Keine Sterne: Wie Online-Bewertungen zum Druckmittel werden

Keine Sterne: Wie Online-Bewertungen zum Druckmittel werden
Sterne-Rankings sind wie eine erweiterte Visitenkarte. Wie Bewertungen über Freud und Leid der Betriebe entscheiden und warum das Löschen unwahrer Kritik so schwierig ist.

Die Lasagne beim Italiener, der Mitarbeiter an der Rezeption, die Kundentoilette eines Einkaufszentrums, das Sortiment vom Supermarkt ums Eck – für nahezu alles werden im Internet Sterne vergeben.

Für Unternehmer sind die Bewertungen Fluch und Segen zugleich. Einerseits verhelfen sie zu gratis Werbung im Netz. Umgekehrt können schlechte Rezensionen auch den Ruf schädigen.

Schlechte Bewertungen häufig anonym

Isabella Keusch, Marketingleiterin des Autohaus Stahl, ist das bewusst. Sie achtet in ihrer Arbeit genau darauf, was auf Google über das Autohaus geschrieben wird. „Wir wissen, dass unsere Kunden die Rezensionen lesen. Guter Service ist uns wichtig und die Kritik daran nehmen wir sehr ernst.“

Zwischen fünf und zehn Bewertungen pro Woche würde das Autohaus erhalten – jeder werde nachgegangen, so Keusch. „Der Großteil fällt positiv aus, aber gerade bei schlechten Bewertungen hat man of wenig Chancen zur Aufklärung. Sie sind oft anonym geschrieben und mitunter maßlos übertrieben. Wir haben einmal nur einen Stern erhalten, weil wir den Standort vom 20. in den 22. Bezirk verlegt haben und daher nicht mehr in der Nähe des Kunden waren.“

Ton wird rauer

Mit Corona und der in Österreich geltenden 2-G-Regel ist der Ton im Internet noch rauer geworden. Seit in den meisten Geschäften nur mehr Geimpfte oder Genesene einkaufen dürfen, ausgenommen in Läden des täglichen Bedarfs, lassen Impfgegner ihrem Unmut über die 2-G-Kontrollen freien Lauf.

Stimmen aus dem Handel berichten über Beschimpfungen des Personals in Online-Rezensionen, oder dass Geschäfte auf sozialen Netzwerken als Impffaschisten bezeichnet werden.

Dazu kämen diverse Verstöße wie die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, sagte Handelsverbandschef Rainer Will am Dienstag im Ö1-Morgenjournal: „Da werden Namen genannt und Videos gepostet, wo Mitarbeiter erkennbar sind. Wir sind mit dem Bundeskriminalamt und dem Innenministerium im Austausch, weil das ein untragbarer Zustand ist.“

Wichtige Währung

Bewertungen sind zu einer wichtigen Währung im Internet geworden. Besonders in der Hotellerie und Gastronomie können sich Betreiber dem Druck nicht entziehen, sich mit möglichst vielen Fünf-Sterne-Bewertungen von der Konkurrenz abzuheben, auf Seiten wie Tripadvisor, Expedia oder Booking.

„Gute Bewertungen wirken sich auf Umsatz, Frequenz und Gästezahl aus“, sagt Walter Veit, der neue Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung und selbst Besitzer eines Hotels in Obertauern. „Bieten zwei Hotels dieselbe Sterneklasse und denselben Preis an, schauen die Gäste auf ihre Bewertungen, um eine Wahl zu treffen.“

Lob oder Vernichtung

Das bestätigt auch Michael Weymayer, der sich im Wiener Restaurant Czaak um Service und Social Media kümmert. „Ich sehe oft, wie Menschen draußen vor der Speisekarte stehen und dann am Handy googeln, wie unser Schnitzel bewertet wurde.“ Gerade wer auf Seiten wie Tripadvisor gelistet und von Touristen abhängig sei, leide direkt unter den Konsequenzen schlechter Bewertungen.

