Innauer: "Ab und zu in den Dreck greifen"

Toni Innauer ist für mentales Training auch im Job: „Die Leute werden zunehmend ablenkbar“
Als ehrgeiziger Skispringer verabscheute Toni Innauer Niederlagen. Heute rät er, sie zu nutzen.

Toni Innauers Büro liegt im modernen Komplex Soho 2.0 in Innsbruck. Start-ups und Jungunternehmer sind hier eingemietet. Auch Innauer ist einer: Seit 2011 leitet der frühere Skispringer die Agentur innauer (f)acts und coacht Sportler.

Innauers zweite Karriere prägte eine Niederlage. 1976 wurde der junge Skispringer in seiner Heimat Igls nicht Olympiasieger, sondern "nur" Zweiter. "Deswegen habe ich später Psychologie studiert", sagt er. Verletzungsbedingt beendete er seine Karriere mit 22. Während des Studiums reflektierte er seine Niederlagen, seine Erfolge, seine Motivation. Dieses Wissen ließ er später in seine Aktivitäten als Trainer und Sportdirektor einfließen. Heute zeigt er Führungskräften in Vorträgen, wie sie sich und ihre Mitarbeiter zu Bestleistungen motivieren können. Im Gespräch mit dem KURIER reflektiert er die wichtigsten Gemeinsamkeiten zwischen Spitzensport und Job. Toni Innauer über ...... mentale Kraft Im Skisport gibt es viele leistungsbestimmende Komponenten, sagt Toni Innauer: Die körperliche Fitness, das Material, das Wetter, das technische Können. Und die mentale Dimension: "Die Sportpsychologie weiß, dass mentale Fähigkeiten wie Durchhaltevermögen, Konzentrationsfähigkeit und Emotionskontrolle trainiert werden können." Das sei auch für die Arbeitswelt notwendig: "Die Leute werden zunehmend ablenkbar und beeinflussbar."

... Eigenleistung statt Erfolgssucht "Die meisten Menschen funktionieren besser, wenn sie auf ihre Tätigkeit fokussiert sind und nicht auf das Ergebnis", sagt Innauer. Er sei als junger Sportler zu ehrgeizig gewesen: "Ich hatte den Drang, der Beste in der Mannschaft zu sein", erzählt er. Doch: Der Drang zu gewinnen blockiere die eigene Leistung. "Man sollte sich nicht fragen: Was kann ich besser als andere? Sondern: Wie kann ich mich entwickeln?" Die Maxime solle Leistung sein, nicht Erfolg: "Erfolg kann man durch vieles erreichen – durch Glück, Korruption, Doping. Mit Fokus auf die Eigenleistung schadet man aber weder sich noch anderen."

... Motivation durch FunktionslustLaut Innauer gibt es prinzipielle Elemente von Motivation: "Es ist motivierend, zu einer Gruppe zu gehören, Sicherheit ist für viele Menschen ein Motiv. Auch die Chance, sich entfalten zu können, motiviert." Die Funktionslust sei ein großer Motivator: Schwieriges zu erlernen und zu beherrschen erzeugt laut Verhaltensforscher Konrad Lorenz Lust auf die anspruchsvolle Tätigkeit. Die Frage sei im Sport wie im Job: "Wie ist der Mensch strukturiert, was braucht er, damit ihn die Tätigkeit motiviert?" Für besondere Leistung sei Begeisterung nötig.

... den Umgang mit Niederlagen "In einer statusorientierten Gesellschaft, in der jeder gut ausschauen will, ist kein Platz für Fehler", sagt Toni Innauer. "Man braucht sich nur anzuschauen, wie jede Partei den Ausgang der Wahlen interpretiert hat. Man will sich nicht anmerken lassen, dass man nicht zu den Siegern gehört." Im Job wie im Spitzensport sei ein nüchtern realistischer Zugang zielführender: "Es ist gut, ab und zu in den Dreck zu greifen – denn Niederlagen und Fehler sind Kenngrößen. Sie geben Orientierung, wie man es künftig besser machen und seine Chancen optimieren kann." AlsTrainer gab er "ehrliches Feedback zu den Fehlern und Lob für den beherzten Versuch."

... Talent Toni Innauer entdeckte als 12-Jähriger, dass er das Skispringen mit Leichtigkeit beherrschte. Es war ein Prozess der "Selbstentdeckung", sagt er. Und nicht nur das: Am Skigymnasium Stams erkannte Trainer Baldur Preiml sein Talent und holte ihn ins Team, "ein Glücksfall für mich ", sagt Innauer. Drei Wochen nach Trainingsstart nahm er an der Staatsmeisterschaft teil, wurde Zweiter.

... den Umgang mit Risiko Das Risiko beim Skispringen sei vielschichtig: "Es gibt das Risiko, zu scheitern, sich zu verletzen, die Verantwortung des Trainers für seine Schützlinge. Die Karriere kann mit Tollkühnheit schnell zu Ende sein." Selbstvertrauen und Mut zum Risiko steigen mit der Anzahl von positiven Bewältigungserlebnissen, sagt Innauer. Das ist wohl auch im Job so.

Geboren am 1. April 1958. Am Skigymnasium Stams war er zuerst Skirennläufer, begann mit 13 mit dem Skispringen.1973 kam er in die Nationalmannschaft, brachte es zu Silber und Gold bei den Olympischen Winterspielen und zum Weltmeister. Im Alter von 22 beendete er seine Karriere wegen einer Verletzung. Innauer studierte Psychologie, war Trainer, nordischer Sportdirektor und Rennsportdirektor beim ÖSV. 2011 gründete er innauer (f)acts. Mit seiner Frau Marlene hat er drei Kinder. Sohn Mario beendete seine Skisprungkarriere 2013 im Alter von 23 ebenfalls verletzungsbedingt.

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