In der Warteschleife: Warum Bewerbungen so lang dauern

Daniel Gleitsmann hat zwei MA-Abschlüsse und ist auf Job-Suche
Zwischen vier und zwölf Wochen warten Bewerber auf eine Antwort. Wir haben Bewerber und Personaler nach den Gründen gefragt.

Motivationsschreiben und Lebenslauf sind aktualisiert, die Bewerbung endlich abgeschickt - danach warten Kandidaten zwischen vier und zwölf Wochen auf eine Antwort. Wie sich Bewerbungsphasen anfühlen und warum sie so lange dauern - aus der Sicht von Jobsuchenden und Personalverantwortlichen.

„Es ist wichtig, sich durch Zusatzqualifikationen aus der Masse hervorzuheben“

Daniel Gleitsmann, 28, hat zwei Masterabschlüsse in Unternehmensberatung und sucht nach einer Stelle als Projektleiter in der Branche

In der Warteschleife:  Warum Bewerbungen so lang dauern

KURIER: Wie viele Bewerbungen haben Sie in letzter Zeit geschrieben?
Daniel Gleitsmann: Ich bin seit Ende Januar auf Jobsuche und habe bisher zehn Bewerbungen geschrieben. Bei zwei Bewerbungen wurde ich eingeladen. Eine Jobzusage habe ich  dann nicht angenommen, bei der zweiten bin ich in der Endphase. Jetzt habe ich meine Suche weiter intensiviert.

Wie groß ist die Konkurrenz in Ihrer Branche?
Ich habe Unternehmensführung studiert, in dem Bereich herrscht eine große Konkurrenz. Es gibt viele junge, gut ausgebildete Absolventen am Arbeitsmarkt, es geht kompetitiv zu. Auch ich habe eine gute Ausbildung mit einem Master an der FH und an der Burgundy School of Business in Dijon, Frankreich. Ich glaube, es ist wichtig, sich durch Zusatzqualifikationen von der Masse abzuheben.

Wie schnell haben Sie eine Antwort erhalten – wie ist der Rücklauf?
Ich habe mich nur bei größeren Konzernen und Unternehmensberatungen beworben und die Antwort kam spätestens nach zwei Wochen. Ich bin also positiv gestimmt und ich hoffe, es bleibt dabei. Eine gute Grundstimmung ist wichtig.

Wie viel Zeit investieren Sie in Bewerbungen?
Das ist bei mir schon sehr intensiv, ich schreibe manchmal einen halben Tag an einer Bewerbung. Ich gebe mir Mühe, dass mein Lebenslauf aussagekräftig ist, denn der erste Eindruck zählt. Motivationsschreiben verfasse ich immer individuell. Vor Gesprächen frage ich im Umfeld des Arbeitgebers nach, wie die Stimmung im Unternehmen oder in der Branche ist.

Wie lange waren Sie in diverse Bewerbungsprozesse eingebunden?
Das Längste, was ich bislang mitgemacht habe, war ein Assessment-Center eines großen Konzerns. Vom Erstkontakt bis zur letzten Runde  hat es zweieinhalb Monate gedauert.  Nach einer mehrstufigen Vorauswahl kam ich weiter in ein eintägiges Assessment-Center. Im ersten Teil habe ich tiefer gehende Gespräche mit Mitarbeitern und Vorgesetzten geführt, im zweiten Teil eine Präsentation gehalten und an einer Gruppenübung teilgenommen. Es ist schon ein langes Verfahren, aber es spornt auch an, wenn  die Gegenkandidaten immer weniger werden.

Bewerben Sie sich ausschließlich dort, wo Sie dem Jobprofil entsprechen würden oder streuen Sie breiter?
Nein. Alle meine Bewerbungen haben Bezug auf Ausschreibungen genommen und entsprachen den Anforderungen.

Informieren Sie sich bei Unternehmen aktiv, wie es um Ihren Bewerbungsstatus steht, wenn Sie nichts mehr hören?
Ich habe gehört, das sollte man erst nach zwei Wochen machen und so habe ich das auch gehalten. Es könnte ja auch sein, dass die Zusendung nicht geklappt hat. Wenn ich bereits zu einem Gespräch eingeladen wurde, rufe ich einen Tag später an, weil mich ein Feedback interessiert.

Wie sollte die Kommunikation mit Bewerbern Ihrer Meinung nach ausschauen?
Mir ist Ehrlichkeit wichtig und dass man sich an Vereinbarungen und Termine hält. Ich sehe mich als ein Vertreter der „Generation Y“. Ein Job ist eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung im jeweiligen Unternehmen. Ebenso will ich eine Arbeit, die mich mit Sinn erfüllt.

Was geht gar nicht, wann würden Sie  abspringen?
Unzulässige Fragen sind  ein No-Go. Man hat mich einmal nach meiner politischen Anschauung gefragt. Solche Fragen beantworte ich nicht.  

