"Freisein müssen wir erst lernen"
Wir sabotieren uns selbst. Ständig. Wir werten uns ab, setzen uns unter Druck, malen uns Horrorszenarien aus. In mehr als 6000 Coaching-Gesprächen hat Petra Bock sieben sogenannte Mindfucks identifiziert. Kürzlich war sie am Wiener Kongress für mentale Stärke zu Gast. Ihre Botschaft: Raus aus der Selbstsabotage finden wir nur, wenn wir eine erwachsene und ehrliche Haltung zu uns selbst einnehmen.
KURIER: Frau Bock, warum haben wir Mindfucks?
Petra Bock: Mindfucks sind kulturell und familiär geprägte Denkmuster – eine uralte Alarmanlage, deren Aufgabe war, Veränderung zu verhindern. In dem Moment, wo wir unsere Komfortzone verlassen, geht die Alarmanlage los. Früher waren Hierarchien wichtig. Daher haben wir seit Jahrhunderten gelernt, dass wir uns zurückhalten sollten. Das macht heute aber keinen Sinn mehr.
Warum nicht?
Heute ist es wichtig, sich selbst zu steuern. Wir können nicht anders, als eigene Wege und Werte zu finden, denn es gibt keine Traditionen, keine Staaten mehr, die uns auffangen. Wir sind zur Freiheit verdammt, aber auch ermächtigt, frei zu sein. Das Freisein müssen wir aber erst lernen.
Was sind die typischsten Mindfucks im Job?
Häufig setzen sich Menschen unter Druck, versuchen, zu funktionieren und es allen recht zu machen. Sie überschreiten ihre eigenen Grenzen, das ist auf Dauer tödlich. Viele werden krank und sind viel zu früh nicht mehr leistungsfähig. Es geht nicht darum, dass jeder rumchillt – wir müssen heute sehr gute Leistungen erbringen. Das können wir aber ohne Mindfucks noch mehr. Dann werden wir effizienter, leistungsfähiger, offener, authentischer und charismatischer.
Wie löst man solche Denkblockaden?
Erstens: man muss ein Gespür für die eigenen Mindfuck bekommen. Zweitens sollte man sich fragen: In welchem Zustand bin ich gerade? Bin ich der gestandene, erwachsene Mensch, oder eher das hilflose oder trotzige Kind? Oder beschimpfe ich mich gerade in der Rolle des strafenden Eltern-Ichs? Oft gibt man sich die Peitsche, weil man handeln müsste. Da gilt es, ins Erwachsenen-Ich zu kommen und Taten zu setzen.
Man hat in Ihrem Buch "Mindfuck Job" den Eindruck: Viele wissen nicht, wie sie arbeiten wollen.
Viele haben sich noch nie Gedanken über ihre Grundmotivation gemacht. Dadurch geht viel Potenzial am Arbeitsplatz verloren. Es gibt diverse Motivationstypen: Manche wollen nur ihren Lebensunterhalt sichern, für andere ist Arbeit mit einer Vision verbunden. Ich habe mit statusorientierten Menschen gearbeitet, die im Sozialbereich tätig sind. Oder mit Top-Anwälten, denen in Wahrheit Sinn viel wichtiger ist als das Gehalt. Oft glauben die Menschen, sie selbst seien falsch oder sie regen sich über die Firma auf und schieben Frust. Dabei haben sie nur eine andere Motivation als das Unternehmen – und sollten gehen.
Gibt es Firmen mit bestimmten Denkmustern?
Ja, die Beauty- und Lifestylebranchen etwa haben viel mit Druck- und Bewertungs-Mindfucks zu tun – weil da häufig Idealmaßstäbe gelten. In Nonprofitorganisationen herrscht eine große Tendenz zur Selbstverleugnung.
Wie reagiert man gut auf Mindfucks von Kollegen?
Man muss aufpassen, dass man andere nicht missioniert. Alle Gesellschaften, alle Menschen steuern sich mit Mindfucks. Ich glaube, es ist wichtig, mit sich selbst anzufangen. Wenn man selber Mindfuck-frei ist, steckt das die anderen an.
Was denken Sie über Mitarbeitermotivation?
Führungskräfte denken oft, sie bräuchten Tschakaa-Maßnahmen. Es ist aber wichtiger, mit den Mitarbeitern auf Augenhöhe darüber zu sprechen, was für sie wichtig ist. Eine größere Motivation, als ernst genommen zu werden, gibt es nicht.
Sie schreiben an einem neuen Buch. Worum geht’s?
Ich glaube, nach der Ära des technologischen Fortschritts ist es Zeit für den menschlichen Fortschritt. Wir müssen von der Konkurrenz zur Kooperation kommen. Sonst machen wir uns in diesem Jahrhundert gegenseitig kaputt.
Petra Bock ist Coach, Autorin (u.a. "Mindfuck Job") und Leiterin der Dr. Bock Coaching Akademie in Berlin.
1. Katastrophen-Mindfuck, z. B.: „Ich werde als Sozialfall enden.“
2. Regel-Mindfuck: „Ich muss zwei Jahre im Job durchhalten.“
3. Bewertungs-Mindfuck: „Wieder ein Fehler, ich bin so ein Idiot!“
4. Druck-Mindfuck: „Du musst das jetzt durchziehen!“
5: Misstrauens-Mindfuck: „Kann ich das denn überhaupt?“
6. Selbstverleugnungs-Mindfuck: „Ich bin wohl kein Führungstyp.“
7. Übermotivations-Mindfuck: „Im neuen Job starte ich voll durch.“
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