Firmen, die sich nicht öffnen, werden überholt

Firmen, die sich nicht öffnen, werden überholt
Im Hyperwettbewerb geht es ständig darum, sich neu zu erfinden. Das können Firmen nicht mehr aus eigenen Ressourcen schaffen. Wer überleben will, muss sich öffnen.

Wenn Unternehmen im Durchschnitt 20 Jahre alt werden, hätte Facebook noch zehn. Das nimmt niemand ernsthaft an. Denn Facebook holt sich, was es braucht, um erfolgreich zu bleiben. So geschehen am Mittwoch, als Facebook WhatsApp – den stärksten Rivalen mit nur 55 Mitarbeitern – um unfassbare 19 Milliarden Dollar kaufte. Halten Unternehmen heute auch nur kurz still, werden sie von jüngeren überholt – und sind damit selbst bald Geschichte. Das gilt auch für Facebook.

"Unternehmen können Kernkompetenzen heute kaum aufrechterhalten, weil ihre Marktpositionen ständig attackiert werden", sagt auch Ayad Al-Ani, Organisationsforscher, ein Ökonom, der an der Hertie School of Governance unterrichtet und am Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft über Veränderungen in Organisationen, Wirtschaft und Politik forscht. "Das Ausruhen auf den eigenen Vorteilen kann sogar eine tödliche Ablenkung sein, da es im Hyperwettbewerb immer nur darum geht, neue Vorteile zu schaffen."

Die Frage ist, wie Unternehmen die notwendigen hohen Innovationsraten leisten können. Die Antwort: mit Öffnung und Experimenten. Das genaue Gegenteil jenen Mantras, das bis in die Nullerjahre hinein galt: Macht es richtig, gleich beim ersten Mal. Und: Konzentriert euch auf eure Kernkompetenz und stoßt alles ab, was nicht dazugehört. Heute gilt viel mehr: Erfindet euch neu, aber bleibt beständig. Und zuallererst: Öffnet euch und akzeptiert, dass Versuch und Irrtum zum Spiel gehören. Ob ein Unternehmen wirklich grundlegend verändert werden kann? Jack Welch, Management-Ikone und 20 Jahre lang CEO von General Electric, beantwortete die Frage mit: "Throw Hand Granades."

Es ist kompliziert, die Adaptierung schwierig für alte, etablierte Unternehmen, die nicht zu den Digital Natives (siehe rechts) der Nullerjahren zählen. Die Herausforderung für die Alten ist, die Balance zu wahren: "Offen für neue Entwicklungen zu sein, Risiken einzugehen. Und auf der anderen Seite die Kernkompetenzen zu stärken und die Effizienz zu steigern", sagt Wolfgang Güttel, wissenschaftlicher Leiter der Linzer Management-Akademie (Limak) und Professor an der Johannes Kepler Universität. Am erfolgreichsten sind laut Güttel Unternehmen, die längere Phasen der Stabilität nutzen, um Veränderungen herbeizuführen. Jene, die sich laufend zu erneuern versuchen, würden nie eine hohe Effizienz erreichen. Auch jene, die in einer Hauruck-Aktion Veränderungen herbeiführen wollen, würden schlecht performen. Eine erfolgreiche Strategie sei auch, zusätzlich zum stabilen Kerngeschäft Ventures zu schaffen, die als Spielwiese für Innovationen dienen.

Die Open Talent Economy

Unternehmen können das Dauerfeuer an Innovationen heute kaum noch alleine erzeugen. Ayad Al-Ani sagt: "Sie müssen sich mit anderen Unternehmen, Instituten, Wissenschaftlern, mit der Crowd in einem Kollaborationsmechanismus zusammenfinden, um an neue Ideen zu kommen und ihre Strategien zu bewerten."

Die Ironie ist, dass Unternehmen auf der Suche nach Ideen und Talenten nach außen gehen müssen, weil sie die Fähigkeiten und Talente der eigenen Mitarbeiter nicht vollständig zu nützen vermögen. Auf der anderen Seite verwirklichen die eigenen Mitarbeiter ihre Talente auch außerhalb der Organisation. Al-Ani nennt sie freie Produzenten im Netz, Peers, die für sich, allein, aber vor allem mit anderen faszinierende Dinge erschaffen: "Abertausende motivierte Peers entwerfen Produkte, verbessern und vertreiben diese, entwickeln Open Software, verfassen Enzyklopädien und journalistische Inhalte, kommentieren Gesetze und Verfassungen. Sie bieten ein schier unerschöpfliches Ideen- und Fähigkeitsreservoir, das in einer Innovationsökonomie angezapft werden muss."

