Gekommen. Geblieben. Und wenig geschätzt

Gekommen. Geblieben. Und wenig geschätzt
Ihr Potenzial bleibt oft unerkannt. Nur langsam erkennen Unternehmen, dass sie von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund profitieren können

Vielleicht ist es ihr Ehrgeiz, ihre positive Einstellung und ihr unbedingter Wille, es zu schaffen. Denn Probleme hatten alle drei nicht. Carmen Violetta Lindner, Remzi Dervishaj und Adina Mircioane haben sich in den Arbeitsmarkt integriert. Dervishaj und Mircioane mit Startvorteil: Sie kamen schon als Kinder nach Österreich.

Drei Lichtblicke. Denn das Gesamtbild sieht weniger positiv aus. Das Potenzial der Zuwanderer und ihrer Kinder bleibt häufig ungenutzt. Während die Unternehmen Österreicher und EU-Bürger in adäquaten Jobs anstellen, sind Menschen aus Drittstaaten benachteiligt: 43 Prozent der mittel und höher Gebildeten verrichten laut Integrationsmonitor Hilfstätigkeiten.

Verschleuderte Ressourcen. 1,4 Milliarden Euro könnten die Kommunen laut einer aktuellen Studie des Städtebundes über Lohn-, Umsatz- und Kommunalsteuereinnahmen einsparen, würden Menschen mit Migrationshintergrund in adäquaten Jobs arbeiten.

Die offizielle Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen will das Sozialministerium nun mit zentralen Anlaufstellen für Migranten erleichtern (siehe Seite 3). Bei den meisten Fachkräften und Angestellten aus dem Ausland ist eine formale Anerkennung ohnehin nicht vorgeschrieben – es sei denn, der Arbeitgeber fordert sie. „Ein Schweißer aus Ghana wird bei uns auch als Schweißer vermittelt“, sagt AMS-Sprecherin Beate Sprenger. Gelinge das nicht, liege das an verschiedenen Faktoren, „wie fehlende Deutschkenntnisse“.

Tatsächlich könnten Unternehmen mit ausländischen Qualifikationen oft wenig anfangen, sagt Wissenschafter Thomas Pfeffer, der an der Donau-Uni Krems für ein EU-Projekt über diskriminierende Rekrutierung am Arbeitsmarkt forscht: „In einem ausländischen Abschluss sehen die Firmen einen zusätzlichen Aufwand und ein Risiko. Bei österreichischen Abschlüssen sind sie auf der sicheren Seite.“ Bedenken gebe es auch oft, ob Mitarbeiter und Kundschaft mit jemandem einverstanden seien, „der anders aussieht und einen Akzent hat“. Die Standardbesetzung für eine Stelle sei nach wie vor ein österreichischer Mann im mittleren Alter.

Bewusster Umgang

International ausgerichtete Unternehmen sind eher sensibilisiert, wie eine Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft zeigt. Sie nutzen die sprachlichen und kulturellen Fähigkeiten von Migranten eher, bieten besser qualifizierte Jobs als rein inlandsbezogene Unternehmen. Doch die veränderte Kunden- und Bewerberstruktur zwingt auch sie zunehmend, sich mit den Potenzialen ausländischer Kandidaten auseinanderzusetzen. Die Raiffeisenbank sucht in Wien nach Mitarbeitern mit Migrationshintergrund, sagt stv. Generaldirektor Georg Kraft-Kinz, der auch Obmann des Vereins „Wirtschaft für Integration“ ist: „Wir bewegen uns auf einem Markt, wo jeder zweite Volksschüler Migrationshintergrund hat.“ Die richtigen Mitarbeiter zu finden, sei nicht immer einfach, „aber da sind unglaubliche Talente dabei, mit viel Ehrgeiz und Disziplin.“ Sie stammen meist aus der zweiten Zuwanderergeneration, perfektes Deutsch ist Pflicht.

Nicht jeder Betrieb profitiere gleichermaßen, gibt Thomas Pfeffer zu. „Aber der kleine Dachdeckerbetrieb, der keine Lehrlinge findet, könnte die Suche auf jemanden mit türkischem Nachnamen ausweiten.“

Allerdings: Junge Fachkräfte mit Migrationshintergrund zu finden, ist alles andere als einfach. Nur 9,4 Prozent der Berufsschüler haben Migrationshintergrund – selbst in der AHS ist die Zahl mit 14,2 Prozent größer.

Laut Georg Kraft-Kinz müsste man schon in Kindergarten und Schule ansetzen. Aber auch die Wirtschaft müsse toleranter werden. „Wenn ein Lehrstellenbewerber perfekt Russisch spricht, aber schlecht Deutsch, muss ich eben in seine Deutschkenntnisse investieren.“ Vor allem, weil die Wirtschaft qualifizierte Fachkräfte braucht und die Rot-Weiß-Rot-Card noch zu wenig bringt. Erst 2700 Ausländer – meist Manager und IT-Techniker – wurden über sie nach Österreich geholt. Von den angepeilten 30.000 Fachkräften ist man noch weit entfernt. Ob die diese Woche im Ministerrat beschlossene Vereinfachung des Verfahrens – auch Arbeitgeber können die Rot-Weiß-Rot-Card beantragen – daran viel ändert, ist offen.

