„Der Fachkräftemangel ist keine Frage der Konjunktur“, sagt Helmut Hofer. „Es ist eine strukturelle, langfristige Dynamik.“ Anders gesagt: Das Fehlen von Arbeitskräften ist bekanntlich der Demografie geschuldet. Geburtenstarke Jahrgänge scheiden bis Mitte 2030 aus dem Erwerbsleben aus. Geburtenschwache rücken nach.
Bislang war man verwöhnt von einem stark wachsenden Angebot an Arbeitskräften, erklärt Helmut Mahringer vom Wirtschaftsforschungsinstitut. Jetzt würde man sich dem Normalzustand annähern: „Wir rennen in keine Katastrophe und haben auf einmal ein rückläufiges Angebot an Arbeitskräften“, sagt er. „Aber das Wachstum nimmt deutlich ab.“ Und soll ab 2030 in Stagnation übergehen.
Je nach Konjunkturlage wird diese Entwicklung den Unternehmen mehr oder weniger schmerzlich bewusst. Denn boomt die Wirtschaft, wird freilich auch mehr Personal gebraucht und gesucht. Schwächelt sie, bleiben Aufträge aus, gehen auch die offenen Stellen zurück. „Ein ganz normales Phänomen“, so Hofer. Das erklärt, weshalb der Fach- bzw. Arbeitskräftemangel momentan entschärft scheint. „Aber er wird wiederkommen. Wenn die Konjunktur anspringt.“
Wirtschaftliches Frühlingserwachen: Frühestens ab 2025
2025 soll das der Fall sein. Das Wirtschaftsforschungsinstitut prognostiziert nach zwei Rezessionsjahren immerhin ein BIP-Wachstum von einem Prozent. Aber auch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit.
Und die offenen Stellen? „Es ist nicht zu erwarten, dass wir in den kommenden ein oder zwei Jahren einen Fachkräftemangel wie 2022 erleben werden“, ordnet Dénes Kucsera ein. Damals erlebte die heimische Wirtschaft einen immensen Aufschwung. Die Pandemie war größtenteils überwunden, das BIP wuchs um 5,3 Prozent. Parallel verschärfte sich die Personalnot und katapultierte Österreich beim Arbeitskräftemangel im EU-Vergleich an erste Stelle, erinnert sich der Ökonom.
Heute nimmt Österreich den dritten Platz ein. Nur überholt von Belgien und den Niederlanden. Wie sehr Österreichs Wirtschaft wachsen darf, bevor das Arbeitskräfteangebot hierzulande wieder an seine Grenzen gerät, lässt sich kaum beziffern. Ein Plus von zwei bis drei Prozent sollte aber machbar sein, bevor offene Stellen wieder in die Höhe schießen, schätzt Kucsera. Dennoch: Der Druck wird weiter steigen, sagt er.
Dem Alarmismus verfallen, müsste man trotzdem nicht, rät Helmut Mahringer: „Mittel- und längerfristige Veränderungen sollte man im Auge behalten. Und weder dramatisieren, wenn es wirtschaftlich besonders gut läuft, noch unterschätzen, wenn es wirtschaftlich gerade schlecht läuft.“ Anders als bei der Pensionierungswelle müsste die heimische Politik frühzeitig Handlungsschritte setzen. Arbeitskräfte aus dem Ausland mobilisieren, Menschen länger in der Erwerbsarbeit halten, mehr Kinderbetreuungsangebote und so weiter.
Nicht zuletzt, weil der Mangel an Fachkräften keine neue Entwicklung ist. „Es ist eine bleibende Herausforderung, die es auch schon früher gab“, sagt Mahringer. „Es geht um die ständige Anpassung des Arbeitsmarkts, die ein flexibles Wirtschaftssystem begleiten muss.“ Bislang ist das auch erfolgreich gelungen.
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