Ein halbes Jahr bis zum neuen Job

Ein halbes Jahr bis zum neuen Job
Sechs Monate suchen Führungskräfte eine neue Stelle. Die Gründe – und wie man am besten sucht.

Ein halbes Jahr lang warten. Warten auf das Bewerbungsgespräch. Warten auf die Einladung zum Assessment Center. Warten auf die Vertragsverhandlungen. Warten auf die Absage oder Zusage. Am Anfang hatte sich Helmut S., ehemals Führungskraft in einem Pharmakonzern, für acht Jobs beworben (siehe Grafik). Am Ende hatte er sechs Absagen, zwei Zusagen und seine Geduld verloren.

Ein halbes Jahr bis zum neuen Job
Warten wie Helmut S. müssen viele jobsuchende Führungskräfte. Die Suchdauer für die österreichischen Führungskräften steigt, wie eine Studie unter hundert Klienten der Outplacementberatung Lee Hecht Harrison/DBM zeigt: 2011 hatten sie im Schnitt 23,6 Wochen gesucht, 2012 waren es schon 27,2 Wochen, also mehr als sechs Monate.

Die Gründe sind vielfältig, sagt Walter Reisenzein, Geschäftsführer von Lee Hecht Harrison/DBM. Die Outplacementberatung begleitet und coacht arbeitsuchende Führungskräfte. Wer aus der Führungsetage entlassen wird, hat meist wenig Auswahl an Stellen – je nach Branche und Position: „Eine Führungskraft in der Pharmabranche kann beispielsweise nur zwischen einer Handvoll Firmen wählen“, sagt Reisenzein.

81.000 Euro, sechs Monate

Eine Daumenregel aus den USA besagt: Pro 10.000 US-Dollar des Jahresgehalts verlängert sich die Suche um ein Monat. Hierzulande sucht man je 13.000 Euro ein Monat länger, sagt Reisenzein. Seine Klienten verdienen im Schnitt 81.000 Euro im Jahr und sind sechs Monate auf der Suche. In zweiter oder Top-Management-Position können es gar neun Monate werden. Das Problem: „Viele Führungskräfte unterschätzen die Jobsuche, gehen von drei Monaten Suchdauer aus. Das ist unrealistisch.“ Denn je höher Position und Gehalt, desto eher wollen Firmen Fehlbesetzungen vermeiden, meint Reisenzein.

„Das Risiko einer Fehlbesetzung ist bei externen Kandidaten viel größer“, bestätigt Elke Peller-Kühne, Personalchefin bei den ÖBB. Der Bahnkonzern besetzt 80 Prozent der Führungspositionen intern. Der Vorteil liege im raschen Know-how-Transfer, sagt die Personalchefin. Zudem seien externe Besetzungen meist teurer, würden drei bis sechs Monate Suche in Anspruch nehmen.

Unrealistische Suchdauer

„Viele Führungskräfte gehen von drei Monaten Such­dauer aus. Das ist unrealistisch.“Walter ReisenzeinGeschäftsführer DBMAuch Social Media würden den Bewerbungsprozess verlängern, sagt Reisenzein. Personalisten würden die Bewerber systematisch über ihre Xing-Profile überprüfen, das dauere. Umstrukturierungen in den Firmen führten ebenfalls zur Stagnation bei der Stellenbesetzung. Oder in der Probezeit aufgekündigte Verträge – sei es von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer. Je nachdem, wer den Vertrag aufkündigt, hängt Unternehmen oder Bewerber in der Luft.

Stärker als noch vor zehn Jahren würden Abteilungen in die Bewerberauswahl einbezogen, meint der Experte: „Es ist üblich, eine Gruppenentscheidung zu treffen: Dann sichtet der Personalchef mit Leuten aus Controlling, Marketing, Vertrieb die Bewerbungen. Das kostet ebenfalls Zeit.“

Das bestätigt auch Yasmin Aziz-Trebesiner, Personalchefin der Verkehrsbüro Group. Das Unternehmen ist mit rund 3000 Mitarbeitern der größte heimische Tourismusbetrieb – und mit Bewerbermangel konfrontiert: „Wir tun uns schwer, Führungspositionen zu besetzen. Viele Führungskräfte im Alter zwischen 30 und 35 zieht es ins Ausland.“ Oft müsse man bei der Besetzung des Hoteldirektorpostens auch Quereinsteiger in Betracht ziehen, „sie schauen wir uns dann sehr genau an.“ Aziz-Trebesiner bestätigt auch, dass mehr Entscheider in den Auswahlprozess einbezogen werden: „Wir haben für die Austria Trend Hotels einen Head of Sales gesucht. Er muss mit 300 Führungskräften zusammenarbeiten. Bei der Auswahl der Bewerber saßen Mitarbeiter verschiedenster Abteilungen zusammen.“ Bis zu vier Monate dauere die Stellenbesetzung für einen Hoteldirektor, sagt sie. Ein Problem für die Unternehmen sei: „Viele Bewerber haben selbst eine Kündigungsfrist von einem halben Jahr.“ Dann heißt es auch fürs Unternehmen, auf die neue Führungskraft warten.

Job verloren

Werde man als Führungskraft gekündigt, benötige man erstmal Zeit um den Jobverlust zu verkraften, meint der Personalchef einer aktuell von Jobabbau betroffenen Textilfirma, der nicht genannt werden will. Die Mitarbeiter werden von einer Outplacementberatung betreut, „so können sie sich schon während des aufrechten Dienstverhältnisses mit der Situation auseinandersetzen.“

Auch wenn man sich auf eine längere Suche einstellen muss, Walter Reisenzein rät zum Fokussieren: „Konzentrieren Sie sich auf zwei oder drei Stellen gleichzeitig und nur auf eine Branche. Denn jede Absage ist ein Misserfolgserlebnis.“

DBM-Chef Walter Reisenzein sagt, wie Sie bei der Jobsuche erfolgreich sind:

1. Seien Sie realistisch: Gehen Sie von etwa einem halben Jahr Suche aus und richten Sie Ihr Leben danach aus – alles andere ist unrealistisch.

2. Bewusst auswählen: Überlegen Sie, was genau für Sie passt. Konzentrieren Sie sich auf zwei, drei Stellen gleichzeitig und auch nur auf eine Branche.

3. Nachhaken: Fragen Sie beim Personalisten nach: Welche Anforderungen stellt die Position? Wann soll die Stelle besetzt werden? Wer entscheidet?

4. Netzwerk nutzen: Nach freien Stellen suchen reicht nicht. Nutzen Sie Ihre Kontakte, um Infos über Branchen, Firmen und Positionen zu bekommen.

5. Ehrlich sein: Wenn sich die Firma für Sie entscheidet, Sie aber eine andere Stelle in Aussicht haben: Sagen Sie es, halten Sie die Firma nicht zu lange hin.

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