"Humor hilft über vieles hinweg"

"Man kann einem dementen Menschen nichts ausreden“, sagt Stefanie Mann.
Altenpflegerin Stefanie Mann* zeigt in ihrem Buch die amüsante Seite ihres Joballtags.

Heimbewohner Johann: "Jungs wie dich braucht die Reichswehr."

Pflegerin Stefanie: "Ähm, ich bin ein Mädchen."

Johann: "Na, dann bekommst eben Kinder und kriegst von unserem Führer das Mutterkreuz!"

Sie ist burschikos, tätowiert und ziemlich forsch. Die Deutsche Stefanie Mann* geht nicht als typische Pflegefachkraft durch. Und dennoch macht die 27-Jährige ihren Beruf aus voller Leidenschaft. Ihren Joballtag beschreibt sie humorvoll in ihrem Buch "Die Frau Müller hat mir schon wieder die Zähne geklaut!"

"Humor hilft über vieles hinweg"
Die Frau Mueller hat mir schon wieder die Zaehne geklaut von Stefanie Mann
KURIER: Warum haben Sie sich dazu entschlossen, ein Buch über Ihren Joballtag zu schreiben?

Stefanie Mann: Damit will ich zeigen: In der Pflege sind nicht nur arme, überforderte Pflegekräfte und arme, alte Menschen, die dahinvegetieren. Die Arbeit kann auch Spaß machen.

Was bringt eine 22-jährige Autolackiererin ins Pflegeheim?

Vor meiner Ausbildung zur Autolackiererin habe ich mit 17 Jahren einen Monat lang in den Pflegeberuf geschnuppert, es gefiel mir gut. Für die Fachkraftausbildung wird man teilweise aber erst mit 18 genommen. Ich wollte Geld verdienen und habe die Ausbildung zur Lackiererin gemacht. Ich wurde dann nicht übernommen und bin auf meinen Plan A, die Pflege-Ausbildung, zurückgekommen.

Hatten Sie nicht Angst, dass der Beruf zu belastend sein könnte?

Damals war es nicht so groß in den Medien wie heute, dass der Beruf so anstrengend ist. Ich habe nie gedacht, warum tu’ ich mir das an, bin unvoreingenommen reingegangen.

Pfleger sind in Österreich und Deutschland stark nachgefragt. Was hätten Sie gern von der Politik?

Wichtig wäre höhere Bezahlung, egal, ob Fachkraft, Hilfskraft oder Praktikant. Es ist ein schöner Beruf, er muss in der Gesellschaft mehr anerkannt werden. 95 Prozent sind gute, motivierte Pflegekräfte, aber ein faules Ei verdirbt oft den Kuchen. Es müsste mehr Pflegekräfte geben, damit man mehr auf die Bewohner eingehen kann. Das geht eben nur, wenn Rahmenbedingungen und Image sich ändern – sonst will ja keiner in die Pflege.

Sie schreiben amüsant über die Bewohner wie dem "notgeilen Franz" oder "der harten Hanna". Ist Humor das Mittel, um den Joballtag zu bewältigen?

"Notgeiler Franz" hört sich vielleicht hart an, aber ich wollte erzählen, was im Altersheim den ganzen Tag abgeht. Es ist nicht so, dass man sich über die alten Menschen kaputtlacht. Aber Humor hilft über manche Situationen hinweg – wenn man mit Bewohnern lachen kann oder mit Kollegen schmunzelt.

Sie berichten auch von empathielosen Robotern, Kollegen, die so gar nicht auf die Heimbewohner eingehen. Wie sehen Sie da Ihre Rolle?

Diese Kollegen gibt es leider. Es ist wichtig, dass man Gefühl reinbringt und nicht nur Arbeit macht, wie ein Roboter die Leute wäscht und dann heimgeht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das erfüllend ist. Man nennt mich Schwester Rabiata mit dem großen Herzen oder Rumpelstilzchen – mein Auftreten ist burschikos, aber doch empathisch.

Sie haben auch in der durchgetakteten mobilen Pflege gearbeitet. Ist es da schwierig, eine Beziehung zu den Bewohnern aufzubauen?

Dort ist der Zeitplan noch straffer. Wenn in der mobilen Pflege was dazwischenkommt, kommt man ins Rudern. Aber Zeit für ein liebes Wort oder eine nette Geste hat man immer.

Hatten Sie je Berührungsängste?

Wenn ich zu Leuten sage, Mensch, geh doch in die Pflege, kommen meist zwei Gründe dagegen: Ich kann Menschen nicht anfassen, und ich kann keine Scheiße sehen. Aber an beides kann man sich gewöhnen. Und Hinternabwischen ist ja nur ein Bruchteil meiner Arbeit. Wenn man die Situation einfühlsam gestaltet, dass es keinem peinlich ist, dann geht das.

Sie schreiben, einer dementen Medikament-Verweigerin musste der Zivi schon mal den Arzt vorspielen. Braucht man solche Tricks?

Manchmal. Man kann einem dementen Menschen nichts ausreden. Wenn ein Bewohner denkt, er wäre im Urlaub und nach dem Zimmerservice verlangt, rede ich ihm das nicht aus, sondern frage, was der Zimmerservice bringen soll.

Sie sagen, 20 Prozent der Angehörigen machen den Pflegern das Leben zur Hölle. Inwiefern?

Manche haben riesige Ansprüche, die wir nicht erfüllen können. Ich lüfte die Zimmer, eine Enkelin kommt und sagt: Da stinkt es aber. Die Leute sind gut versorgt, aber es riecht nun mal nicht immer nach Rosen. Dann denke ich, was soll das?

In welchen Situationen wären Sie doch gern wieder Autolackiererin?

Man hat Frühschicht gehabt, der Kollege ruft eine Stunde vor der Spätschicht an, er ist krank. Dann muss man drei, vier Stunden länger bleiben, bis einen ein anderer Kollege ablöst. Als Lackiererin wäre das nicht so. Ich schimpfe schon mal, habe aber noch nie gedacht, ich will nicht mehr. Ich mache meinen Job wahnsinnig gern.

Was gibt Ihnen diese Arbeit?

Ein gutes Gefühl. Wenn ich als Lackiererin krank war, hat danach das Auto nicht gesagt: Schön, dass du wieder da bist. Die Bewohner tun das schon.

Wie hat sich Ihr Umgang mit dem Tod verändert?

Mit 16 hatte ich Angst vorm Sterben. Das ist nicht mehr so. Ich war bei vielen Menschen dabei, als sie für immer eingeschlafen sind, das hat mir inneren Frieden gegeben. Ich weine immer eine Stunde, weil das Abschiednehmen sehr schwer ist.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft?

Mit 27 bin ich noch jung. Vielleicht mache ich irgendwann mal die Ausbildung zur Pflegedienstleiterin.

* Pseudonym

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