Gib Acht: Diese kleinen Fehler können den Job kosten

Gib Acht: diese Fehltritte können den Job kosten.
Ungefragt Firmen-Zucker nehmen, ein rosa Haarband zur strengen Uniform tragen, über den Chef im Netz lästern: Solche Fehler können den Job kosten. Die kuriosesten Fälle der österreichischen Gerichte.

Es gibt jene Fälle von Entlassungen, die jeder nachvollziehen kann. Wenn man in den Medien von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, Veruntreuung oder Korruption liest, ist klar: Solche Mitarbeiter waren nicht länger tragbar. Hier leuchten Vergehen und Konsequenz ein.

Und dann gibt es Fälle, wo man zwei Mal hinsehen muss: Ein Busfahrer, der wegen eines rosa Haarbandes, das er zur strengen Uniform getragen hat, entlassen wird. Ein Kellner, der des Diebstahls bezichtigt wird, weil er seine mitgebrachten Erdbeeren mit etwas Staubzucker aus der Küche süßt. "Bagatelle-Delikte kommen immer wieder vor", sagt Karmen Riedl, Arbeitsrechts-Expertin der Arbeiterkammer. Es sind banale Fehler, Fettnäpfchen. Vergehen, von denen man vielleicht gar nicht weiß, dass sie der Arbeitgeber nicht duldet. Situationen, bei denen man sich denkt: Das hätte auch mir passieren können. Dennoch können sie den Job kosten.

Bagatelldelikte

Die heimischen Gerichtsdatenbanken sind voll von solchen kuriosen Fällen. Ob und wann eine Tat den Jobverlust nach sich zieht, käme immer auf das Unternehmen und den Einzelfall an, erklärt Martin Risak, Professor am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Wien. Im Gegensatz zu einer Kündigung brauche es für eine fristlose Entlassung einen wichtigen Grund: "Einen, der eine Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar macht – nicht einmal für die Dauer der Kündigungsfrist", so Risak. Nach wie vor seien diese Gründe eben auch kleine Vergehen. Interessant dabei: Früher war das viel öfter der Fall. Man nutzte Bagatelldelikte, um hohe Ansprüche, die dem Angestellten mit der Kündigung zu zahlen wären, zu umgehen – in Zeiten der "Abfertigung alt" waren sie ein willkommener Anlass, um teure Mitarbeiter los zu werden.

Doch nicht jeder kleine Fehltritt führt zu einer Entlassung. "Es kommt immer auf die Schwere des Vergehens an", so Risak. Mitarbeiter sollten zuerst abgemahnt, darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein Vergehen, eine Vertragsverletzung vorliegt. Ein Diebstahl etwa sei aber immer ein Entlassungsgrund. "Handelt es sich jedoch um wertlose Dinge, wie zum Beispiel Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden, liegt kein Entlassungsgrund vor" , so Riedl. Dennoch gibt es Fälle, wo Mitarbeiter deshalb gehen mussten. Das Gute: Man kann sie anfechten, auf eine ungerechtfertigte Entlassung pochen.

Den kleinen Fehltritt aber wird man nicht mehr ungeschehen machen können. Denn selbst, wenn man vor Gericht Recht bekommt, erhält man lediglich eine Kündigungsentschädigung – Angestellte etwa ein Entgelt von mindestens sechs Arbeitswochen. Den Job aber kriegt man nicht mehr zurück.

Der Kellner eines Wiener Restaurants bestäubte in der Pause seine mitgebrachten Erdbeeren mit etwas Puderzucker aus der Küche. Die Folgen: Fristlose Entlassung, der Chef schimpfte ihn „Zucker-Dieb“. Der nunmehrige Ex-Mitarbeiter wehrte sich gegen den Raufwurf. Mit Erfolg.

Tatbestand: Der Chef ortete den Diebstahl von einem halben Kilo Zucker. In Wahrheit waren es 50 Gramm Staubzucker, diese seien für eine fristlose Entlassung aber nicht ausreichend – es müsse hier schon gravierendere Gründe geben. Die Entlassung war daher nicht gerechtfertigt, entschied das Gericht. Der Mann erhielt zwar nicht seinen Job zurück, dafür eine Kündigungsentschädigung in der Höhe von 2400 Euro.

Das sagen die Experten: „Der Arbeitnehmer konnte vor Gericht beweisen, dass er lediglich 50 Gramm entwendet hat. Diese Menge entspricht einem wertlosem Gut“, sagt Karmen Riedl. Risak meint, bei kleinen Diebstählen hätten sich besonders Klopapier oder Kopier-Papier als Bagatellen eingebürgert. Es läge im Ermessen der Unternehmen zu entscheiden, was es seine Mitarbeiter ohne Abmahnung gewähren lässt.

Im Umgang mit Waren, beim Bonieren von Bestellungen und beim Arbeiten mit Geldbeträgen wird von Arbeitnehmern verlangt, dass sie erhöhte Sorgfalt walten lassen – auch unter stressigen Bedingungen. Schon zehn Euro Differenz in der Kassa können eine Entlassung rechtfertigen. Im aktuellen Fall wurde einem Getränkelieferanten, der über 25 Jahre bei der Firma beschäftigt war, vorgeworfen, dass er bei einem Kunden nicht so viele Pfandfässer Bier abgeliefert hat, wie er hätte müssen. Daraufhin wurde er fristlos entlassen.

Tatbestand:
Es wurde ihm die Veruntreuung von Bierfässern unterstellt.

