lehrlings-Pionier: "Ich will nicht nur herumsitzen, sondern anpacken"
Lehrlinge auf der Suche nach dem richtigen Lehrberuf müssen die Weichen früh stellen. Schon im jungen Alter gilt es, eine schwierige Entscheidung zu treffen und einen konkreten Karriereweg einzuschlagen. Immerhin stehen in Österreich 200 Berufe zur Auswahl. Darunter drei neue: der Klimagärtner, der Fernwärmetechniker und der „wiederbelebte“ Fahrradmechatroniker. Doch wer wagt sich in diese noch unbekannten Lehrberufe?
Der KURIER hat sich umgesehen und ist auf Vincent Schützenhöfer gestoßen. Als einer der ersten Fernwärmetechnik-Lehrlinge startete der 16-Jährige im September seine Lehre bei einem Strom-, Gas- und Wärmeversorger.
KURIER: Sie sind ein Lehrlings-Pionier: Ist das für Sie auch ein Risiko? Als Erster kann man ja nur schwer abschätzen, was auf einen zukommt.
Vincent Schützenhöfer: So sehe ich das nicht. Ich bin zwar einer der ersten Lehrlinge – bei der EVN sind wir zu dritt –, aber meine Kollegen haben mich sehr freundlich aufgenommen und bringen mir alles geduldig bei. Ich habe mich nie verloren gefühlt.
Wie sind Sie auf diesen Beruf gekommen?
Ich wollte unbedingt in diese Firma, ursprünglich als Elektrotechniker. Ein Freund von mir hat sich dort beworben und wir haben geplant, gemeinsam anzufangen. Leider waren die Stellen schon vergeben. Stattdessen bekam ich das Angebot, mich als Fernwärmetechniker zu bewerben. Also habe ich an den Schnuppertagen teilgenommen – der Job hat mir sofort gefallen.
Was hat Sie denn überzeugt?
Die Vielseitigkeit. Man ist nicht nur Installateur, sondern arbeitet auch im Elektrobereich und in vielen anderen Feldern. Man beschäftigt sich nie mit nur einer Sache. Genau das hat mir gefallen.
Der Generation Z, zu der Sie gehören, sagt man nach, dass sie im Job nach Sicherheit, Sinn und vor allem Geld sucht: Was ist für Sie am wichtigsten?
Mir war es auf jeden Fall wichtig, dass die Arbeit, die ich verrichte, einen Sinn hat. Aber natürlich muss auch das Gehalt stimmen.
Wie sehr hat der Nachhaltigkeitsaspekt bei Ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt?
Das ist auch entscheidend. Wobei ich zugeben muss, dass ich zu Beginn meiner Arbeit nicht wusste, wie ernst dieser Aspekt vom Unternehmen wirklich genommen wird. Das ist mir erst mit der Zeit positiv aufgefallen.
Was genau macht man als Fernwärmetechniker?
Wir warten die Fernwärme-Stationen und die Heizwerke. Schauen sozusagen regelmäßig, ob alles richtig läuft. Und suchen nach Störungen, um sie zu beheben. Manchmal kann zum Beispiel zu wenig Druck in der Leitung sein.
Ist der Arbeitsalltag anders als man es sich erwartet?
Man ist viel mit dem Auto unterwegs und arbeitet größtenteils in Kellern. Dort sind häufig die Fernwärmestationen. Manchmal kann es dort sogar über 40 Grad haben. Da gehen wir öfter an die frische Luft, legen regelmäßig Pausen ein.
Welches Können muss man für solche Aufgaben mitbringen?
Ich weiß nicht, ob ich es Können nennen würde. Aber es braucht ein gewisses Maß an Motivation. Eine „Ich will das machen“-Einstellung. Wie in anderen Berufen gibt es immer wieder schwierige Aufgaben, die zu erledigen sind. Bei manchen denkt man sich: „Muss das jetzt sein“? Genau in solchen Momenten muss man die Zähne zusammenbeißen können und es einfach machen. Dass man schon vorab bestimmte Fähigkeiten für den Job braucht, glaube ich aber nicht.
Ist also kein besonderes Geschick nötig?
Fingerfertigkeit ist da nicht so wichtig. Wir machen eher Grobarbeiten. Es geht darum, Schrauben richtig zusammenzuziehen oder Elektrokabel zu verbinden. Das lernt man aber alles mit der Zeit.
Was ist das Erste, das man Ihnen in der Arbeit beigebracht hat?
Wo die jeweiligen Standorte sind. Und ganz wichtig: eine spezielle Formel der Wärmelehre. Mit der kann man die Leistung berechnen, die in einem Rohr ist. Diese Formel haben sie uns ganz am Anfang gezeigt und oft wiederholt – ganz oft.
