Kunst statt Psychologie: Karriere im Umbruch

Kunst statt Psychologie: Karriere im Umbruch
Warum suchen sich manche Akademiker Berufe aus, die nichts mit ihrem Studium zu tun haben? Wir haben drei gefragt.

Jahrelanges Lernen, intensive Prüfungszeiten, schlaflose Nächte, Eltern im Nacken. Nach der „besten Zeit im Leben“, wie das Studium von Absolventen im Nachhinein trotzdem gerne bezeichnet wird, endlich der Abschluss. Zeit, ins Berufsleben einzusteigen – wenn das während des Studiums nicht ohnehin bereits geschehen ist. Vielleicht lässt sich gerade deshalb in dieser Phase des Lebens ein interessantes Phänomen beobachten: Oft geht ihr Job in eine ganz andere Richtung. Weit weg von dem, wofür man im Studium jahrelang geschuftet hat. Vor allem jüngere Menschen mit höherem Bildungsniveau neigen dazu, von der Karriereleiter aufs wackelige Klettergerüst zu steigen und in ein gänzlich neues Berufsfeld einzutauchen, zeigen aktuelle Studienergebnisse der University of Anglia und der ETH Zürich. Warum das? Einerseits, weil man sich schlichtweg weiterentwickelt hat, wie Arbeitspsychologin Veronika erklärt: „Oft verfolgt man während des Studiums einen langen Teenager-Traum und kommt am Ende zu dem Schluss, dass er doch nicht mehr zu einem passt.“ Oder man habe erkannt, dass die Jobchancen schlecht sind.

Letzteres kennen in Österreich vor allem Sozial- und Geisteswissenschaftler. Ein Auszug der aktuellen Statistik des AMS: 3454 Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler, 1864 Humanwissenschaftler, 1057 Absolventen historisch-kulturwissenschaftlicher Studien, aber auch 2524 Naturwissenschaftler sind arbeitslos. Im Gegensatz dazu gibt es beispielsweise nur 831 arbeitslose Lehramtabsolventen. „Viele beenden dennoch ihr Studium, weil sie es den Eltern schuldig sind oder sie sehr fokussiert sind und gerne abschließen, was sie anfangen“, so Jakl. Oft folgt dann ein Umstieg.

Regie des Lebens

Den klassischen Pfad hat zunächst auch Lorenz Homolka eingeschlagen. Aufgrund seines hohen Interesses für das menschliche Erleben und Verhalten hat er sich sieben Jahre lang dem Psychologiestudium und einigen Ausflügen an die philosophische Fakultät verschrieben. Sein heutiger Arbeitsplatz: die eigene Kunstgalerie. „Ich bin dem normalen Muster gefolgt. Schule, Studium – mit dem Ziel, zu arbeiten, was ich studiert habe. Im chinesischen Dschungel hatte ich beim Lesen von Nietzsches ’Die fröhliche Wissenschaft’ dann aber eine Epiphanie“, erinnert er sich. Es war an der Zeit, die „Regie seines Lebens“ – wie der Galerist es beschreibt – in die eigene Hand zu nehmen. Sein lange vorhandenes Interesse für Kunst und sein Studentenjob in einer Bar, die als Künstler-Hotspot der Stadt bekannt war, ebneten einen neuen Weg. „Ich begann gleich – ohne überhaupt zu wissen, was es heißt, eine Firma zu haben.“ Bürokratie, Kosten und die große Verantwortung waren belastende Gefährten. Das Schwitzen und Leiden haben sich aber ausgezahlt. Das Studium im Grunde auch, findet der Inhaber der STURM UND DRANG GALERIE in Linz. Es helfe ihm heute, Künstler zu erkennen.

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Kleiner Umweg

Von einer ähnlich aufregenden Zeit kann auch Franziska Fellner ein Lied singen. Seit Kindheitstagen wollte sie Lehrerin werden, entschied sich jedoch für die Psychologie. Nach sechs Jahren Studium, mehreren Weiterbildungen und drei Jahren Berufsausübung ließ sie ihr Kindheitsberufswunsch noch immer nicht los. In der Karenz wurde ihr klar: jetzt oder nie. „Ich hatte Bauchweh, aber nicht wegen der Ausbildung, sondern wegen der Mehrfachbelastung für meine Familie und mich.“ Trotz der anfänglichen Sorgen lief der Ablauf reibungslos. Den Umweg bereut sie nicht: „Ich durfte sehr viel lernen, habe auch meinen Mann während des Studiums kennengelernt. Mit ihm habe ich eine wundervolle Tochter. Die Ausbildung hat sich in vielfacher Hinsicht gelohnt“, schildert sie. Ihr psychologisches Wissen durch das Vorstudium ist zudem eine willkommene Zusatzqualifikation im Lehramt.

