Ein Ort für unbequeme Vordenker
Alle Welt starrt auf Start-ups: Ihnen wird das Potenzial zugeschrieben, zu erdenken und zu erfinden, was noch nie da gewesen war. Manager fliegen ins Silicon Valley, um aus der Wiege der Entrepreneure die neuesten Trends zu erfahren und innovative Unternehmenskulturen abzuschauen. Und sie unterstützen Start-ups, beteiligen sich an ihnen, kaufen sie auf – wie zuletzt Runtastic von adidas um 220 Millionen Euro.
Doch Start-ups sind nicht die einzige Quelle disruptiver Innovation. Zeit, dass Manager wieder nach innen schauen, findet Thomas Vajay. Denn in der eigenen Firma schlummert viel mehr Unternehmer- und Erfindergeist, als vielleicht zugetraut wird. Um diese Inhouse-Entrepreneure zu fördern und zu befähigen, gründete Vajay kürzlich die erste Intrapreneur Academy in Wien. Dort gibt es Raum und Anleitung für Querdenker aus Unternehmen.
KURIER: Wieso sollte sich ein Mitarbeiter, der eine bahnbrechende Idee hat, damit nicht selbstständig machen, sondern ans Unternehmen liefern?
Thomas Vajay: Das ist die klassische Gründermentalität. Aber: Welcher Manager im mittleren Alter, der zufrieden ist, sein Haus abbezahlt und eine gute Idee hat, macht sich selbstständig?
Wollen Sie einen Gegentrend zum Start-up-Hype einläuten?
Wenn man heute über Innovation spricht, kommen leider immer nur zwei Themen auf: Start-ups und Forschung & Entwicklung. Das dritte Standbein wird aber nie beleuchtet: Die Corporate Entrepreneure in Unternehmen – Intrapreneure. Da ist enormes Potenzial. Start-ups sind wichtig, aber ja, wir wollen ein bisschen einen Gegenpol zum Start-up-Hype schaffen.
Suchen Unternehmen Innovation zu oft im Außen?
Ja. Welches Unternehmen leistet sich noch interne Programme? Inkubatoren und Accelerators sind alle nach außen gerichtet. Man schaut ins Silicon Valley und sagt: "Wir müssen auch so werden." Aber wie man das werden will, wird nie aufgelöst. Die Unternehmen wissen, dass sie etwas tun müssen. Unsere Message ist: Wenn ihr in die Gründerszene geht und Start-ups unterstützt, schaut, dass ihr die eigenen Leute nicht vergesst und ihr kreatives Potenzial nützt. Jedes Unternehmen hat Innovatoren.
Obwohl das Thema in internationalen Medien seit Anfang des Jahres Erwähnung findet, gibt es noch wenige Angebote.
Einen ähnlichen Ansatz gibt es in Belgien und es gibt eine globale League of Intrapreneurs – Richard Branson ist da stark dran. Dass es so etwas in Österreich gibt, ist mir nicht bekannt.
In den vergangenen Jahren haben Unternehmen vieles ausgelagert, die Kernbelegschaft reduziert.
Ja, die Managementlehre predigte Prozessoptimierung, war effizienzgetrieben. Man kapselte die einzelnen Units ab, lagerte aus. Vor allem arbeitete man nicht mehr interdisziplinär an einzelnen Fragestellungen. In diesem Sinne geht es wieder um eine Vernetzung: Ich habe unterschiedliche Menschen, mit unterschiedlichen Mindsets und gebe ihnen Tools, um Fragen der Zukunft zu beantworten – zum Beispiel mit Design Thinking oder Business Modeling.
Oft wird von Innovation gesprochen, aber wirkliche Veränderungen werden als Bedrohung empfunden. Ideen landen schnell in der Schublade. Müssten Sie nicht zuerst beim Top-Management das Bewusstsein schaffen?
Das versuchen wir. Das Bewusstsein, dass man etwas tun muss, ist in den meisten Firmen vorhanden. Doch vielen fehlt der Mut. Auch weil die Eintrittsschwelle so hoch ist: Ein eigenes Innovationshub im Unternehmen? Das ist vielen zu groß.
Firmen wollen Innovationen möglichst gut vor der Konkurrenz schützen. Ist da ein Co-Working-Space für Intrapreneure nicht unpassend?
Nein. Das Unternehmen kann ja ganz alleine, mit uns oder ohne uns arbeiten – oder andere miteinbeziehen. Denn manchmal geht es darum, Metathemen zu verstehen. Nehmen wir zum Beispiel Smart Citys: Was bedeuten sie für einen Gewerbepark? Die einzelnen Ideen können die Unternehmen in einem zweiten Schritt erarbeiten.
Wie soll Intrapreneurship konkret aussehen? Werden Mitarbeiter offiziell ermächtigt, Ideen spinnen zu dürfen? Soll das jeder machen dürfen?
Der erste Schritt ist , das Angebot zu schaffen. Es ist wie bei einer Blüte, wenn sich eine öffnet, kommen die Bienen. Die natürlichen Innovatoren werden sich davon angezogen fühlen. Denen brauche ich nur ein Angebot zu machen und sie kommen.
Kann man Intrapreneurship lernen?
Die Methoden sind erlernbar. Am Beginn steht, dass das Unternehmen Vertrauen in die eigenen Leute hat. Ich durfte ein paar interne Programme durchlaufen und habe dann das Innovations-Lab einer Bank geleitet. Ich war eigentlich der klassische Intrapreneur, ohne es zu wissen: Strategisch interessiert, ich wollte wissen, was in den kommenden fünf Jahren sein wird, ob etwa das Business-Modell dann noch passen wird. Intrapreneure sind Querdenker, die manchmal ein bisschen unangenehm sind.
Wieso ist die Academy im 23. Bezirk, ohne U-Bahn-Anbindung, angesiedelt? Gehört eine Innovationsschmiede nicht ins Zentrum?
Wir wollten loftartige Räume. Die gibt es im Zentrum nicht so oft. Außerdem wollten wir eine kreative Community haben, neben uns ist zum Beispiel ein Tonstudio, ein Filmstudio, es gibt Architekten, wir haben einen Innenhof – und wir sind an der S-Bahn-Strecke und neben einem Gewerbepark. Wir sprechen Unternehmen an, die Büroflächen haben. Wir wollen Menschen aus dem Büroalltag rausholen, einen Gegenpol zum Büroalltag schaffen – da ist es egal, ob das in Atzgersdorf oder im 9. Bezirk ist.
Er leitete über Jahre das Innovations-Lab bei der BAWAG P.S.K. Anfang der Woche eröffnete er die erste Vienna Intrapreneur Academy, wo er ein ein Umfeld für Inhouse-Entrepreneure schaffen und dem Thema Intrapreneurship in Österreich mehr Gewicht geben möchte. Dort bietet er neben Räumlichkeiten mit anderen Innovations-Profis, Weiterbildungen für künftige Intrapreneure an. www.vienna-intrapreneur-academy.com
Kommentare