Die Supermarktkette Hofer hat Diskont seit 1968 salonfähig gemacht. Horst Leitner war 32 Jahre im Konzern, zuletzt als CEO. Im Interview spricht er offen über Preise, Marktmacht und warum ihnen Amazon wehtut.
KURIER: Wie waren Ihre Anfänge beim Diskonter Hofer?
Horst Leitner: Zu dieser Zeit, wo ich begonnen habe, war es nicht unbedingt ein Lebensmittelladen, wo alle hingegangen sind. Und es war für Uni-Absolventen auch kein erstrebenswerter Arbeitgeber. Ich war einer der ersten Akademiker, die dort begonnen haben, weil mein Vater in der Lebensmittelindustrie gearbeitet hat und mich bestärkt hat. Ich hatte nach kurzer Zeit Personalverantwortung, Ergebnisverantwortung für Filialen. Und damals wurden schon fantastische Konditionen für Mitarbeiter geboten. Ich habe mein IBM-Gehalt vom Start weg verdoppelt. Nach dem ersten Tag dachte ich aber: das halte ich nicht lange aus. Aber es hat Fahrt aufgenommen, wir sind immer gewachsen und das war immer faszinierend.
Was verändert sich in 32 Jahren, was bleibt?
Damals waren wir ein purer Diskonter. In günstigen B- und C-Lagen, mit kleinen Läden und winzigem Sortiment, hauptsächlich mit Haltbar-Produkten. Aber perfektioniert in jedem Prozess und unglaublich effizient. Wir waren Nische, aber schon mit zehn Prozent Marktanteil. Heute sind wir immer noch ein Diskonter, aber in A-Lagen. Wir haben ein Sortiment, das 90 Prozent des Bedarfs deckt. Wir überlegen bei jeder Entscheidung: Passt das zu uns und berücksichtigen bei allen Entscheidungen die Kostenbasis. Wir hinterfragen alles. Jeder Artikel ist nicht zufällig im Geschäft, wir wissen genau, welches Produkt welche Kunden anzieht.
Hofer hat Diskont salonfähig gemacht. Auch die feinen Damen kaufen dort ein. Wie ist das gelungen?
Das ist in Österreich eine ganz besondere Situation. Mir selbst haben die Damen der Gesellschaft oft erzählt, dass ihr Lieblingsprosecco von uns ist und sie jede Woche bei uns Sonderpartien (Wochenaktionen) kaufen. Es hat viel mit unserer Wertewelt zu tun: wir haben nie versucht, billig zu sein auf Kosten der Qualität oder auf Kosten von anderen. Unsere Preise haben mit einem bestimmten Geschäftsmodell zu tun, das das erlaubt. Wir haben zudem eine Qualitätsbesessenheit und einen Serviceanspruch entwickelt und in Österreich immer versucht, Positives für den Standort zu machen. Das hat ein Vertrauen in die Qualität und in den Preis entstehen lassen. Und das ist der Grund, warum wir hier mit 20 Prozent den höchsten Marktanteil aller Länder haben.
Ist ein Diskonter noch ein Diskonter, wenn er in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist?
Ja. Diskont ist kein Nischenkonzept, sondern auf dem Weg, langfristig Richtung 40 Prozent Marktanteile zu gehen. Die Menschen brauchen unkomplizierte Einkaufserlebnisse, am schnellsten ist man bei Diskonter durch – grundsätzlich immer der gleiche Ladenaufbau, eine Qualität nahe oder über der Markenartikel, zu einem Preis, auf den man sich verlassen kann. Die Preisniveaus sind in den Augen vieler Leute aus dem Lot geraten.
Hofer punktet auch mit dem Non-Food-Segment. Trendige Superschnäppchen, von Werkzeug über Pyjama bis Gummistiefel. Sind das immer noch die besten Lockmittel?