Procter & Gamble etwa entwickelt die Hälfte der Produkte inzwischen mit der Crowd. Fiat hat mit Crowd-Design ein neues Auto für den südamerikanischen Markt entwickelt. Shell lädt alle Mitarbeiter, aber auch externe Interessierte ein, ihre Vorschläge für neue Produkte zu formulieren und so neue Spielregeln zu schaffen. Coca-Cola bittet seine Kunden, an der Ausgestaltung der Marke mitzuarbeiten (Tell us your story). Quirky, ein Start-up aus New York, verdient ausschließlich mit Produkten der Crowd Geld.

Wie die Kollaboration zwischen externen Talenten und interner Expertise aussehen kann, dafür gibt es kein Rezept. Kaum ein Thema ist komplexer, als das Ziel, eine hybride Organisation zu werden, die Strukturen, Ressourcen und Tools aus dem Netz verwendet. Die klassische Hierarchieebenen sind jedenfalls ausgehoben. Die klassische Führungskraft damit auch: Öffnet euch!

Firmen, die sich nicht öffnen, werden überholt
Mit 66.000 Mitarbeitern weltweit istSAPeiner der größten Softwarekonzerne. Klaus Sickinger ist Geschäftsführer der SAP Österreich GmbH.

Wie beschreiben Sie Ihre Unternehmenskultur?

Wir stehen für Innovation, pflegen Vielfalt und arbeiten in einem sehr offenen Konzern.

Wie werden Entscheidungen getroffen?

Kundenspezifische Entscheidungen treffen wir lokal. Die Strategie wird vom Konzern vorgegeben, die lokale Umsetzung, das Anpassen auf den jeweiligen Markt obliegt der Landesgesellschaft.

Welche Vor- und Nachteile hat ein älteres Unternehmen gegenüber einem Start-up?

Es hat gewisse Strukturen und Prozesse etabliert und kann sich auf das Kerngeschäft konzentrieren, besser skalieren. Start-ups haben noch keine Bürokratie, ihr Ziel ist anfangs nicht Prozessqualität, sondern der Produkt/Markt-Fit, das sorgt für Kreativität und Spannung. Die Herausforderung für beide ist, die Anforderungen des Marktes zu erfüllen.

Ihr Unternehmensziel?

Wir wollen Unternehmensabläufe durch unsere Softwarelösungen vereinfachen und effizienter machen.

Warum wird es Ihre Firma in zehn Jahren immer noch geben?

SAP ist seit mehr als 40 Jahren Weltmarktführer für Softwarelösungen. Durch stetige Verbesserung und Innovation sind wir bei der Markteinführung neuer Lösungen fast so schnell wie ein Start-up – aber mit globaler Reichweite und Skalierbarkeit.

Firmen, die sich nicht öffnen, werden überholt
Katharina Nordengründete 2012 dieThree CoinsGmbH, ein Sozialunternehmen. Zu viert wird an Produkten gearbeitet, die Finanzkompetenz schulen.

Wie beschreiben Sie ihre Unternehmenskultur?

Jung, innovativ, menschlich.

Wie werden Entscheidungen getroffen?

Mit Holacracy – einem demokratischen Organisationssystem, das die Führungs- und Managementbedürfnisse meiner Generation abholt. Jedes Team-Mitglied ist für seine Rolle letztverantwortlich, trifft in dieser Entscheidungen und trägt ein Stück Verantwortung für die ganze Firma.

Welche Vor- und Nachteile hat eine junge Firma gegenüber einer älteren?

Die Zukunft gehört innovativen, nachhaltigen, sich international vernetzenden Unternehmen. Ältere, etablierte Firmen können neue Produkte mit großer Breitenwirkung auf einen Markt bringen. Sie sind aber im Innovationprozess und in der Umsetzung von neuen Produkten langsam und von langwierigen Entscheidungsprozessen gehemmt.

Ihr Unternehmensziel?

Wir entwickeln Games und Apps, die Jugendlichen den Umgang mit Geld beibringen.

Warum wird es Ihre Firma in zehn Jahren immer noch geben?

Jugendlichen Finanzkompetenz beizubringen wird nicht einfacher, sondern komplexer. Menschen werden immer mehr nach Werkzeugen suchen, die ihnen den Überblick über das eigene Geld geben. Vor uns liegt großes Marktpotenzial.

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