Introvertiert im Job: Warum man auch leise erfolgreich sein kann

Introvertiert im Job: Warum man auch leise erfolgreich sein kann
Ob beim Vorstellungsgespräch oder beim Kantinen-Smalltalk: Hier können sich extrovertierte Menschen in Szene setzen. Und die Introvertierten?

Wer unter hunderten von Bewerbern hervorstechen will, sollte sich möglichst gut in Szene setzen. Selbstbewusst auftreten. Eindruck hinterlassen. Das empfehlen zumindest sämtliche Karriereratgeber. Für extrovertierte Menschen, die den großen Auftritt lieben, kein Problem. Introvertierten Persönlichkeiten hingegen, fällt diese Art der Selbstdarstellung schwer. Oft haben sie allein deshalb schon schlechtere Karten beim Arbeitgeber. Ist das fair?

Guter Schauspieler

Johann Beran ist Arbeitspsychologe und überzeugt, dass „die Qualität der Arbeit nicht mit der Lautstärke und dem Auftreten eines Menschen zusammenhängt.“ Im Gegenteil: „Wer laut redet und sich vielversprechend darstellt, ist vielleicht ein genialer Schauspieler. Aber darum geht es am Arbeitsplatz nicht“, fährt Beran fort. Von den Personalabteilungen erwartet er sich, dass sie bereits beim Vorstellungsgespräch mehr in die Tiefe gehen. Für den Experten ein Garant dafür, dass das Arbeitsverhältnis auch auf Dauer hält.

Vorteile introvertierter Menschen

Tatsächlich entdecken Unternehmen gerade die Vorteile introvertierter Mitarbeiter. Martina Pitterle leitet die Human Ressources Abteilung bei Accenture Österreich und stellt fest: „Ein selbstsicheres Auftreten ist uns natürlich wichtig, aber wie wir wissen, haben gerade introvertierte Menschen Eigenschaften, deren besondere Qualität man vielleicht erst auf den zweiten Blick erkennt.“ Charakterzüge wie Ruhe, Gelassenheit, analytisches Denken, Beharrlichkeit genauso wie Empathie und Einfühlungsvermögen: „Diese Wesenszüge bringen einen großen Mehrwert für das Unternehmen – und auch die Teams können sich so besser entfalten“, ist Pitterle überzeugt.

Unterschiedliche Charaktere

Auch Psychologe Beran ist der Ansicht, dass ein Team am erfolgreichsten ist, wenn es sich aus unterschiedlichen Charakteren zusammensetzt: „Ein Unternehmen braucht eine gute Mischung aus lauten und ruhigen Mitarbeitern. Diversität ist das Gebot der Stunde.“

Mitarbeiter fördern

Neben all den Fähigkeiten, die Introvertierte mitbringen, ist jedoch auch klar, dass nicht jeder Job für ruhige Charaktere geeignet ist: „Als Verkäufer sind Introvertierte naturgemäß eher ungeeignet. Hier braucht man schon Menschen, die sich leicht tun, Beziehungen aufzubauen“, erklärt der Arbeitspsychologe. In jedem Unternehmen braucht es aber auch Menschen, die Kontakte aufrechthalten und vertiefen. Als Arbeitgeber sollte man seine zurückhaltenden Mitarbeiter daher umso mehr fördern. Und zwar mit einfachen Methoden: „Es mag banal klingen, aber mit Aufmerksamkeit und Lob. Und mit dem klaren Hinweis darauf, dass Fehler durchaus okay sind. Wir lernen aus Fehlern.“

Ruhige Persönlichkeiten

Fest steht aber auch: Gerade Menschen in Führungspositionen sind oft selbstsicher, kommunikativ und laut – extrovertiert eben. Kann eine ruhige Persönlichkeit also überhaupt Chef oder Chefin sein? „Natürlich“, ist Pitterle von Accenture Österreich überzeugt, „denken Sie an Marc Zuckerberg, Bill Gates oder Angela Merkel. Sie alle werden als introvertiert beschrieben und sind erfolgreich.“ Das bestätigt auch Beran: „Ich kenne durchaus ruhige, introvertierte Chefs, die sehr aufmerksam sind. Sie sind im Schnitt mindestens so erfolgreich, wenn nicht sogar erfolgreicher. Denn Poltergeister bringen eher Unruhe ins Arbeitsklima.“ Dass es bei diesem Thema auch kulturelle Unterschiede gibt, ist Pitterle freilich klar: „In Asien gelten zum Beispiel andere Regeln. Hier gilt nicht als erfolgreich, wer am lautesten auftritt. Im Gegenteil: Hier gilt Stille als Stärke.“ Wie sagt man schließlich auch bei uns: In der Ruhe liegt die Kraft.

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