Im Kellerwerk: Aus alt mach neu
Wie auf einem alten Schiff ächzen die Holzplanken unter jedem Schritt. Beim zweiten und dritten Schritt im hinteren Raum – zwischen der Kabeltrommel, die in ihrem zweiten Leben Tisch sein darf, und alten Sesseln mit neuem Zeitungsstoff bezogen – knarrt es so laut, dass man vor Schreck erstarrt. Aber Romana Fürst und Sascha Johannik lächeln. Keineswegs aus Schadenfreude, sondern weil das Geräusch für sie wie Vogelzwitschern am Morgen ist, für sie nun seit einigen Monaten Zuhause bedeutet. Sessel, Esstische, Wanduhren, der Schmuck, das Gewand, Taschen, die vielen Lampen und Schalen, die beiden Räume haben alles, was ein Zuhause ausmacht. Der Unterschied ist nur, dass zu Romana und Sascha Besucher kommen und die Stücke mitnehmen. Nicht mit diebischem Motiv, sie bezahlen brav für ihren neuen Besitz.
Romana Fürst und Sascha Johannik sind zusammen – romantisch, wie auch per Firmenbuchnummer. Und führen das Label Kellerwerk. Alte Sachen sind ihre Leidenschaft. Sie mit Ideenreichtum und Detailverliebtheit zu etwas Neuem zu machen ist ihre Lebensgrundlage: Aus alten Koffern, machen sie Schreibtische, aus alten Schneiderpuppen Lampen, aus Schallplatten Uhren, aus Lederhosenträgern Taschenhenkel und es stapeln sich noch viele Blöcke voll mit Ideen, Skizzen und Kostenaufstellungen in ihren Laden.
Am liebsten würden sie alle verwirklichen – doch dafür mangelt es noch an Raum. Obwohl sie seit einigen Monaten nun ihre Werke und so manche von anderen Künstlern in dem Gassenlokal mit der Adresse Gumpendorfer Straße 48, 1060 Wien, verkaufen.
Von Afrika bis Österreich
Der Ursprung des Unternehmens liegt in einer viel wärmeren Gegend: im nordwestlichen Afrika, in Mauretanien, wo der gelernte Tischler Sascha Johannik für eine NGO Möbel zusammenbaute. In einem Stück wurden sie dann in Schulen aufgestellt. Von Mauretanien zog er nach Burkina Faso in Westafrika – dort wurde ein Tischler mit Französischkenntnissen gesucht. Dort schulte er Jugendliche für eineinhalb Jahre darin, wie man Kreissägen und anderes schweres Gerät sicher benützt. Und machte sich damit selbst obsolet. Mit der Erfahrung, dass man Dingen ein zweites Mal Leben einhauchen kann, ging er zurück nach Wien – denn in Burkina Faso wird nichts so schnell weggeworfen. Zurück in Österreich probierte er zu studieren, versuchte in anderen Bereichen zu jobben. Bis ihm klar wurde, dass ihn die Tischlerei durchaus erfüllt, nur eben nicht in einer Tischlerei.
Zusammensein
Sascha Johannik und Romana Fürst kennen einander von einem Kolleg, wo beide eine Ausbildung für Innenraumgestaltung und Möbelbau absolvierten. Er ging nach Afrika. Sie arbeitete bei Bene in der Planung und dann als Dekorateurin. Seit vier Jahren sind sie ein Paar. Vor drei Jahren machte sich Johannik selbstständig. Er baute auf, sie verdiente Geld. Vor einem Jahr stieg Romana Fürst dann voll ein. "Es war für mich zu Beginn schwierig, nicht jeden Monat einen fixen Betrag zur Verfügung zu haben."
Mit Kellerwerk kommen die beiden zurzeit gut über die Runden. Auch wenn sie noch weit von dem entfernt sind, wo sie hinwollen. "Es könnte mehr sein", sagt Sascha Johannik. "Manchmal haben wir so viel Arbeit, dass wir nicht wissen, wie wir sie bewältigen sollen. Und dann kommt man manchmal an den Punkt, wo man sich echt über Alternativen Gedanken machen muss", sagt er. Das Schöne: "Genau an diesem Punkt passiert etwas und dann läuft es wieder." Das ist das Los der Selbstständigen – es geht immer rauf und runter.
Doch auf ihrem Los steht oft auch noch etwas anderes geschrieben: Glück. "Ich bin happy", sagt Sascha Johannik. Und Romana Fürst stimmt ihm zu: "Ich habe zwar kein fixes Einkommen. Aber ich bin glücklich – und das ist mehr wert."
1. Man sollte sich wirklich zehn Mal überlegen, ob man gründen will. Ich wollte nie selbstständig sein – meine gesamte Familie ist selbstständig. Ich habe schon als Kind miterlebt, wie es das Leben beeinflusst: In einem Jahr gibt es Luxusurlaube und im nächsten Jahr ist kein Geld für irgendetwas da.
2. Durchhaltevermögen und gute Nerven sind daher sehr wichtig. Sascha ist derjenige, der die Ruhe bewahrt. Ich werde bald nervös und er holt mich dann zum Glück wieder runter.
3. Überlegt euch genau, in welche Branche ihr wollt, in welchen Markt und ob ihr wirklich so gut seid, um mit anderen zu konkurrieren.
4. Sucht euch ein kreatives Umfeld. Ich war die erste Zeit in einer Gemeinschaftswerkstatt, im Kunstkanal im 2. Bezirk in Wien – mittlerweile sind dort rund 17 Kreative, vom Architekten bis zum Korbflechter. Dort trifft man viele gute Leute, man kann um Rat fragen, kann Ideen und Werkzeuge austauschen, kann von der Erfahrung anderer lernen und anderen unter die Arme greifen. Vielleicht ergibt sich eine Kooperation. Wir verkaufen zum Beispiel Schmuck aus alten Kamerateilen, den eine Bekannte herstellt.
5. Guter Familienrückhalt ist sehr wichtig. Wenn einem Eltern, Geschwister oder auch Freunde helfen und uns unterstützen können, ist das sehr viel wert. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sein wird, selber mal Kinder als Selbstständiger zu haben – Hut ab, das ist bestimmt nicht einfach.
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