Ihr Auftritt in fünf, vier,drei, ...
Aufgeregte Gesichter, angespannte Gesichter, fast alle sind gut gelaunt. "Bringen Sie einen Elefanten auf die Bühne – und er kann Ihnen Pluspunkte bringen. Aber der Elefant allein macht Sie noch nicht zum Gewinner." Redeprofi und Initiator Hermann Scherer schwört die 23 Teilnehmer des "1. Österreichischen Speaker-Slam" im Metro-Kino auf den Wettbewerb ein. In einer halben Stunde wird einer nach dem anderen auf die Bühne treten und sich zehn Minuten lang in der Redekunst beweisen.
Wenig später besprechen die Jurymitglieder – darunter auch der KURIER. Wie wir bewerten sollen, fragen wir Hermann Scherer. Wir schlagen Kriterien vor: Körpersprache, Bühnenpräsenz, Aufbau des Vortrags. Hermann Scherer winkt ab. "Gehen Sie zu 50 Prozent nach Inhalt, zu 50 Prozent nach Auftreten." Und nach dem eigenen Gefühl. Man merke es gleich, wenn der Funke aufs Publikum überspringt.
Zwei Stunden später wissen wir, was er meint. Profis und Laien wechseln sich im Redereigen ab. Schnell wird klar, wer beim Publikum ankommt. Diese sieben Schritte führen Sie zur Redekunst:
1. Authentisch statt aalglatt
Gregor Fauma hat eine natürliche Bühnenpräsenz . Und komisch ist er auch noch. Mit Uuh-Uhh-Rufen läuft er die Stufen hinab zum Publikum, den Gorilla mimend. Er wäre ein Fall für den Psychiater, würde er nicht als Evolutionsbiologe über den Urmenschen im Konferenzzimmer und die Evolution des Präsentierens sprechen. Mit seiner kraftvollen Präsenz und starken Gesten markiert er die Bühne als Territorium. Einstudiert wirkt hier nichts. Vielmehr nimmt Fauma typische Redner-Gesten auf die Schaufel: Die "Klospülung" betätigen zum Beispiel (erhobene rechte Hand zieht am imaginären Schnürl). Sein Konkurrent Markus Kroner sorgt eine Stunde später mit breitem Dialekt und komödiantischen Otto-Waalkes-Einlagen für Lachkrämpfe im Publikum.
– Fazit: Körpersprache und Sprache müssen zur Persönlichkeit passen. Theatralisch antrainierte Gesten oder gezwungenes Hochdeutsch wirken aufgesetzt und peinlich. Eine ausdrucksstarke Körpersprache kann erlernt, muss aber verinnerlicht werden, damit sie authentisch wirkt – wie bei einer Fremdsprache. Eine große Bühne erfordert größere Gesten, damit sie auch beim Zuschauer ganz hinten ankommen.
2. Publikums-Spiele
"Denken Sie an den Eiffelturm, an dem ein Torero hängt", fordert Gedächtnistrainerin Luise Maria Sommer das Publikum auf. "Dann stellen Sie sich vor: Sie gehen zu IKEA, dort wartet die nackte deutsche Nationalmannschaft, die in die finnische Sauna geht. Dann poltern Sie hinaus zum Italiener ums Eck."
Dann fragt die Vortragende das Publikum ab. In nicht einmal einer Minute hat das Publikum die größten europäischen Länder auswendig gelernt: Frankreich, Spanien, Schweden, Deutschland, Finnland, Polen und Italien. Sommer hat das Publikum eingebunden – und gleichzeitig fasziniert.
– Fazit:Wer sein Publikum aktiv auf eine unangestrengte, möglichst humorvolle Art involviert, hat es schnell auf seiner Seite.
3. Laut, deutlich und lebendig Christoph Wydy ist ein rhetorisches Naturtalent: Er spricht mit Elan, in angenehmer Lautstärke, mit deutlichen Worten. Eindringlich und gleichzeitig gelassen erzählt er Anekdoten über das Lernen – als würde er Freunden eine richtig gute Geschichte erzählen.
– Fazit: Ihre Stimme ist Ihr Werkzeug. Sie entscheidet, ob Ihre Botschaft ankommt. Monotonie macht die spannendsten Inhalte belanglos, bei Quasselattacken steigen die Zuschauer aus. Eine deutliche, melodiöse Sprache, die Abwechslung von kurzen und langen Sätzen und gekonnt eingesetzte Pausen sorgen dafür, dass das Publikum Sie in Erinnerung behält.