Kunst statt Psychologie: Karriere im Umbruch

'Es musste etwas anderes passieren'

Die jahrelange Ausbildung war auch für Matthias Eberle sinnvoll. Erst durch sein Maschinenbau-Studium wurde er seiner Leidenschaft für Fotografie nähergebracht. „Während des Studiums fiel mir eine Kamera in die Hände. Nach dem Diplom konzipierte ich eine Ausstellung, auf der ich verschiedene Medien und Künstler aus der Malerei, Literatur und Fotografie zusammenbrachte“, erzählt er. Das inspirierte ihn, diesen Weg weiter zu verfolgen. Dass er definitiv nicht im Maschinenbau bleiben würde, wusste er schon am Ende seines Studiums. „In dem Moment, als ich meine Diplomarbeit abgegeben hatte, war klar: Es muss etwas anderes passieren.“ Er bewarb sich erneut für ein Studium. „Seitdem ich weiß, dass ich nun an einer der besten Unis für Fotografie in Deutschland angenommen wurde, fühle ich mich befreit. Jetzt kann ich meiner Leidenschaft nachgehen“, ist Eberle glücklich.

Kunst statt Psychologie: Karriere im Umbruch

Trotz der Unsicherheiten, die mit einem Umstieg einhergehen können, lohnt sich der Schritt ins Ungewisse für viele. Unangenehm ist laut Veronika Jakl vielmehr der Schwebezustand vor der definitiven Entscheidung. Ist sie aber gefallen, folgt Erleichterung – ein Phänomen, das als Rubikonmodell bekannt ist: „Ich gehe über den Fluss und kann nicht mehr zurück“, so Jakl. Eine Einbahn, die zufrieden macht.

Beratungsstellen für Umsteiger

BIZ.  In den BerufsInfoZentren (BIZ) des AMS haben „angehende Umsteiger“ die Auswahl  zahlreicher Informationsmedien über Beschäftigungsmöglichkeiten, Aus- und Weiterbildungen. In rund 70 Standorten in ganz Österreich können sich Interessierte kostenlos und anbieterunabhängig beraten lassen. www.ams.at

Berufsberater WK. Die Wirtschaftskammern und WIFIs Österreichs bieten ebenfalls professionelle und ausführliche Berufs- und Bildungsberatung an. Interessierte können gemeinsam mit Experten ihren Bildungs- und Berufsweg unter Berücksichtigung der Entwicklungen am Arbeitsmarkt ausarbeiten. Die Erwachsenenberatung kostet 50 Euro für eine 50-minütige Sitzung. www.wifi-biz.at

Bib-Atlas. Auf dieser Website können  Umsteiger passende stationäre Beratungsstellen in ihrer Umgebung und je nach Anliegen suchen. Es müssen die jeweiligen Kategorien angeklickt werden und schon werden einem passende Ansprechpartner aufgelistet. www.bib-atlas.at
waff. Der waff bietet Wienern gezielte Unterstützung auf dem Weg zu einem erfüllten Berufsleben durch einen Neustart. Interessierte können sich von Experten kostenlos  und sogar mit finanzieller Förderung beraten lassen. www.waff.at

Bildungsconsulting. „Es ist nie zu spät, die Richtung zu ändern, um letztendlich dort anzukommen, wo man eigentlich hingehört“, so die motivierenden Worte der Tiroler WKO. Auch an dieser Stelle werden Umsteiger ausführlich und kostenlos über ihre Möglichkeiten informiert. www.bildungsconsulting.at

Bildungsberatung Online. Große Unterstützung können sich jene Personen, die sich neu orientieren möchten, auch per eMail-Beratung oder im Einzelchat mit Spezialisten holen. Dieses Angebot ist ebenfalls kostenlos. www.bildungsberatung-online.at

Wirtschaftsagentur. Wer ein eigenes Unternehmen gründen will, erhält hier kostenlose Information. www.wirtschaftsagentur.at

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