Generation Ego? Eine Erfindung

Agnesa Isufi in der ActionFabrik, nahe der U-Bahnstation Spittelau (Heiligenstädter Straße 31): Hier bekommen Jugendliche Raum und Beratung für ihre sozialen Ideen
Agnesa Isufi von youngCaritas findet, dass Selfies und soziales Engagement sehr wohl zusammenpassen.

Schachteln mit Kleidung stapeln sich im verglasten Gebäude unter dem U-Bahnbogen. Eine junge Mitarbeiterin mit roten Dreadlocks packt die Kleider von Jungdesignerin Lena Hoschek aus. Die youngCaritas bereitet in der Wiener ActionFabrik gerade das "Shopping-Wunder" vor, das am 19. und 20. Dezember stattfindet. Der Weihnachtsmarkt kommt syrischen Flüchtlingen zugute.

Mitten im Kleiderchaos steht Agnesa Isufi. Ihr Shirt fragt "Bin i die Caritas?" Die Leiterin der 2013 eröffneten ActionFabrik grinst keck. Abseits von Events und Ausstellungen spinnen hier Jugendliche ihre Ideen von einer besseren Welt und werden von Isufi und ihren Kollegen bei der Umsetzung beraten. Junge Leute würden sich sehr wohl sozial engagieren, sagt Isufi. Laut Jugendmonitor tun es 40 Prozent der österreichischen Jugendlichen – der EU-Schnitt liegt bei nur 23 Prozent.

KURIER: Jugendforscher sprechen von der Generation Ego, die sich lieber auf Facebook selbst inszeniert, als sich um andere zu kümmern. Stimmt das?Agnesa Isufi: Das kann ich nicht bestätigen. Jugendliche haben sich in jeder Generation inszeniert, nur gab es früher kein Facebook. Aber das schließt soziales Engagement nicht aus. Wir bemerken einen starken Zulauf.

Mit welcher Motivation kommen die Jugendlichen?

Manche bekommen es von den Eltern vorgelebt. Viele engagieren sich, weil sie etwas verändern wollen, haben ihre ganz persönlichen Geschichten. Ein auftrainierter, türkischstämmiger junger Mann kam zu uns, nachdem er aus der Wohnung ausgesperrt in der Kälte vor der Tür schlafen musste. Das hat ihn dazu gebracht, sich für Obdachlose zu engagieren. Es mag auch sein, dass er auf Facebook seine Muckis zur Schau stellt. Kürzlich ist eine 14-Jährige gekommen, die für ihren Lebenslauf soziales Engagement vorweisen will – auch das kommt vor. Wir achten aber stark darauf, dass soziales Engagement nicht als Pflicht gesehen wird.

Wen sprecht ihr an?

Unsere Zielgruppe sind junge Menschen von 5 bis 29 Jahren. Wir machen viel über engagierte Schulen und Lehrer. Viele Jugendliche kommen auch zu uns in die ActionFabrik, wissen nicht, was sie machen wollen. Wir beraten sie dann bei ihren Stärken und Interessen. Viele haben aber nicht regelmäßig Zeit, sie sind in einer Ganztagsschule oder machen eine Lehre. Daher hat Martin (Saboi, Leiter der Young Caritas Wien, Anm.) den ActionPool erfunden. Hier können sich Jugendliche unverbindlich anmelden. Per Newsletter erhalten sie Infos für punktuelle ehrenamtliche Einsätze – z. B. für Rodelausflüge für Menschen mit Behinderung oder Hilfe für ein Fest einer Senioreneinrichtung. Wir verschicken aber keine Gratis-Arbeitskräfte zum Zwiebelschneiden.

Mit welchen Ideen kommen die Jugendlichen in die ActionFabrik?

Viele kommen mit Projektideen, andere sagen, sie wollen etwas tun, wissen aber nicht was. Dann finden wir gemeinsam ihre Stärken heraus – das Engagement soll ja Spaß machen. Viele wollen bis übermorgen die Welt retten. Dann bringen wir das Ganze in einen realistischen Rahmen. Wir unterstützen sie mit unserem Know-how, die nötigen Ressourcen müssen geschnorrt werden. Eine ehemalige Modestudentin hat sich mit der Idee an uns gewandt, Mode für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen machen zu wollen. Wir haben ihr beim Konzept geholfen.

Ihr habt die Brainlabs gestartet, wo Jugendliche soziale Projekte entwickeln können. Mit welchen Ergebnissen bisher?

Die Brainlabs haben wir im Jänner 2014 gestartet. Ein Team von neun Leuten zwischen 14 und 24 hat über Monate ein Brettspiel zum Thema Asyl und Flucht entwickelt.

Inwiefern spielt soziales Lernen eine Rolle?

Soziales Lernen ist für unsere Arbeit wesentlich. Wir gehen in Schulen und reden offen mit den Schülern über Vorurteile, über Asyl und Flucht. Die Jugendlichen sehnen sich danach, über solche Themen zu reden. Und wenn die jungen Leute sich sozial engagieren, nehmen sie für sich mit: Das, was ich gut kann, habe ich eingesetzt, um anderen zu helfen. Und das motiviert sie ungemein.

Werdegang
Agnesa Isufi (31) studierte an der Uni Wien Internationale Entwicklung, bis sie nach einem Praktikum bei der YoungCaritas Wien vor vier Jahren als Mitarbeiterin übernommen wurde. Seit 2013 leitet sie die ActionFabrik und ist stv. Leiterin der youngCaritas Wien. wien.youngcaritas.at/actionfabrik

youngCaritas
Die 2005 gegründete Organisation setzt u. a. Spendeninitiativen an Schulen oder den „Young Heros Day“ um, an dem Schüler gegen Spende in Firmen arbeiten. youngcaritas.at

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