4. Immer schön sympathisch
"Sie sehen, ich bin blond – und schon haben Sie mich in eine Schublade gesteckt." So beginnt die an sich sympathische Anke van Beekhuis ihre Rede. Sicher in bester Absicht, doch einen unerwünschten Nebeneffekt hat diese Unterstellung: Sie erzeugt beim Publikum eine Abwehrhaltung. Sympathisch kommt Thomas Andreas Beck an: "I bin goar ka Speaker", stellt er etwas nervös klar. Als er seinen selbstkomponierten Song mit Gitarre anstimmt, ist alle Nervosität verflogen.
– Fazit: Sprechen Sie das Publikum niemals vorwurfsvoll an. Kleine menschliche Fehlbarkeiten kommen sympathischer rüber als Arroganz. Genauso schlecht ist es, sich anzubiedern: Der Jury in der Pause Gummibärli zu bringen, kommt nicht so gut an.
5. Ein bisschen emotional
Als Stefanie Stoiber alias Janis Rollin – eine Kunstfigur in Hotpants – über ihren Aufstieg und Fall spricht, wird es still im Saal. Sie redet über ihre Zeit als Bankmanagerin mit 180-Quadratmeter-Luxuswohnung und ihre Zeit als Obdachlose. Das Publikum ist ergriffen.
– Fazit: Nur wer das Publikum berührt, bleibt in Erinnerung. Anekdoten sollten in keinem Vortrag fehlen. Allerdings: Emotion punktuell einsetzen, nicht zu sehr auf die Tränendrüse drücken. Die eigene Geschichte nur dann erzählen, wenn sie stark genug für die Botschaft ist (z. B. der Spitzensportler über Motivation, die Ex-Managerin über das Scheitern).
6. Anders als die anderen
Max Mayerhofer kennt die Bühne als Moderator bestens. Der unkonventionelle Wortakrobat wirft satirische Pointen über das Präsentieren ins Publikum ("Meine Allerwertesten". Er rät davon ab, lange Sätze auf der Bühne zu sprechen, in dem er einen ewig langen Satz vom Stapel lässt. Das Publikum ist begeistert. Auch Florian Schönwiese punktet mit seinem ungewöhnlichen Ansatz: Auf der Geige Beethoven spielend, erklärt er anhand der Philharmoniker Führung und Teamarbeit.
– Fazit:Seien Sie originell. Die Menschen erinnern sich eher an das Wie als an das Was eines Vortrags. Machen Sie sich zur unverwechselbaren Marke. Aber: Es muss zu Ihnen passen. Als seriöser Typ auf Kabarettist zu machen, wirkt peinlich.
7. Wettbewerb der RednerBlackout einplanen
Es ist wohl das Schlimmste, das einem Redner passieren kann: Petra Salmutter gerät ins Holpern: "Ich habe den roten Faden verloren." Das Publikum hilft ihr mit Zurufen auf die Sprünge. Und wieder ein Hänger. Sie sagt mit tragikomischer Miene: "Kann nicht zufällig jemand meinen Text auswendig?" Lacher im Publikum, die Lage ist entkrampft.
– Fazit: Im Vorfeld: Spinnen Sie den roten Faden von der Ausgangsthese zur Schlussaussage. Lernen Sie Ihre Kernaussagen auswendig. Beim Blackout auf der Bühne: Machen Sie eine Kunstpause, sprechen Sie allgemein weiter. Wenn es zu offensichtlich ist: Zeigen Sie Humor.
Rede-Reigen
Der 1. Österreichische Speaker Slam fand am vergangenen Samstag im Wiener Metro Kino statt. 23 Redner – Profis wie Laien – traten gegeneinander mit zehnminütigen Vorträgen an. Veranstaltet wurde der Speaker-Slam von der Hermann Scherer Academy, der Potential AG und von Magazin TRAiNiNG.
Die Gewinner
Den Verlagspreis des KURIER und Magazin TRAiNiNG erhielt Gregor Fauma (obere Reihe, 2. v. re.), den Agenturpreis der Potential AG und der Scherer Academy bekam Luise Maria Sommer (re. daneben), den Gesamtpreis erhielt Max Mayerhofer (obere Reihe, Erster v. li.).
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