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Gestern

„Meine Noten waren eigentlich immer super. In der Schule hatte ich nie Probleme“, sagt Remzi Dervishaj aus Stoob in der Nähe von Eisenstadt. Der ehrgeizige 17-Jährige geht seinen eigenen Weg. „Mein Vater wollte, dass ich studiere, Arzt werde. Aber ich wollte arbeiten“, sagt er selbstbewusst.

So begann Dervishaj vor eineinhalb Jahren eine Lehre mit Matura. Sein Lehrberuf: Einzelhandelskaufmann.

Heute

Von Montag bis Freitag und Samstag arbeitet er beim Baumarkt OBI, am Freitag lernt er am bfi Oberwart für seine Matura. Zusätzlich lässt er sich auch zum Bürokaufmann ausbilden, weshalb er zehn Wochen im Jahr die Berufsschule besucht. „Freizeit ist da nicht so viel“, sagt er. „Ich möchte eben jetzt anfangen, etwas aus mir zu machen. Nicht später.“ Remzi Dervishaj kam im Alter von zwei Jahren nach Österreich. Die aus dem Kosovo stammende Familie sprach zu Hause nur Albanisch. „Albanisch kann ich fließend, auch lesen und schreiben. Das war ein Vorteil. “ 2012 gewann er mit einem Essay über Freiheit den mehrsprachigen Redewettbewerb „Sag’s multi“. Schwierigkeiten wegen seiner Herkunft hatte Dervishaj nicht. „Mein Name ist zwar anders, deshalb bin ich aber nicht anders.“

Magdalena Vachova

Gestern

Carmen-Violetta Lindner machte in ihrer Heimat Rumänien eine vierjährige Ausbildung zur Krankenschwester. Als die heute 34-Jährige vor elf Jahren wegen der Liebe nach Österreich kam, jobbte sie zunächst als Kellnerin, wurde bald Mutter. „Dann wollte ich wieder in meinen Beruf zurück. Aber mein Diplom als Krankenschwester wird in Österreich nicht anerkannt. Ich musste etwas unternehmen.“
Lindner informierte sich beim AMS und entschied sich für einen Nostrifikationslehrgang in einem Wiener Krankenhaus.
Doch zuerst musste sie einen Vorbereitungskurs vom Österreichischen Integrationsfonds absolvieren.

Heute

„Der Kurs war sehr wichtig. Ich habe intensive Deutsch-Einheiten gehabt und viel über das österreichische Gesundheitssystem gelernt“, sagt sie. Sie bestand den Kurs auf Anhieb, übersprang sogar den Eignungstest zur Nostrifizierung und durfte gleich zu ihren sechs Prüfungen antreten. Anschließend fing Lindner als Hauskrankenpflegerin bei der Volkshilfe Wien an. „Ich finde mich da wieder.“ Rückblickend sei alles sehr gut gelaufen. „Die 800 Euro für die Nostrifizierung sind aber zu viel. Ich habe mein Diplom ja bereits.“

Magdalena Vachova

Gestern

„Ich verstecke meine Herkunft nicht“, sagt Polizeisprecherin Adina Mircioane, 29. Die Rumänin kam im im Alter von sieben Jahren mit ihrer Familie nach Wien. Nach ihrer Matura startete sie ein Betriebs- wirtschaftsstudium an der WU. „Da gab es aber eine Ellbogenmentalität – jeder war für sich. Ich wollte im Team arbeiten“, sagt sie. Zur Polizei zu gehen war in ihrer Familie immer ein Thema. Zweifel, dass sie es nicht schaffen könnte, hatte Mircioane nie. „Es gibt eine Computer-Prüfung: Diktat, logisches Denken, IQ-Tests. Besteht man hier, kommt man zum Gespräch und einem physischen Test mit Hindernis-Parcours, Schwimmen, Ausdauerübungen. Ich habe mich sehr gut vorbereitet.“

Heute

2004 machte sie ihre Grundausbildung und arbeitete anschließend in der Korruptionsprävention- und Bekämpfung. „Ich bin sehr gerne Polizistin. Heuer möchte ich noch eine zusätzliche Ausbildung, den Chargenkurs machen.“ Mit der Initiative „Wien braucht Dich“ spricht die Polizei seit 2007 ausländische Bewerber an, denn: „Andere Kulturen sind wichtig, sie bereichern das Betriebsklima.“ Derzeit haben nur sieben Prozent der Beamten Migrationshintergrund.

Magdalena Vachova

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