Das sagen die Experten: Bei einem Diebstahl oder einer Veruntreuung käme es darauf an, ob dies mit Bereicherungsabsicht geschehen sei oder nur durch Unachtsamkeit. Fakt ist in diesem Fall: „Der Arbeitnehmer hat alle Lieferungen korrekt durchgeführt. Das hat das Gericht in zwei Instanzen festgestellt und ihm alle Ansprüche, insbesondere auch seine Abfertigung in Höhe von zwölf Monatsentgelten, zugesprochen. Insgesamt hat er mit Zinsen daher über 30.000 Euro netto erhalten“, sagt Karmen Riedl.

Eine Wiener Kellnerin wurde wegen eines fremden Postings auf Facebook entlassen. Ein Kollege schrieb einen Beitrag, der mit den Worten „Liebe Grüße Herr Geschäftsführer, ihr könnt mich mal“, endete. Er verlinkte sie und weitere Kollegen. Drei dieser Kollegen (der Autor, ein Kommentierender und die Kellnerin, die sich vom Inhalt nicht distanziert hat) wurden am nächsten Tag fristlos entlassen. Dabei hat sie den Post nicht einmal gelesen, da sie noch nicht online war.

Tatbestand: Unternehmensschädliches Verhalten und Vertrauensverlust, sagte der Chef.

Das sagen die Experten: „Für Dinge, die andere Menschen auf Facebook machen, bin ich nicht verantwortlich. Daher lag auch kein Entlassungsgrund vor“, sagt Karmen Riedl. Die Kellnerin hat den Job zwar verloren – all ihre Ansprüche wurden vom Unternehmen aber beglichen. Riedl betont: „In sozialen Netzwerken ist Vorsicht geboten, jedes Posting ist öffentlich und kann dem Chef zugetragen werden.“ Mitarbeiter haben eine Treuepflicht dem Arbeitgeber gegenüber. Chef-Beleidigungen und die Schädigung des Firmenrufs sind zu unterlassen.

Ein Busfahrer der Linzer Linien wurde vor die Tür gesetzt, weil er zur Dienstuniform ein rosa Haarband trug, das seine Lockenpracht bändigte. Obwohl er in der Elternteilzeit war und dadurch abgesichert, reichte die Nichtbeachtung der Bekleidungsvorschriften aus, dass er den Job verlor. Der Richter argumentierte, es bestehe ein betriebliches Interesse daran, dass er seinen Dienst nicht mit dem auffälligen Band verrichte. Der Einwand des Fahrers, dass er ohne Band nichts sehe, änderte nichts. Erst der OGH stellte klar: Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte des Dienstnehmers müssten gute Gründe haben – diese lagen nicht vor.

Tatbestand: Das Haarband passt nicht zur Uniform, die Autorität des Fahrers würde so untergraben.

Das sagen die Experten: „Der Arbeitgeber kann die Dienstkleidung grundsätzlich vorschreiben, doch sie muss angemessen sein. Er kann nicht etwa vorschreiben, dass alle Verkäuferinnen ab sofort Playboy-Haserl-Uniformen tragen sollen“, erklärt Karmen Riedl. Martin Risak: „Das Haarband hat weder die Uniform noch seine Arbeitsweise beeinträchtigt, es ging um ein Persönlichkeitsrecht.“

Wer seinen Arbeitgeber oder Vorgesetzten beleidigt, riskiert seinen Job. Was als Beleidigung gilt, ist oft Auslegungssache. Und wie dünn das Eis bei Beleidigungen ist, zeigt dieses Gerichtsurteil: Der Chef am Bau wollte eine Auskunft über das Vorankommen von seinem Bauarbeiter haben. Er antwortete: „Das geht dich nichts an, du kleine Krot.“ Harsch genug, um ihn zu entlassen.

Tatbestand: Ehrverletzung. Sie tritt dann ein, wenn sie vorsätzlich und in einem hohen Maß beleidigend ist, mit der Absicht, jemanden zu verletzen. Das rechtfertigt eine Entlassung.

Das sagen die Experten: „Es geht hier um milieubedingte Unmutsäußerungen, eine Bank erlaubt anderes als eine Baustelle“, analysiert Martin Risak. „In einem anderen Fall sagte ein Mitarbeiter zu seinem Vorgesetzten, er würde die Arbeitszeit im Führungsstil von Adolf Hitler gestalten. Auch diese Entlassung ist durchgegangen. “ Karmen Riedl betont: „Wir warnen alle Arbeitnehmer, Beleidigungen öffentlich auszusprechen, denn das ist ein Entlassungsgrund. Den Vorgesetzten zu beleidigen, ist eine gravierende Sache, die sich kein Chef gefallen lassen muss.“

Ob man im Krankenstand ausschließlich das Bett hüten muss oder die frische Luft sogar gut tut, darüber wird vor Gericht häufig gestritten. Im aktuellen Fall wurde die Angestellte eines Reisebüros von ihrer Ärztin wegen Burn-out und Depressionen, entstanden durch Stress im Job, krank geschrieben. Die Ärztin empfahl ihr, sich für den Heilungsprozess nicht zurückzuziehen, sondern unter Leute zu gehen. Als der Lebensgefährte der Angestellten eines Abends ein Konzert gab, folgte sie dem ärztlichen Rat und ging dorthin. Der Arbeitgeber beauftragte einen Detektiv, der Frau zu folgen. Der Dienstgeber entließ die Mitarbeiterin daraufhin fristlos – sie sei schließlich im Krankenstand unerlaubt ausgegangen.

Der Tatbestand: Die Mitarbeiterin hat sich krankenstandswidrig verhalten, weil sie ein Konzert besucht hat.

Das sagen die Experten: „Erst vor Gericht konnte nachgewiesen werden, dass die Mitarbeiterin nur einer ärztlichen Empfehlung Folge geleistet hat“, erklärt Karmen Riedl. „Dennoch hat sie den Job verloren und erst nach zweijährigem Prozess Recht bekommen.“

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