Hochzeit, Babyparty und Co: Wenn sich Gäste die teuren Feste nicht mehr leisten
Das Handy leuchtet auf, vibriert einmal, zweimal, dreimal. Nachrichten schießen im Sekundentakt auf das Display. „Sie wurden hinzugefügt“, steht da. Zu einer neuen Chatgruppe, die den Titel „Babyparty“ trägt. Die Verwirrung ist groß – erst vor vier Wochen wurde dasselbe ungeborene Baby mit einer Gender Reveal Party zelebriert. Also einer Feier, die das Geschlecht des Kindes (es ist ein Bub) mit großer Inszenierung verkündet.
Eine Location wurde gemietet, Geschenke auf dem Gabentisch platziert, Ballons mit Pfeil und Bogen zum Platzen gebracht, der darin verborgene hellblaue Staub freigesetzt. Ein Fotograf hielt das Spektakel fest, machte Nahaufnahmen, als die Gäste die mehrstöckige Torte mit babyblauer Cremefüllung verspeisten. Kosten für die Veranstalter: Locker tausend Euro. Kosten für mich: Ein knapper Hunderter. Man schenkt ja gerne, freut sich mit seinen Liebsten, will nichts verpassen. Summieren sich die großen Feste (heuer stehen noch zwei Hochzeiten, eine Baby- und eine Namensparty, also eine Taufe ohne religiöses Gedöns, an), kommt man aber ins Rechnen.
Fieser Kassasturz
Nur diese eine Freundin, die ihrem zweiten Kind noch vor der Geburt die zweite Party schmeißt und sicher noch eine Taufe dranhängt, begleitete ich auf ein Polterwochenende nach Ibiza, war bei Hochzeit Nummer eins (Standesamt), Hochzeit Nummer zwei (Kirche) und Babyparty sowie Taufe für Kind Nummer eins dabei. Macht drei Urlaubstage und 1.800 Euro für Geschenke, Anreisen, Übernachtungen und Brautjungfernkleid, die bislang fällig wurden. Und die ich eigentlich nicht ausgegeben hätte.
„Die Feierkultur hat sehr stark zugenommen“, berichtet Hochzeitsplanerin Brigitte Truppe-Bürger, die seit 20 Jahren im Event-Geschäft ist. Mittlerweile zelebriert und inszeniert man nicht nur Hochzeiten mit viel Opulenz und Liebe zum Detail, sondern auch (Kinder-)Geburtstage, Verlobungen, Sponsionen oder Jubiläen. Trends und Feierlichkeiten aus den USA schwappen über Soziale Medien seit Jahren nach Europa über. Veranstalter und Gäste sind durch die schönen Bilder auf Instagram und Pinterest dazu verführt, sich immer wieder selbst zu übertreffen. Und das eigene Budget zu strapazieren.
Wie viel Umsatz und Wertschöpfung die Party-Industrie der Wirtschaft bringt, lässt sich selbst nach Anfrage bei der Wirtschaftskammer nicht beziffern. Zu viele Branchen schneiden mit und bekommen ein Stück vom Kuchen ab. Ob Fotografie, Floristen, Papeterie, DJ, Gastronomie oder die Modebranche.
Kostet aber jeder Folienluftballon, der mittlerweile zur Grundausstattung einer Feier gehört, pro Stück zehn Euro, kann man sich ausrechnen, wie viel ein ganzes „Happy Birthday “ in Luftballon-Lettern in die Kassen spielt – übrigens konkret 130 Euro exklusive Helium-Einwegflasche (35,20 Euro), die es braucht, damit das Ganze auch was gleichschaut. Viel gefeiert ist damit noch nicht. Foto- und Videografen kosten im Paket und für den Halbtag jedenfalls 4.000 Euro, die gemäßigte Blumendekoration kommt ungefähr auf denselben Preis und für die Papeterie können schon einmal Angebote bis zu 10.000 Euro eintrudeln (siehe verlinktes Interview).
Teures Business für alle
Als Gast weiß man, wie tief Gastgeber heute in die Tasche greifen. Möchte etwas beitragen. Hat man früher, als Hochzeiten noch unter 15.000 Euro gekostet haben, einem Brautpaar fünfzig Euro ins Kuvert gesteckt, sind es heute pro Person rund 200 Euro, weiß Hochzeitsplanerin Truppe-Bürger. Je enger man mit den Feiernden verbandelt ist, desto teurer wird es.
