Es sind 35 Prozent mehr Anmeldungen, die die Schuldenberatung des Fonds Soziales Wien (FSW) im ersten Halbjahr 2023 verzeichnet. „Wir merken, dass sich das Verschuldungsproblem in die Mitte der Gesellschaft zieht“, sagt Bernhard Sell des FSW. Waren es sonst eher Einkommensschwache, die sich Hilfe bei der Schuldenberatung holten, sind es heute auch Familien, die bislang gut ausgekommen sind.
Am unvernünftigen Umgang mit Geld liegt es kaum, erklärt Sell. Es sind die Fixkosten, die gestiegen sind. „Wer bereits Schulden hat, ist ganz schlecht dran“, sagt Sell. Denn für gewöhnlich verschulden sich die Menschen nur in einem Rahmen, den sie auch rückzahlen können. Das Zünglein an der Waage zur Überschuldung sind dann unerwartete Ereignisse. Ein Jobverlust, die Teuerung oder gestiegene Kreditzinsen. „Dann kippt das Ganze.“
Wenn es knapp wird
Die Versuchung ist oft groß, das Problem über Privatschulden, Kontoüberzug oder sonstige Ratengeschäfte zu „lösen“. Aber: Überall wo mehrere Vertragspartner beteiligt sind, also Finanzierer und Verkäufer, wird es besonders teuer, warnt Sell. „Wenn ich einen Kredit brauche, dann gehe ich zur Bank. Aber ich gehe nicht in den Möbel- oder Elektrohandel und mache das dort. Das ist immer das teuerste.“
Ein effektives Mittel, bei grober Überschuldung sei der Privatkonkurs. „Personen bekommen wirtschaftlich eine zweite Chance und der Gläubiger verliert nicht alles“, sagt der Schuldenberater. „Macht man das nicht und bleibt überschuldet, hat man sein Leben lang eine völlig unkoordinierte Situation.“ Doch ein Problem bleibt: Sind es „nur“ die Fixkosten, die in die Schuldenfalle treiben, bleibt auch wenig Spielraum für eine Schuldenregelung.
Raus aus den Schulden: Die ersten Schritte
Wie sich Schulden bewältigen und bestenfalls vermeiden lassen? Hier verrät Bernhard Sell die wichtigsten Schritte. Die Basis bildet ein ehrlicher Finanzcheck: Welche Fixkosten und wie viel Spielraum für Ausgaben habe ich? Haushaltsbücher sind dabei ein hilfreiches Mittel. Existenzielle Zahlungen stehen immer im Vordergrund. Etwaige Nachzahlungen (Stromrechnung) müssen zurückgelegt sein.
Wenn es zu Zahlungsschwierigkeiten kommt: Sofort an den Gläubiger wenden. „Immer wieder entstehen Überschuldungskarrieren, weil sich die Leute nicht melden und auf Tauchstation gehen“, so Sell. Das würde Gläubiger dazu zwingen, aktiv zu werden, doch ab dann kostet es extra. Da professionelle Gläubiger wissen, dass sie durch Insolvenzen Geld verlieren, sind sie oftmals kulant und einigen sich auf monatliche Zahlungen mit Zinsstopp. Diese müssen aber verlässlich geleistet werden – daher nur das wirklich Leistbare festlegen.
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