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„Die Durchlaufzeit bis zur Zusage liegt bei unter 60 Tagen“

Birgit Schmöller, Leiterin der ÖBB-Personalentwicklung & Recruiting, wird in den nächsten Jahren bis zu 10.000 freie Stellen besetzen

In der Warteschleife:  Warum Bewerbungen so lang dauern

KURIER: Wie viele Bewerbungen liegen aktuell bei Ihnen auf dem Tisch?
Birgit Schmöller: Momentan sind bei uns 300 Stellen ausgeschrieben, die von einem 30-köpfigen Team bearbeitet werden. In den Positionen, wo wir sehr viele  Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen, haben wir in den vergangenen sechs Monaten über 6.000 Bewerbungen  bekommen.  

Wie bewältigen Sie so viele Bewerber? Wann erhalten Kandidaten die erste Nachricht auf Ihre Bewerbung?
Im Idealfall innerhalb von drei, maximal nach fünf Arbeitstagen. Dann wird üblicherweise ein Telefoninterview vereinbart und der Bewerber hat die Möglichkeit, schon vorab Fragen zu  den nächsten Schritten zu stellen.

Welche Bewerbungen werden aussortiert und womit punktet man?
Das kommt darauf an, welche Stelle zu besetzen ist.  Das Wichtigste ist der Lebenslauf, er bildet die Gesprächsbasis. Bei Menschen mit mehr Berufserfahrung ist es spannender, wenn einzelne Projekte  betont werden und nicht frühere Arbeitgeber. Ich persönlich glaube, dass das Motivationsschreiben irgendwann abgelöst wird. Nicht jeder kann sich sprachlich gleich gut ausdrücken, das ist auch nicht immer notwendig.

Wie sollte eine Bewerbung ablaufen, damit Kandidaten nicht abspringen?
Ich habe nur selten erlebt, dass Kandidaten abspringen, wenn sie von uns über einzelne Schritte informiert werden. Wir arbeiten schnell und halten uns an Fristen. Die Durchlaufzeit einer Bewerbung bis zu einer  Zusage liegt bei unter 60 Werktagen – bei unserer Unternehmensgröße ist das schnell.

Laden Sie auch Bewerber ein, die nicht unbedingt allen erwünschten Anforderungen entsprechen?
Ein Stelleninserat ist ein Wunschprofil. Es gibt jedoch Kriterien, die erfüllt werden müssen. Aber ich gebe einen Tipp: selbstbewusst sein und ausprobieren – fachlich kann man sich immer weiterentwickeln. Besonders Frauen neigen dazu, sich nur zu bewerben, wenn sie  zu 110 Prozent der Stelle entsprechen. Wir unterstützen aber auch Karrieren abseits klassischer  Pfade.

Spricht es für Bewerber, wenn sie sich über ihren Status informieren wollen oder verringert es die Chancen?
Ich sehe das ganz neutral, das ist das gute Recht des Bewerbers. Wir fragen ebenfalls nach Feedback, um zu erfahren, wo wir unser Recruiting noch verbessern können.

Wie kommunizieren Sie mit Jobsuchenden während der Bewerbungsphase? Worauf muss ein Unternehmen heutzutage achten?
Das Wichtigste ist: Kontakt halten. Jede Verzögerung muss den Bewerbern erklärt werden. Ich finde, als Personalverantwortlicher sollte man Achtung vor  Bewerbern haben. Denn ein Großteil der Kandidaten ist angespannt, weil sie in einer Stresssituation sind. Für mich ein Zeichen, dass  ihnen der Job wichtig ist.

Wie schaut eine Absage bei Ihnen aus?
Wenn anhand der schriftlichen Unterlagen die Entscheidung getroffen wird, dass es nicht klappt, wird auch schriftlich geantwortet. Sobald ein persönlicher Kontakt stattgefunden hat, rufen wir an und geben auf Wunsch ein Feedback. Eine Absage ist aber nur eine Momentaufnahme und bedeutet nicht „nie wieder“. Diese Stelle hat in diesem Setting und zu dem Zeitpunkt nicht gepasst.  

Das lange Warten auf eine Zusage

Nichts kann so quälen, wie eine Bewerbung, denn nach dem Abschicken beginnt das Warten. Ein Viertel der Arbeitnehmer in Österreich wartet vier bis zwölf Wochen auf eine Jobzusage. Die meisten Kandidaten fänden höchstens vier Wochen Wartezeit besser, so eine Arbeitsmarktstudie des Personaldienstleisters Robert Half. Warum dauert es trotzdem so lange?