Kosten, um an Feierlichkeiten teilzunehmen, „schießen in die Höhe“, bezeichnete es American Express. In einer britischen Studie von 2023 erhob der Kreditkartenanbieter, dass Hochzeitsgäste im Schnitt 1.045 Pfund pro Person und pro Feier ausgeben. 18 Prozent mehr als es noch 2022 der Fall war. Dass diese Kosten auch für österreichische Verhältnisse nicht abwegig sind, weiß jeder, der schon einmal zum Trauzeugen verpflichtet wurde oder das eigene Kind kürzlich bei der Planung oder Finanzierung unterstützt hat.
„Menschen berichten uns, dass die Hochzeit für nahe Angehörige oft sogar Jahre später noch eine finanzielle Belastung ist“, sagt Gudrun Steinmann, Leiterin der Finanzbildung der Schuldenberatung Fonds Soziales Wien. Vor allem bei Familien mit Migrationshintergrund würde es eine Bringschuld geben, ein Fest für 200 bis 300 Gäste auszurichten. Geht man davon aus, dass pro Gast mindestens 150 Euro anfallen, steht man schnell bei 30.000 Euro und mehr. Manche würden dafür sogar Konsumkredite aufnehmen. Das geht heute online mit wenigen Klicks, doch die Kredite sind stark verzinst – aktuell zwischen sieben und zehn Prozent. Bezahlt man nicht pünktlich, kommen Verzugszinsen von fünf Prozent dazu, warnt Steinmann.
Hohe Erwartungen
Auch die Erwartungshaltung an junge Erwachsene steigt, sich die teuren Feste von Freunden leisten zu können, berichtet Steinmann. „Der Druck ist irrsinnig hoch, einerseits durch Freundinnen aber auch durch Soziale Medien. Dort wird gepriesen, wie die Geburtstagsparty oder Traumhochzeit auszusehen hat.“ Die Kosten scheinen zweitrangig, sind sie aber nicht. „Viele junge Erwachsene fragen in unseren Finanzworkshops, was sie tun sollen“, erzählt Steinmann. Erkundigen sich, ob es legitim ist, Einladungen auszuschlagen, weil die damit verbundenen Kosten schlichtweg nicht mehr tragbar sind.
Jeder Vierte unter 1.000 Befragten in Deutschland soll das laut einer neuen Umfrage des Zahlungsabwicklers Klarna bereits gemacht haben. Und „Nein“ zu einer Hochzeitseinladung gesagt haben, obwohl man eigentlich gern dabei gewesen wäre.
Zu viel des Guten?
Ob den Gästen zu viel zugemutet wird? Hier gehen die Meinungen auseinander. „Man sollte so feiern, wie man möchte“, sagt die Kärntner Hochzeitsplanerin Brigitte Truppe-Bürger klar. „Meistens wollen Freunde und Familie dann auch dabei sein und können es finanziell tragen.“ Jedoch müsse man sich bewusst sein, dass bei besonders ausgiebigen Feierlichkeiten womöglich ein privater Urlaub pro Jahr wegfällt.
Gudrun Steinmann begegnet ausufernden Feierlichkeiten kritischer. Insbesondere dann, wenn Urlaubs- oder Weihnachtsgelder aufgebraucht und Konten überzogen werden. „Das ist wirklich zu hinterfragen, für einen Abend, der ein paar Stunden dauert.“ Kommt man trotzdem zum kostspieligen Handkuss, empfiehlt Steinmann, potenzielle Kosten mit dem Einladenden transparent zu besprechen.
„Nur weil der Veranstalter viel ausgibt, bin ich nicht genötigt, dasselbe zu tun.“ Insbesondere die Erwartungshaltung bei Geschenken könnte man so im Vorfeld regulieren. Selbst dann, wenn Geldgeschenke explizit gewünscht und auf der Einladung vermerkt sind. „Es kann trotzdem genug sein, Zeit zu schenken“, schlägt Steinmann vor. „Eine Wanderung, ein weniger kostenintensives Picknick im Park oder dreimal Babysitten. Das ist vielleicht die größere Freude oder Entlastung, als hundert Euro in ein Kuvert zu stecken.“
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