Wie lautet sie?
Q = m c ΪT
Alles klar. Was haben Sie vor Ihrer Lehre gemacht?
Ich war an der Polytechnischen in Stockerau. Technik hat mich schon immer interessiert. Ich mag es mit den Händen zu arbeiten. Nach meinem Abschluss wollte ich nicht mehr herumsitzen und Theorien lernen, sondern anpacken. Lernen macht mir zwar Spaß, aber eher bei praktischer Arbeit. Genau deswegen passt diese Lehre so gut.
Die Lehrzeit ist für dreieinhalb Jahre angesetzt. Wie geht es nach Ihrem Abschluss weiter?
Danach will ich Elektriker-Geselle werden. Das ist bei uns sogar verpflichtend. Man darf nicht nur Installateur sein. Es gibt zu viele Bereiche und Sparten, in denen man sich auskennen muss. Ich würde mich aber auch sonst weiter ausbilden. Bis ich das Gefühl habe, dass es reicht.
Bedeutet?
Gute Frage. Ich will auf jeden Fall Elektriker-Meister werden.
Wollen Sie nach ihrer Ausbildung im selben Beruf weiterarbeiten?
Das ist für mich noch offen. Ich bin mit meiner Arbeit hier sehr zufrieden, aber ich schaue mir gerne noch andere Bereiche in der Branche an. Zum Beispiel die MSR-Techniker, die dafür sorgen, dass die Elektrokasten gut funktionieren. Ich habe da neulich geschnuppert, aber das war dann doch nichts für mich.
Warum?
Die Arbeit an sich war spannend, nur waren wir die meiste Zeit in einem Büro (lacht).
Und Sie sind lieber draußen unterwegs, in Action.
Genau.
Wie wichtig ist für Sie die Work-Life-Balance?
Damit habe ich mich ehrlich gesagt noch nicht beschäftigt. Ich finde, man sollte seine Arbeit und sein Leben gut miteinander verbinden können. In der Hinsicht passt das gut für mich. Wir haben eine Gleitzeitregelung. Ich muss also nicht jeden Tag um Punkt sieben Uhr anfangen und um Punkt 16 Uhr aufhören. Ich kann meine Zeiten so wählen, dass es für mich passt. Es ist flexibel und das ist mir wichtig.
Wie nützen Sie diese Freizeit?
Die meiste Zeit bin ich bei der Freiwilligen Feuerwehr in Stockerau – oder mit meinen Freunden im Wald unterwegs.
Zwei neue und ein alter Lehrberuf
Insgesamt stehen in Österreich 200 Lehrberufe zur Auswahl. Heuer kommen zwei brandneue und ein wiederbelebter Lehrberuf noch hinzu.
Klimagärtner: Ab dem 27. Jänner 2025 kann man sich erstmals zum Klimagärtner ausbilden lassen. Die Aufgaben? In urbanen Gebieten geht es um Fassaden- und Dachbegrünung, das Errichten von Bewässerungsanlagen, die Verbesserung der Versickerungsfähigkeit von Oberflächen sowie um Maßnahmen zur Abkühlung der Stadt, erklärt Mario Steininger, Direktor der Berufsschule für Gartenbau und Floristik. „Mit dem Klimawandel, den Hitzewellen und dem Hochwasser kommen neue Forschungen und Entwicklungen. Für diese Konzepte braucht es speziell ausgebildete Personen.“
Fernwärmetechniker: Die Verbreitung von Fernwärme steigt, heißt es auf der Homepage des Fachverbands der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen (FGW). Doch es fehlt an spezialisierten Fachkräften, um die wachsende Nachfrage zu decken. Ein Grund dafür ist die Pensionierungswelle. Außerdem soll es bislang auch keine passende Ausbildung gegeben haben, um die nächste Generation an Fachkräften auszubilden. So kam es zum neuen Lehrberuf der Fernwärmetechniker. Was man konkret lernt? „Fernwärme- und Installationstechnik, Fernwärmeerzeugung und -verteilung sowie von Anlagen“, so der FGW.
Fahrradmechatroniker: Ein Comeback feiert die Fahrradtechnik seit 2019. Vorangetrieben wurde diese Wiederbelebung durch den E-Bike-Boom – vorerst noch als Ausbildungsversuch. Die WKO bezeichnet den Beruf als einen typischen „Green Job mit Zukunft“. Zur Ausbildung gehört z. B. das Instandhalten und Warten von Fahrrädern und ähnlichen Fahrgeräten, einzelnen Baugruppen (etwa die Bremsanlagen) sowie deren Zubehör.
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