In der Warteschleife:  Warum Bewerbungen so lang dauern

20 Bewerbungen pro Stelle

Fragt man auf der Empfängerseite nach, wird zunächst die Bewerbungsflut als Herausforderung genannt. In größeren Unternehmen, wie der Erste Bank Group, landen pro Stelle zumindest 20 Bewerbungen im Postfach. In Summe bearbeitet das HR-Team von Christian Dorfinger, Head of Employer & Recruiting der Erste Bank, 20.000 Bewerbungen im Jahr. „Jeder meiner Mitarbeiter betreut 25 bis 30 offene Stellen – permanent“, erklärt Dorfinger.

Auch bei der OMV, die zu den größten Arbeitgebern des Landes gehört, werden je nach Funktion, Level und Standort der Position zwischen 20 und 200 Bewerbungen bearbeitet, gibt die verantwortliche Personalerin Verena Fasching an.„Für einen Lebenslauf nehmen wir uns zwei bis drei Minuten Zeit, nicht mehr“, sagt Christian Dorfinger von der Erste Bank. Dementsprechend flott erhalten Kandidaten eine Einladung zu einem Gespräch – oder eine Absage.

Vieles landet im Spam-Ordner

Aber nicht alle Firmen bieten ein so optimiertes Antwortmanagement an. Hat man Pech und schickt seine Bewerbung an ein Unternehmen ohne HR-Profis oder Recruiting-Software, landet diese nicht selten im Spam-Ordner. Die 28-Jährige Katharina Ofner machte diese Erfahrung bei einer Bewerbung für ein Praktikum in einem Start-up. Mit dem KURIER sprach sie über ihre Bewerbungsphase während des Studiums in Wien.

„Man hat mir hin und wieder eine Mail geschickt, aber nie mit einer Entscheidung. Sie wussten einfach nicht, was sie wollten und hatten nicht wirklich ein Budget für meine Stelle.“ Die Warteschleife dauerte Monate. Ein weiteres Problem sind interne Absprachen, über die Bewerber nicht informiert werden.

Gründlichere Recruiting-Methoden erfordern mehrstufige Bewerbungsverfahren

Der Druck ist auf beiden Seiten groß. Auf der einen Seite wollen Bewerber rasch durch das Aufnahmeverfahren, auf der anderen Seite versuchen Personaler unter den vielen Bewerbungen, die besten Kandidaten herauszupicken. Schwierig wird die Suche vor allem in Branchen, in denen ein Generationenwechsel bevorsteht und Tausende von Stellen neu besetzt werden müssen oder in Bereichen, wo nicht genügend Nachwuchs ausgebildet wird.

HR-Verantwortliche benutzen dafür eine große Auswahl an Methoden, um Kandidaten immer gründlicher zu durchleuchten. „Unser Recruiting Prozess ist mehrstufig und enthält je nach Level und Funktion unterschiedliche Auswahlmethoden“, sagt Verena Fasching von der OMV. Aber: gut ausgebildete Fachkräfte haben keine hohe Toleranzschwelle: Jeder vierte gut qualifizierte Bewerber hat laut einer Umfrage von karriere.at, schon einmal eine Bewerbung zurückgezogen.

Um die Wartezeit zu verkürzen geben Experten folgende Tipps:

1. Die Bewerbung lieber noch einmal durchlesen und auf Tipp- und Namensfehler kontrollieren. Diese Fettnäpfchen sind oft ein Grund für eine Ablehnung.

2. Nach zwei Wochen ohne Antwort sollte man anrufen und nachfragen.

3. Vor dem Anruf gut vorbereiten – er kann zu einem Telefoninterview werden.

4. Absagen nicht persönlich nehmen und ein Feedback einfordern. Bei Katharina Ofner führte ein Rückruf tatsächlich zu einer Jobzusage.

Was auch stärker wird: Ghosting im Job

Wenn Bewerber sich in Luft auflösen

Eigentlich stammt der Begriff aus der Welt der Datingplattformen. Hier „ghostet“ jemand, der  nicht zum Date erscheint und auf Nachrichten nicht mehr reagiert. Bei einem Date versetzt zu werden, nagt ähnlich am Selbstbewusstsein, wie zähe Bewerbungsverfahren. Wenn Kandidaten wochenlang keine Antwort von Unternehmen erhalten, drehen sie  den Spieß um –  antworten nicht mehr, erscheinen nicht zum Vorstellungsgespräch oder gar zum ersten Arbeitstag.

Die Ursachen des Trends sehen Experten auch darin: Qualifizierte Bewerber hätten meistens die Wahl zwischen mehreren attraktiven Angeboten und entscheiden sich kurzfristig um. Andererseits verändere sich mit dem technologischen Wandel auch die Jobsuche selbst. Dass Ghosting kein Nischenphänomen ist, zeigte eine Umfrage unter Unternehmen in den USA: 43 Prozent der Bewerber, meist 22  oder jünger, seien trotz einer Zusage einfach untergetaucht.  In Österreich sollte man allerdings aufpassen – hier ist der Arbeitsmarkt deutlich kleiner.  

 

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