Kurs auf die Persönlichkeit

Blindes Vertrauen: Teilnehmer der IGO-Ortner Lehrlings-Academy übten sich im Jänner in Teamfähigkeit.
Betriebe und Bildungsinstitute haben die Persönlichkeit der Lehrlinge entdeckt – und investieren in sie.

Wir kriegen sie mit 15 herein. Das sind unsere Kinder", sagt Iris Ortner. Die Geschäftsführerin der Ortner Gruppe, zu der Firmen wie Ortner, IGO Immobilien und Elin gehören, hat eine klare Meinung zum Thema Lehrlinge. "Jeder im Betrieb muss sich dafür verantwortlich fühlen, dass aus dem sehr jungen ein reifer Mensch wird."

Eines beobachtete Iris Ortner an den Jugendlichen, die sich bei ihr für eine Lehrstelle bewarben: "Sie treten sehr kindlich auf, bei dem einen oder anderen fehlt die soziale Kompetenz." Sie beschloss zu handeln – und rief mit Kurt Mitterer von der Beratung Management Impulse im Jahr 2012 die Initiative Reach Up ins Leben. Der Verein versammelt Unternehmen aus verschiedenen Branchen, die die soziale Kompetenz und Persönlichkeit ihrer Lehrlinge fördern wollen. Mit dabei sind Firmen wie Elin, Geberit oder Hilti. "Der Vorteil: Die Mitglieder bekommen günstige, maßgeschneiderte Weiterbildung", sagt die Vize-Obfrau der Initiative. Bei Reach Up gibt es seit 2013 auch ein eigenes Programm für die Ausbildner, in dem sie den richtigen Umgang mit Jugendlichen lernen. Unternehmen aller Branchen seien als Mitglieder willkommen, sagt Ortner.

Die soziale Kompetenz der Lehrlinge lasse oft zu wünschen übrig, beklagen Betriebe. Zahlen, die das untermauern würden, gibt es wenige. Eine Studie der Steirischen Volkswirtschaftlichen Gesellschaft aus dem Jahr 2011 zeigt: Lehranfänger erfüllen die Anforderungen ihrer Chefs hinsichtlich sozialer und persönlicher Kompetenz nur zum Teil – bei der Kritikfähigkeit nur zu rund 53 Prozent, bei Konfliktfähigkeit, Ausdauer und Genauigkeit zu je 57 Prozent, bei Verantwortungsbereitschaft zu 60 Prozent. Mit dem äußeren Erscheinungsbild, der Höflichkeit, der Teamfähigkeit und Zuverlässigkeit sind die Chefs dagegen großteils zufrieden.

Hohe Ansprüche

Viele Jugendliche hätten Defizite im Sozialverhalten, die man ihnen aber nicht vorwerfen könne, meint der Wiener Trainer Peter Müller: "Die Eltern haben wenig Zeit, ihnen Werte zu vermitteln, die Schulen sind überfordert. Die Betriebe erben diese Jugendlichen und fordern von ihnen Fähigkeiten, die sie nur schwer haben können." Müller hat im Jahr 2010 die Timeout Academy in Wien mit Franz Birsel gegründet. Das Interesse der Lehrbetriebe am Angebot nehme zu, aber auch die wachsende Konkurrenz im Weiterbildungssektor. In der "Praxismeile für Lehrlinge" der Timeout Academy beschäftigen sich die Jugendlichen mit Kommunikation, Lösungsfähigkeit, Selbstpräsentation und Selbstbewusstsein. Oft mangle es an Letzterem, sagt Müller. Zwischen den Workshops haben die Teilnehmer bis zu drei Wochen Pause, um das Gelernte umzusetzen.

Der Verein Reach Up organisiert für die Jugendlichen neben Workshops auch ein einjähriges Cross-Mentoring für Lehrlinge mit Mentoren aus einem anderen Betrieb. Gemeinsam werden Workshops zu sozialer Kompetenz – wie Teamarbeit, Kommunikation und Konfliktfähigkeit – und Exkursionen besucht. "Wir möchten, dass Alt und Jung gemeinsam lernen", sagt Iris Ortner. Die Ortner Gruppe hat im Jänner sogar ihre eigene Lehrlingsacademy gestartet. Die 200 Lehrlinge können während ihrer gesamten Lehrzeit die Angebote von Reach Up nutzen.

Angebote

Auch große Bildungsinstitute bieten Programme für Lehrlinge. Das WIFI Salzburg hat eine Tourismus-Lehrlingsakademie mit Schwerpunkt Sozialer Kompetenz und ein Lehrlingsdiplom im Programm, das die Lehrjahre mit Seminaren zu den Grundkompetenzen in Mathematik und Deutsch, zu Kommunikation, Teamarbeit, Selbstmarketing und zum Umgang mit Kunden begleitet. Das Institut BFI hat die Lehrlingsakademie im Programm – mit Seminaren zum Benehmen, Zeitmanagement und Sicherheit. Lehrbetriebe erhalten in der Regel Förderungen von 75 Prozent der Kurskosten.

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