Konzerte, Prämien, Reisen: Die Lockmittel der Lehre
Sobald die Schulpflicht endet, beginnt unter Österreichs Betrieben der Wettbewerb um jene 15-Jährigen, die nicht auf weiterführende Schulen gehen. Nur etwa 38 Prozent der Jugendlichen entscheiden sich nach der Schulpflicht für eine Lehre, so Dagmar Achleitner vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft.
„Nach der Matura sinkt das Interesse für eine Lehre rapide. Nur 2,2 Prozent beginnen dann noch eine duale Berufsausbildung.“ Und so buhlen Österreichs Lehrbetriebe Jahr für Jahr um den jungen Nachwuchs.
Unter den größten sind der Lebensmittelhändler Spar mit rund 2.400 besetzten Lehrstellen, die ÖBB mit rund 1.900 Lehrlingen, die XXXLutz-Gruppe mit ebenfalls rund 1.900 Lehrlingen. Bei der Rewe International AG sind rund 1.800, bei den Wiener Stadtwerken rund 450 Lehrlinge beschäftigt.
Lehre: besseres Image im Westen als im Osten
Obwohl das österreichische Modell der Lehre im Ausland einen guten Ruf genießt, habe sie in Österreich selbst nicht das beste Image, so Achleitner. Tendenziell wäre man im Westen Österreichs aber positiver eingestellt. In Tirol und Vorarlberg entscheiden sich bis zu 50 Prozent der Jugendlichen nach der Schulpflicht für eine Lehre.
In Niederösterreich oder Wien – hier ist die Schuldichte besonders groß – sind es nur knapp 30 Prozent. „Wir sind mit einem bitterlich spürbaren Mangel an Fachkräften konfrontiert“, sagt Rewe-Personalchef Johannes Zimmerl. „Ausbildung, Karrierewege und Berufsbilder haben sich verändert. Wir müssen die Jugendlichen abholen, wo sie sind und ihnen eine moderne Ausbildung bieten.“
Prämien von 140 Euro im Monat
Um die Lehrstellen auch zu besetzen,lassen sich große Unternehmen immer mehr einfallen. Spar und Rewe beispielsweise locken mit gratis B-Führerscheinen oder monatlichen Prämien. 140 Euro brutto können Lehrlinge so pro Monat dazuverdienen. Wer bei den ÖBB eine Lehre mit Matura macht, bekommt pro positiv abgeschlossenem Fach 500 Euro, für das letzte bestandene Fach 1.000 Euro extra.
Der Möbelriese XXXLutz indes wirbt mit guten Karrierechancen. Drei ehemalige Lehrlinge würden heute in der Geschäftsleitung sitzen, heißt es vom Unternehmen. „Um Minderjährige und Eltern anzusprechen, investieren Betriebe mittlerweile viel ins Lehrlingsmarketing“, meint Achleitner.
Es sei gut, Benefits in Aussicht zu stellen. Wichtiger wäre aber der Kontakt zu Schulen, Bewerbungstrainings oder Schnuppertage im Betrieb. „Jugendliche sollen sich am Ende aus Interesse für die Ausbildung entscheiden und nicht aufgrund des geschenkten Führerscheins.“
Kleine Betriebe im Nachteil
Kleine Betriebe können bei diesem Wettbewerb kaum mithalten. Er könne sich keine teuren Extras leisten, sagt Alexander Eppler, Besitzer einer Spenglerei im zweiten Bezirk in Wien und Bildungsbeauftragter der WKO in der Sparte Gewerbe und Handwerk. „Ich bezweifle, dass es die Motivation steigert. Wenn sie fehlt, wird auch keine Prämie helfen.“
Eppler bildet im Jahr ein bis zwei Lehrlinge aus, die Suche nach ihnen aber würde viel Zeit erfordern. Junge schrecke es ab, dass in seiner Branche bei Wind und Wetter auf der Baustelle gearbeitet wird. Viele würden damit den Wert manueller Arbeit übersehen. „Am Ende des Tages hat man ein Werk, auf das man schauen kann. Man sieht, was man geleistet hat.“
Damit wird gelockt
1. Ausflüge und Exkursionen
Ausflüge fördern Betriebsklima und Motivation: Unternehmen verstehen sich nicht nur als Berufsausbilder, sondern wollen ihren Lehrlingen auch eine gute Zeit ermöglichen und bieten Sportausflüge, Konzertbesuche oder Exkursionen an. „Internationalisierung ist bei der ÖBB ein wichtiges Thema. Im Vorjahr waren zum Beispiel einige unserer Lehrlinge im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel und tauschten sich mit EU-Abgeordneten aus“, so Silvia Angelo, Vorständin ÖBB-Infrastruktur AG.
2. Führerschein-B
Von Zuschüssen bis zur vollständigen Übernahme: Spätestens ab dem zweiten Lehrjahr kommen viele Jugendliche in das Alter, wo der Führerschein zunehmend interessanter wird. Da Firmen Lehrlinge nicht nur von der Ausbildung überzeugen, sondern auch im Betrieb halten müssen, gewähren manche für die besten eines Jahrgangs Zuschüsse für die Kursgebühren der Fahrschule. Einige, darunter der Händler Hervis oder A1, spendieren bei guten beruflichen Leistungen auch die Gesamtkosten.
3. Auslandspraktika
Internationale Erfahrungen werden gefördert: In vielen Unternehmen können sich Lehrlinge ab dem zweiten Lehrjahr für ein Auslandspraktikum bewerben. Eine Zeit lang im Ausland gelebt und sich in einem fremden Betrieb eingearbeitet zu haben, macht sich in jedem Lebenslauf gut. Bei Billa kann es etwa drei bis vier Wochen nach Irland, Malta oder Deutschland gehen. Andere Ausbildungsbetriebe, darunter Pagro Diskont, bieten Auslandspraktika in Kooperation mit der Wirtschaftskammer an.
4. Gehaltsprämien
Wer gute Leistung zeigt, wird belohnt: Neben der Lehrlingsentschädigung locken viele Unternehmen mit Prämien, die an bestimmte Leistungen geknüpft sind. Einzelhandel-Lehrlingen bei Billa winken bei gutem Erfolg in der Berufsschule Prämien von 100, bei ausgezeichnetem Erfolg 250 Euro, bei gutem bzw. ausgezeichnetem Lehrabschluss 500 bis 1.000 Euro.
5. Weiterbildungen
Auch Firmen wissen – ausgelernt hat man nie: Nicht nur reguläre Kurse, auch Zusatzausbildungen stehen auf dem Ausbildungsprogramm. Lehrlinge im ersten und zweiten Lehrjahr bei Mediamarkt und Saturn können beispielsweise ein Multimedia-Lehrlingscamp und eine Power-Akademie besuchen, um ihr Produkt-Wissen auszubauen und persönlichkeitsbildende Trainings zu besuchen. Lehrlinge bei Spar können sich als Käse-Experte, Fairtrade-Botschafter oder Bio-Experte spezialisieren.
6. Lehrlingsprojekte
Hier kann man sein Talent unter Beweis stellen: Aktuell läuft bei Lidl Österreich die Aktion „Lehrlinge on Tour“, bei der Teamgeist und Verantwortungsbewusstsein gestärkt werden sollen. Eine Woche lang haben 25 Lehrlinge dabei das Kommando über vier Kärntner Filialen: von der Bestellung über die Warenpräsentation bis hin zur Dienstplanung und Filialleitung. Anhand solcher Projekte lernen Lehrlinge unter realen Bedingungen, worauf es im Job ankommt.
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