Die Gegenbewegung
Die Initiative „zukunft.lehre.österreich“ kann aus dem Stegreif zahlreiche Projekte nennen, wo die Lehre mit Bonus daherkommt. 08/15 wären die wenigsten Lehrstellen heute. Im Einzelhandel warten häufig Prämien bei ausgezeichneten Erfolgen. Bei den Austrian Airlines oder bei Fill Maschinenbau kann neben der Lehre und in der Arbeitszeit die Matura gemacht werden. Bei der Bäckerei Ströck und der Post dürfen Lehrlinge eine Woche lang selbstständig eine Filiale leiten. Und beim Kunststoffhersteller Greiner gibt es für Lehrlinge ein Morgensportprogramm, das zur Arbeitszeit zählt. Besonders ideenreich wurde außerdem die Gastronomie.
Die Premiumlehre
Die Wiener Tourismusschule Modul öffnete vergangene Woche an zwei Tagen ihre Türen zum „Lehrlingscasting“. Gesucht wurden 15 bis 20 junge Menschen (Bewerbungen sind weiterhin möglich), die Lust auf eine Ausbildung in der Gastronomie haben und dabei mehr als nur einen einzigen Betrieb kennenlernen wollen. „Premiumlehre“ nennt sich das und wurde heuer von der Wiener Fachgruppe der Kaffeehäuser ins Leben gerufen.
Projektleiterin ist Wirtschaftspädagogin Monika Brunner-Strobl, die am Telefon über das Interesse der jungen Menschen schwärmt. „Sie haben genaue Vorstellungen in welche Branchen sie schnuppern wollen“, berichtet sie. Viele junge Burschen, die Restaurantfachmann werden wollen, möchten unbedingt die Ausbildung zum Barkeeper ergänzen. Andere lockt die Auslandserfahrung, die das Projekt verspricht.
„Das Besondere ist das Individuelle“, erklärt Brunner-Strobl. Wünscht ein Teilnehmer, in einen speziellen Betrieb zu schnuppern, wird dort angerufen und gefragt, ob Interesse besteht. Zahlreiche Kooperationsbetriebe, vom Szene-Japaner Mochi bis zum Schinkenproduzenten Thum, haben ihre Bereitschaft schon zugesichert. Was das für Lehrlinge konkret bedeutet? Sie haben neben ihrer herkömmlichen Ausbildung die Chance, von der Wirtschaftskammer anerkannte Zusatzqualifikationen zu erwerben.
Ein Kochlehrling im Café Landtmann kann einem griechischen Bauern bei der Herstellung von Olivenöl oder Wein über die Schulter schauen oder im Restaurant Wrenck die Zubereitung von veganen Speisen perfektionieren. „Ausbildende Betriebe haben den großen Mehrwert, interessierte Lehrlinge zu gewinnen“, so Brunner-Strobl. „Es ist wichtig, eine gute Beziehung aufzubauen. Werden Lehrlinge gehört, bleiben sie in der Branche.“
Bau mit Perspektive
Jungen Menschen Perspektiven aufzeigen, will unter anderen auch die Baubranche. Lehrlinge werden dort trial ausgebildet, erklärt Harald Kopececk, Geschäftsführer der Bauakademie. Bedeutet: Neben Berufsschule und Lehrbetrieb werden junge Menschen seit 40 Jahren auch in der Bauakademie geschult. Dort wird das Angebot laufend aktualisiert, an die Bedürfnisse junger Menschen angepasst. „2020 haben wir die Baulehre komplett auf neue Beine gestellt“, so Kopececk.
Darunter die E-Baulehre mit knapp 200 Online-Kursen. Und die werden laut Angabe des Geschäftsführers tatsächlich genutzt: „Wir haben mittlerweile über 150.000 Online-Zertifikate vergeben. Videos wurden über 350.000 Mal runtergeladen.“ Das Verlassen des Analogen zieht also, weshalb jetzt eine neue Digitaloffensive geplant ist, die 2025 spruchreif wird.
„Es ist ein großes Projekt mit vielen Schnittstellen und Features.“ Außerdem sind kommendes Jahr neue Studienlehrgänge geplant (Bachelor Bauprozessmanagement), die Baulehrlinge nach der Ausbildung absolvieren können. „Das ist der große Vorteil. Wir zeigen jungen Menschen: Egal, ob sie über die Lehre oder HTL kommen, eine Matura haben oder nicht, sie können auch ein Studium abschließen, sofern sie die Kompetenz haben.“
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