BWL: Reformierbar wie Friedhöfe

BWL: Reformierbar wie Friedhöfe
Wirtschaftsdenker Niels Pfläging übt Kritik am vorherrschenden Uni- und Managementsystem

Niels Pfläging studierte Betriebswirtschaft in Hannover und Sevilla. Arbeitete in Argentinien und Brasilien, bevor er 2003 sein eigenes Unternehmen gründete und das erste deutsche Buch über den Abschied von Budgets schrieb. Wegen seiner pointierten Kritik am vorherrschenden Managementsystem ist er heute ein gefragter Vortragender. An der Uni Wien sprach er in intimem Rahmen über Vertrauen, Hierarchie und wieso Betriebswirtschaft, wie sie heute gelehrt wird, überflüssig ist.

KURIER: Sie halten heute eine Keynote über unser Verhältnis zum Vertrauen in Organisationen. Ihre These ist, dass wir seit 100 Jahren ein Vertrauensproblem haben?

Nils Pfläging: Ja. Keiner glaubt keinem. Es gibt Misstrauen ohne Ende. Jeder ist am ersten Tag in einer neuen Firma topengagiert. Nach drei bis sechs Monaten hat sich das Verhältnis komplett geändert. Da erkennt man auch, wie die Organisation politisch läuft. In der Regel hat das Unternehmen dann das Vertrauen des Mitarbeiters bereits verspielt. Das Grundvertrauen und die Liebe für das Unternehmen, das jeder mitbringt, wird zerstört. In meinem Vortrag wird es darum gehen, dass Unternehmen das Vertrauen systematisch verspielen.

Was ist der Grund dafür?

Die meisten Organisationen funktionieren nach wie vor nach dem Weisungs- und Kommandoprinzip. Die Welt hat sich geändert – aber hier stecken wir im Industriezeitalter fest. Und man könnte sagen, je mehr Hierarchie wir in einem Unternehmen zulassen, desto weniger haben wir Vertrauen. Der heutige Manager ist ein Kaiser. Dieses Gehabe, die Kommunikation, die Meetings, die Anreizsysteme, all das müsste man abschaffen. Bonussysteme sind Verbrechen gegen die Menschheit. Das Harte daran: Wir wissen seit den 50er- und 60er-Jahren, dass Anreize nicht funktionieren, weil sie am Ende dummes Verhalten fördern.

Was ist die Alternative?

Die Mitarbeiter den Kräften des Marktes aussetzen und sie einfach machen lassen.

Wieso ist es so schwierig, in Unternehmen etwas zu ändern?

Organisationen haben eine innere Stabilität, man folgt Glaubenssätzen. Je größer sie sind, desto eher neigen sie zur Hierarchie. Das wird an Unis gelehrt. Unternehmen sind genauso schwer zu reformieren wie unser Bildungssystem.

Was müsste an Hochschulen noch gelehrt werden? Was braucht ein Manager also?

Zukünftige Manager oder Führende müssten lernen, wie Systeme funktionieren, wie so eine Organisation sozial tickt. Wie man Transparenz erzeugt, wie man mit der Unsicherheit, die daraus entsteht, umgehen kann, wie Leistung entsteht. Niemand leistet einfach so, man leistet miteinander oder füreinander. Diese Dinge lernen Manager nicht. Der altmodische Fächerkanon, der gelehrt wird, war eigentlich schon vor 30 Jahren Mist. Die Betriebswirtschaftslehre muss sich dringend reformieren. Pessimisten sagen: Die betriebswirtschaftlichen Studiengänge kann man genauso schnell reformieren wie Friedhöfe.

Glauben Sie daran, dass sich Organisationen in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren ändern werden?

Das glaube ich tatsächlich. Weil der Druck größer wird. Entscheidet sich ein Marktteilnehmer für ein nicht hierarchisches Modell, setzt er neue Kräfte frei. Jeder projiziert jetzt seine Hoffnung auf die Generation Y – die sollen das bitte richten. Was totaler Quatsch ist. Dass zeigt aber auch die Sehnsucht, die wir alle haben, dass sich etwas ändern möge.

Gibt es Positivbeispiele?

Ja, etwa dm Drogeriemarkt. dm hat sich vor allem in Deutschland massiv enthierarchisiert. Die haben den Code geknackt, wie man zu einer postmodernen Netzwerk-Organisation wird. Mit 50.000 Leuten.

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