Kilometer für Kilometer zum Rekord

Extremsportler Wolfgang Fasching trainierte ein Jahr lang 20 bis 40 Stunden pro Woche.
Wolfgang Fasching testete seine mentale Stärke – und radelte 10.000 Kilometer durch Russland.

Willensstark war Wolfgang Fasching schon immer. Doch mit seinem Projekt "Russia Coast2Coast" hat sich der Extremsportler und Mentalcoach aus Oberösterreich selbst übertroffen – und einen Weltrekord aufgestellt: In nur 21 Tagen radelte er 10.000 Kilometer quer durch Russland, von Wladiwostok nach St. Petersburg. Drei Stunden Schlaf täglich, 80.000 Höhenmeter und einen Unfall mit Fahrerflucht inklusive. 170.000 Lkw überholten ihn auf Autobahnen. Für den 47-Jährigen war es dennoch "leichter als es aussieht". Zwei Tage früher als geplant leerte er im Ziel Wasser aus dem japanischen Meer ins finnische. Welche mentalen Tricks ihn zum Weltrekord führten, erzählt er im Interview.

KURIER: Herr Fasching, Wie geht es Ihnen, seit Sie am 13. August vom Rad gestiegen sind?

Wolfgang Fasching: Das ist eine Woche her und mir tut ziemlich alles weh. Das Danach, wenn der Körper auslässt, ist viel schwieriger als das Fahren selbst.

Sie sind acht Mal das "Race across America " mit knapp 5000 Kilometern gefahren. Warum jetzt gleich 10.000 Kilometer?

Ich wollte Russland, das größte Land der Welt, durchqueren. 2013 ist eine Viererteam von Moskau rund 9000 Kilometer nach Wladiwostok gefahren. Ich wollte zeigen, dass das auch als Solist geht. Und als Mentalcoach wollte ich mal wieder anwenden, was ich erzähle.

Der Moment im Ziel – wie war er?

Die letzten Kilometer sind die schwierigsten, obwohl sie die schönsten sein sollten. Da werden zehn Kilometer unendlich und du fragst alle hundert Meter, "wie weit ist es noch?". Im Ziel war es eine gewisse Erlösung, sehr emotional. Es dauert wohl noch Wochen, bis ich verstehe, was ich gemacht habe.

Sie waren harten Bedingungen ausgesetzt.

Ich habe noch nie so einen rabiaten Verkehr, so viele Autos und so schlechte Straßen erlebt, das hat viel Konzentration erfordert. Mich haben ständig Lkw überholt, abends waren Trikot und Haut schwarz von den Abgasen. Zwei Drittel der Strecke waren Autobahnen. Wenn ich die Strecke vorher gesehen hätte, weiß ich nicht, ob ich es gemacht hätte.

Sie hatten nach 6000 Kilometern einen Unfall mit einem Auto.

Auf Facebook ist man schnell der Held. Durch so einen Unfall merkst du aber, wie verletzbar du bist. Das parkende Auto fuhr los, ich habe es erwischt und einen Salto auf die Straße gemacht. Mein erster Gedanke war: Wenn ich nicht mehr weiterfahren kann, waren 6000 Kilometer umsonst. Aber ich hatte mir nur die Schulter und einen Finger verletzt. Nach einer Viertelstunde stieg ich wieder aufs Rad.

Wie haben Sie sich in solchen Situationen motiviert?

Ich hatte meine Mantras, habe mir stundenlang "Kilometer für Kilometer" vorgesagt. Facebook-Einträge der Fans wie "Die 2000 Kilometer schaffst du auch noch", sind nett gemeint. Man darf sich davon aber nicht verführen lassen. Ich bin Realist, 2000 Kilometer sind weit. Die Herausforderung war, auf die Gegenwart konzentriert zu bleiben. Wenn ich gedacht habe, "nur mehr vier Tage", habe ich mich unter Druck gesetzt. "Geduld, Demut" war mein zweites Mantra. Das hat mir irrsinnig geholfen. Und das Team – ohne kommst du nie an.

Wie kann sich der Körper bei drei Stunden Schlaf pro Tag erholen?

Wenn man sich die Abschnitte gut einteilt, geht das. Ich war nie wirklich müde. Die ersten zwei Tage bin ich durchgefahren, dann waren es im ersten Abschnitt des Tages 300 Kilometer und nach dem Powernapping noch einmal mindestens 120 Kilometer, meist mehr. Das braucht verdammt viel Disziplin, nicht wegen jedem Schmarrn vom Radl zu steigen.

Welche Hilfsmittel hatten Sie – außer hoffentlich illegales Doping?

Doping wäre bei dieser Dauer lebensgefährlich gewesen. Wichtig war hochkalorische Nahrung, ich habe 190.000 Kalorien zu mir genommen.

Was sagen Sie Menschen, die ihre Ziele noch nicht erreicht haben?

Viele Menschen haben zu wenig Geduld für ihre Ziele. Doch es gibt keine Abkürzung zum Erfolg. Du musst Stufe für Stufe nehmen. Oft gibt man kurz vorm Ziel auf. Ich will den Leuten mitgeben, dass sie mehr schaffen können, als sie glauben. Es ist nicht so tragisch, ein Ziel mal nicht zu erreichen. Es ist nur tragisch, keines zu haben.

Wie fokussiert man sein Ziel?

Man muss wissen: Wie schaut mein Ziel aus? Was kostet mich das Ganze an Aufwand, Schweiß und Geld? Wenn ich 10.000 Kilometer durch Russland fahre, muss ich wissen, dass ich 20 Stunden pro Tag am Rad sitze, der Hintern und die Hände weh tun und dass viele sagen werden, das ist spinnert. Aber denk nicht am Start schon ans Ziel, denn dann kommst du dort nicht an. Ich visualisiere mein Ziel, aber im Tun kann ich nicht permanent daran denken. Im Hier und Jetzt sein ist dann das Entscheidende.

Was raten Sie Menschen, die Herausforderungen lieber meiden?

Hin und wieder den Weg aufs Glatteis zu wagen – wenn man was erleben will, anstatt nur zu überleben. Viele Leute schieben ihre Vorhaben hinaus. Ich stelle fest: Den richtigen Zeitpunkt gibt es nie. Weiterentwicklung passiert im Tun – dass man sich blamiert, gehört dazu. Gib dein Bestes und alle werden sagen, super, dass du es getan hast.

Ihr nächstes Ziel?

Mich regenerieren und das Ganze wahrscheinlich in einem Buch verarbeiten.

Wolfgang Fasching wurde 1967 in Bad Radkersburg geboren und schloss die Lehre zum Maler, später zum Einzelhandelskaufmann ab und war zehn Jahre selbstständiger Kaufmann. Seit 2009 ist er als Mentalcoach, Vortragender und Buchautor (u. a. „7 Summits“, „Du schaffst was du willst“) tätig. Ein MBA-Studium schloss er 2012 ab.

Der 47-Jährige nahm acht Mal am weltgrößten Radrennen „Race Across Amerika“ teil und gewann es drei Mal. Er bestieg die sieben größten Gipfel der Welt.

www.fasching.co.at

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