Ein Großteil unseres Erfolges liegt im Einkauf. Wir entwickeln gemeinsam mit unseren Lieferanten die Produkte, 90 Prozent dieses Sortiments ist Eigenmarke und da haben wir alles im Griff. Die Qualität, die Herkunft, die Größe, den Einkaufspreis, den Verkaufspreis, die Nachhaltigkeit. Non-Food wurde aber schwierig, weil Amazon uns hier Umsatz kostet und andere Diskonter auch vermehrt auf dem Markt sind (etwa Action, Kik, TEDi, Anm.). Dieses Geschäft hat einmal 25 Prozent unseres Umsatzes ausgemacht, war ein ganz wichtiger Frequenztreiber zu Hofer, am Montag und am Donnerstag. Heute sind es nur noch zehn. Unsere große Frage aktuell ist, wie schaffen wir es, an diesen beiden Tagen die Frequenz zu erreichen.
Hoffen Sie wieder auf Steigerung oder ist das Feld verloren?
Wir hoffen, es wieder steigern zu können. Der Markt macht nicht immer das, was man gerne möchte.
Hofer in Österreich Hofer hat in Österreich 540 Filialen und 12.000 Mitarbeiter. Firmensitz: Sattledt. Umsatz: 4,9 Mrd. Euro (2023). Hofer gehört zu ALDI SÜD, die auf vier Kontinenten 7.000 Filialen betreiben
Horst Leitner Begann seine Karriere bei Hofer 1992. 2006 übernahm er den Zentraleinkauf, 2011 wechselte er in gleicher Position in die USA (ALDI US). Seit 2018 ist Leitner CEO der Hofer Gruppe (Österreich, ALDI SUISSE, HOFER Slowenien, ALDI Ungarn und ALDI Italien).
Ab 1. Jänner 2025 übernehmen Max Hofmarksrichter und Sean Sacher, beide aus dem Konzern
In Österreich gibt es eine Marktkonzentration bei Supermärkten. Ist die Lage wirklich so speziell?
Dass vier Ketten (Rewe, Spar, Hofer, Lidl, Anm.) 90 Prozent des Umsatzes machen, gehört zu den höchsten Konzentrationen in Europa. Das ist bis zu einem gewissen Grad problematisch – aber nicht zum Kunden hin. Die Ketten setzen alles ein im Wettbewerb gegeneinander, das hat auch die Bundeswettbewerbsbehörde bestätigt. Was sie aber auch bestätigt hat, ist, dass es gegenüber den Produzenten problematisch sein kann. Weil Lieferanten Preise zusagen müssen, die sie sonst nicht zusagen würden. Es verlangt besondere Verantwortung, die wir selbst leben und auch aussprechen. Wir sagen in unseren Flugblättern, dass eine Aktion von uns getragen wird, nicht vom Lieferanten.
Und dann ist sie zum Einkaufspreis oder drunter?
Dann verdienen wir wenig bis nichts mehr.
Warum ist das Preisniveau in deutschen Supermärkten merklich niedriger als in Österreich?
Deutschland ist ein Markt, zehn Mal so groß wie Österreich mit riesigen Ballungszentren. Das Betreiben einer Lebensmittelfiliale dort ist wesentlich effizienter als in einem 9-Millionen-Land mit vielen Tälern, viel eigener Produktion und vielen Eigenmarken. Das Betreiben des Netzes ist wesentlich teurer. Zudem haben wir mittlerweile teureres Personal als in Deutschland. In Deutschland sind die Regalpreise niedriger, aber Österreich ist ein Aktionsland geworden.
Man sagt, arbeiten bei Hofer ist anspruchsvoll, aber lohnenswert.
Das war immer schon so, dass wir auf allen Ebenen die besten Gehälter zahlen. Das ist Aldi-Philosophie.
Sie haben 32 Jahre durchgehalten.
Ja. Mir hat diese Wertewelt des Gründers immer gefallen. Die Leistung unserer Leute und die Loyalität sind fantastisch.
32 Jahre Hofer: ab wann weiß man alles oder weiß man nie alles?
Man weiß nie alles. Die vergangenen sechs Jahre in der CEO-Rolle haben eine riesige Technologie-Transformation gebracht.
Ihr Plan ab 1. Jänner?
Keinen zu haben.
Warum gehen Sie mit 59 Jahren?
Das ist eine Entscheidung aus meiner Lebensplanung heraus, ich habe Dinge umgesetzt, andere sollen jetzt nachfolgen. Die stehen zur Verfügung und das passt somit gut. Es ist ein guter Moment.
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