Auf Bewertungsportalen dominieren meist zwei Extreme: Lob oder Vernichtung. Reagieren solle man aber möglichst auf alle, meint ÖHV-Präsident Veit. „Es ist wichtig, die Kommentare zu moderieren, sich für gute zu bedanken und auf schlechte einzugehen. Auch das ist eine Serviceleistung. Vor allem Kunden, die eine gute Bewertung hinterlassen, erwarten sich ein Danke.“

Kein persönliches Feedback

Doch viele Betriebe stoßen hier zeitlich wie personell an ihre Grenzen. „Vor der Krise haben wir bis zu 40 neue Rezensionen bekommen – und jede einzelne davon beantwortet“, erzählt Eva Kremslehner, die vier gehobenere Hotels in Wien führt. Doch leider seien es fast immer die Unzufriedenen, die eine Rezension in ihr Handy tippen würden.

„Das Zimmer ist zu dunkel gewesen, das Preis-Leistungsverhältnis passt nicht, oder der Trüffel ist zu teuer.“ Sie verstehe nicht, warum Gäste ihre Kritik nicht während des Aufenthalts äußern würden, so die Hotel-Managerin.

„Wenn der Gast gleich sagt, dass er lieber ein hofseitiges Zimmer haben möchte oder das Essen nicht geschmeckt hat, laden wir gerne auf eine Alternative ein. Danach kann ich nichts mehr machen.“

Bewertung als Druckmittel

Teilweise werde das in Aussicht stellen einer guten Bewertung als Druckmittel verwendet. „Es kommen Gäste, die verlangen ein kostenloses Zimmer-Upgrade und drohen mit einer schlechten Rezension, wenn wir dem Wunsch nicht nachkommen.“

Die rechtlichen Möglichkeiten für Unternehmer, gegen rufschädigende und falsche Bewertungen vorzugehen, sind allerdings beschränkt. Direkt mit dem Kunden eine Beschwerde aufzuklären, sei nur möglich, wenn er mit Klarnamen schreibt, erklärt Rechtsanwalt Johannes Öhlböck.

Hürde: Ansprechpersonen finden

„Bei anonym geschriebenen Rezensionen muss sich der betroffene Betrieb an die Betreiberseite selbst wenden.“ Allerdings würden die Anbieter großer Plattformen meist nicht in Österreich sitzen, an die Daten der Verfasser über die Betreiber zu bekommen sei schwierig.

„Eine große Hürde ist bereits, eine Ansprechperson zu finden. Viele Plattformen setzen sich erst mit der Anfrage auseinander, wenn es zu einer Klage kommt“, so Öhlböck. Wie langsam die Mühlen bei einem Lösch-Antrag mahlen, hat Gastronom Weymayer selbst erlebt. „Wir hatten Sommerpause und ein Gast stand offenbar vor geschlossenen Türen. Er hat uns dafür auf Tripadvisor einen Stern gegeben – obwohl er nie bei uns zu Gast war.“

Weymayer wandte sich an Tripadvisor– erst nach rund fünf Monaten wurde die Kritik gelöscht. „Es ist unheimlich mühsam. Denn immer wir Betreiber müssen zuerst nachweisen, dass die Kritik falsch ist.“

Tauchen falsche, ruf- oder kreditschädigende Bewertungen im Internet auf, rät Rechtsanwalt Johannes Öhlböck den betroffenen Unternehmern zunächst, Kontakt mit den Verfassern aufzunehmen, bevor auf Unterlassung geklagt wird.

„Das Problem über persönlichen Kontakt zu klären, ist oft der beste Weg. Kommt es zu keiner Aufklärung, rate ich dazu, einen Anwalt einzuschalten, der klärend eintritt. Nützt das auch nichts, bleibt als dritter Schritt die Klage.“

Ist der Verfasser anonym,  müsse man sich an die Betreiber der Plattform selbst wenden. „Mit der Aufforderung den Kontakt zum Verfasser aufzunehmen und der  Nachricht, dass man den Bewertenden nicht identifizieren kann und man davon ausgehen muss, dass eine Fake-Bewertung ist.“

Der Betreiber habe die Pflicht, Informationen über den Verfasser einzuholen und  diese anonymisiert weiterzuleiten.  Da die Vorgehensweise  of sehr langwierig ist, geben die meisten Betroffenen auf, so Öhlböck. „Die meisten Plattformen reagieren erst dann, wenn es zu einem Gerichtsstreit kommt.“

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