Geld macht (nicht) glücklich: Was die Forschung tatsächlich sagt

Am häufigsten wurden gefälschte 50-Euro-Scheine sichergestellt.
Geld allein macht nicht glücklich, heißt es. Liebe allein auch nicht. Immerhin müssen wir auch schlafen, essen, die Miete zahlen und wollen uns um uns selbst kümmern. Einen gemeinsamen Nenner von Geld und Liebe gibt es: Ist man frisch verliebt, fühlt man sich glücklicher. Der Chef nervt weniger, Herausforderungen im Job und Alltag sind leichter zu bewältigen. Dasselbe gilt, wenn wir eine große Gehaltserhöhung oder einen Bonus kriegen, erben oder sonst zu mehr Geld kommen. Wir freuen uns. Einige Sorgen werden weniger, ein bisschen Luxus mehr. Aber irgendwann nervt der Chef dann doch wieder, egal wie verliebt man ist oder wie groß der Bonus war. Das anfängliche Glück wird zur Selbstverständlichkeit. Stagniert das Glück mit der Zeit? Oder anders: Bedeutet mehr Geld immer auch mehr Glück?
Maximales Glück durch Geld
Aus der Forschung wird zu der Frage vor allem eine Studie aus dem Jahr 2010 oft zitiert: Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und Ökonom Angus Deaton legten 75.000 US-Dollar (derzeit etwa 65.000 Euro) Jahreseinkommen als „Glücksgrenze“ fest. Die Wissenschafter waren sich einig: Wer mehr als das verdient, darf sich nicht über mehr Wohlbefinden freuen. Geld hat laut dieser Studie einen Grenznutzen, irgendwann stagniert das Glück aber einfach.
Dem widerspricht der Psychologe Matthew Killingsworth mit einer Studie, die 2021 in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschienen ist. Sie ist genauer, da sie auf Echtzeitdaten basiert. Das Ergebnis der 1,7 Millionen Einzeldaten: Nicht nur die allgemeine Lebenszufriedenheit, sondern auch das tägliche, emotionale Wohlempfinden stieg mit wachsendem Haushaltseinkommen und das weit über eine Summe von 75.000 US-Dollar hinaus. Lediglich bei den 20 Prozent der unglücklichsten Menschen trat ein Plateaueffekt ein. Bei ihnen fehlte die nötige psychische, soziale oder gesundheitliche Basis, um von finanziellen Verbesserungen auch emotional zu profitieren. Ansonsten gilt: Je mehr Geld man zur Verfügung hat, desto glücklicher ist man.
Alles relativ
Pauschal betrachtet stimmt das. Im Detail wird es komplexer. „Sie können sich eine Jeans um 20 oder um 200 Euro kaufen. Wenn Sie sich die um 200 Euro kaufen, sind sie aber nicht zehn Mal so glücklich“, sagt Arbeits- und Organisationspsychologe Bernad Batinic von der Johannes Kepler Universität in Linz. Außerdem verliert man auch bei dieser Jeans irgendwann das anfängliche Glücksempfinden, da beim persönlichen Glück täglich viele Faktoren eine Rolle spielen. Batinic: „Das Leben besteht aus Glück und Leid, egal, wie viel man verdient.“
Finanzielle Mindestgrenze
Das Leid wird übrigens dann verstärkt, wenn wir zu wenig verdienen. Ganz unten am Glücksbarometer befinden sich unsere finanziellen Grundbedürfnisse nach leistbarem Wohnen, Nahrung und allem, was wir zum Überleben brauchen. Dieser Mindeststandard gibt uns Sicherheit, weiß Psychotherapeut Wolfgang Schimböck: „Studien zeigen, fällt man unter diese Grundbedürfnisse und weiß nicht, wie man seine Rechnungen zahlen kann, steigt das Risiko für Depressionen oder andere psychische Erkrankungen bis um das Vierfache an.“ Aber im Leben geht es über das Grundsätzliche hinaus. Essen gehen, Hobbys, Urlaub – kann man sich all das locker leisten, ist man zufriedener.
Glück durch Geld ist individuell
Darüber hinaus wird es sehr individuell, wie Geld zum persönlichen Glück beiträgt. „Der eine bemisst sein Glück anhand seines Status’ und Einkommens. Dem anderen ist Wertschätzung und Zusammenhalt im Team wichtiger als ein maximales Gehalt. Der Dritte ist glücklicher, wenn er statt mehr Geld mehr Zeit zur Verfügung hat“, sagt Martina Ernst, HR-Profi und Expertin in Sachen gerechte Entlohnung. Es gibt Menschen, die sich tendenziell wertlos fühlen. Sie glauben, sie haben das große Glück gar nicht verdient und können es daher auch schwer annehmen. Jene werden kaum eine Gehaltserhöhung für sich einfordern.
„Und dann gibt es Menschen, für die es nie genug sein kann. Das hat Suchtcharakter. Wie bei einem Alkoholiker brauchen sie immer mehr. Häufig versuchen sie ihren mangelnden Selbstwert mit Erfolg und Geld zu kompensieren“, so Schimböck. Rastlos rennen sie dem nächstmöglichen Gehalts- oder Karrieresprung hinterher, in der Hoffnung, dann endlich glücklich zu sein. Und dann gibt es Superreiche, die Angst haben, ihr ganzes Geld und ihr Imperium wieder zu verlieren, sodass sie ihr Geld gar nicht richtig genießen können.
Fairness steht an erster Stelle
„Jeder muss selbst herausfinden, wie viel Geld er für sein Glück und seine Lebensgestaltung braucht und das gelingt, wenn man sich an den eigenen Bedürfnissen orientiert“, sagt Schimböck. Dazu braucht es den Blick nach innen. Aber so ganz können wir es nicht lassen, nach außen zu schauen und sich mit den Kollegen zu vergleichen. Batinic: „Wir wollen mindestens so viel verdienen wie die Leute im eigenen Umfeld, nur einen Tick mehr.“ Denn der Durchschnitt will im eigenen sozialen Umfeld nicht zu sehr herausstechen. Martina Ernst ergänzt: „Menschen erwarten, dass sie marktüblich bezahlt werden. Passiert das nicht, sind sie unzufriedener und unglücklicher.“ Fair muss das Gehalt allemal sein. Denn ungerechte Bezahlung macht jeden unglücklich.
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