Kreuzberger Nächte in Wien
Sie war in den angesagtesten Clubs in Wien, Berlin, London und Nowosibirsk – hinterm Mischpult. Zu Techno-Sound und Electropop brachte DJane Barbara Tampier als "Miss dicA" die Stimmung zum Brodeln. Heute steht die 32-Jährige im "Radio", Untertitel: "The Label Bar". Seit Anfang September hat sie ihr eigenes Lokal in Wien-Neubau geöffnet, eine Retro-Techno-Bar mit Mode-Ecke.
Sieben Jahre hat Tampier in Berlin gelebt, seit zwei Jahren ist die Wienerin zurück in der Bundeshauptstadt. Ihre Liebe zu Berlin hat sie mit ins "Radio" genommen. Das Lokal wirkt, als hätte man es direkt von der Kastanienallee am Prenzlauer Berg in die Neustiftgasse 38 verpflanzt. Zufällig soll dort früher mal eine Radiostation gewesen sein.
Glitzertrash
"Undergroundig, aber stylisch", beschreibt Barbara Tampier das Interieur. Die Front der Bar ist mit Titelblättern von Rolling-Stones-Magazinen tapeziert, an der Decke sind LPs montiert. "Teile aus meiner Plattensammlung", sagt die DJane. Die Stühle und Lehnsessel von Berliner Flohmärkten verleihen der Bar einen lässig-trashigen Vintage-Look, die Retro-Radios an den Wänden sind Lampenschirme, die Tapeten psychedelisch, jede Menge silberner Discokugeln glitzern an der Decke um die Wette. Mittendrin döst "Rocker", der Mops, im Körbchen vor sich hin. In der Modeecke samt Umkleide findet sich Street Wear von Berliner Labels wie "Einzelstück" und "Sloth and Friends" und Schmuck von "Scum Cantarell". "Wien muss ein bisschen mehr Berlin werden", sagt Barbara Tampier. Und so gibt es Berliner Currywurst – das Rezept stammt vom Curry 36, dem besten Würstelstand Berlins – und die "Berliner Luft", ein Pfefferminzlikör, "den müssen wir extra aus Berlin holen." Die Gäste würden sich darum reißen, sagt Tampier.
Die quirlige Frau mit dem neugierigen Blick ist auch im wörtlichen Sinne auf der Radiowelle: Einmal im Monat sendet sie ihre eigene Radioshow auf sceen.fm und aus dem Tonstudio in ihrer Wohnung.
Von 17 Uhr bis vier Uhr früh ist jeden Tag außer montags geöffnet. Drei Bio-Speisen – vegan, vegetarisch und mit Fleisch – kocht Barbara Tampier selbst. Im "Radio" legt Barbara Tampier gern selber auf – und lässt noch lieber Berliner DJs für abendliche Sessions einfliegen. Im Jänner 2015 will Tampier ihr eigenes Plattenlabel "Radio Records" gründen, mit Tracks von Berliner DJs und Wiener Künstlern, die die umtriebige Szenekennerin zusammenbringt.
DJane zu werden, war schon früh ihr Traum gewesen, ein eigenes Lokal ebenso. Tampier jobbte nebenbei in der Gastronomie, schon als Schülerin der Gastronomiefachschule redete sie davon, später ihr eigenes Lokal zu eröffnen.
Die konkrete Idee für ein Lokal, das Tampiers Interessen – Musik, Mode und Bar – vereinte, hatte sie schon vor einigen Jahren gehabt. Jahrelang sammelte sie dann auch Möbel und Interieur für ihren Traum. Vom Vorhaben, ihr Konzept in Berlin umzusetzen, kam sie bald ab, zu viele Lokale dieser Art gibt es dort. Doch in Wien sei das "Radio" einzigartig. Das leer stehende Lokal in der Neustiftgasse fand Tampier rasch. Am Tag nach der Besichtigung sagte sie den Kauf zu, in 19 Tagen krempelte sie mit Freunden das ehemalige britische Pub komplett um, trotz 40-Stunden-Job als Teamleiterin bei Fiat.
Das Publikum ist wie die Bar: undergroundig, aber stylisch, meist zwischen 20 und 40, viele Studierende.
Der Techno-Brunch jeden zweiten Sonntag sei stets ausverkauft. Dass das Lokal von Anfang an so gut laufen würde, hätte Barbara Tampier nicht gedacht, sagt sie. Noch fühlt sie sich wie eine Angestellte: "Es ist unreal, dass das wirklich mein Lokal ist." Es zu führen, mache ihr großen Spaß. Nur die Berliner Lebensfreude geht ihr im "grantigen Wien" ab. Ein Ziel hat die fröhliche DJane noch: Irgendwann soll auch Barcelona ein "Radio" haben.
1. Sei überzeugt von deiner Idee. Wenn man gründen will, werden einem viele Steine in den Weg gelegt – Familie und Freunde werden sagen, überleg dir das noch Mal. Wenn man sich sicher ist, muss man seine Idee einfach durchziehen – egal, was andere sagen.
2. Überlege dir etwas Einzigartiges. Ein Unternehmen zu gründen, ist wirklich nicht leicht. Es hat wenig Sinn, mit der Masse zu gehen – deine Geschäftsidee muss neuartig sein und sich von anderen abheben.
3. Informier dich. Ich habe zwar alles mit Eigenmitteln finanziert, weil ich keinen Kredit zurückzahlen wollte – meine Mutter hat mir dabei sehr geholfen. Aber es gibt einige Förderungen für Jungunternehmer in Österreich – weit mehr als beispielsweise in Berlin.
4. Sei mit dem Herzen dabei. Du musst mit Herzblut und Seele hinter deinem Unternehmen stehen und es wirklich gern machen, was du tust. Nur dann hat eine Gründung Sinn. Ich habe meine Geschäftsidee über Jahre geplant und habe schon als Jugendliche davon geredet, dass ich irgendwann mein eigenes Lokal führen will.
5. Adaptiere deine Idee, wenn sie nicht so funktioniert, wie du dachtest. Ich wollte unbedingt ein Lokal, das als Frühstückslokal und gleichzeitig abends als Bar funktioniert. Drei Wochen lang habe ich um elf Uhr aufgesperrt und bis nachts offen gehabt, dann ließ ich es sein. In Berlin gehen die Leute gern unter der Woche nachmittags frühstücken, in Wien funktioniert das nicht so gut.
Kommentare