"Ein Luxustod, aber trotzdem einer"

"Ein Luxustod, aber trotzdem einer"
DiTech ging vergangenes Jahr pleite – jetzt versucht es Damian Izdebski noch mal, mit dem Start-up techbold. "Ich habe keine andere Wahl", sagt er. Und spricht unverblümt über seine Schulden, Fehler und Freunde.

Als DiTech zerstört war, in Konkurs, kaufte er ein Flugticket nach Los Angeles. One Way. "Ich musste weg", sagt Damian Izdebski. In Amerika war die Welt anders. Die Menschen wollten seine Geschichte hören. "Die haben ausgerechnet, dass ich eine Milliarde Umsatz gemacht habe. Auf einem Minimarkt. Ich habe 30.000 Monatsgehälter bezahlt und 30 Millionen Steuerabgaben geleistet." Die Amerikaner hätten nicht verstanden, dass eine Firma 14 Jahre Gewinne macht und dann aus Liquiditätsmangel eingeht. "In den USA bist du da längst an der Börse", so Izdebski. Die DiTech-Geschichte lief lange gut und endete in der Pleite. Das Ehepaar Idzebski hatte DiTech zusammen aufgebaut, im Wohnzimmer hatten die beiden begonnen, an Computern zu schrauben. Sie wurden schnell zum schillernden Unternehmerpaar, mit nicht-österreichischem Hintergrund noch dazu. Am Höhepunkt hatte DiTech über 300 Mitarbeiter, 2012 noch 120 Millionen Euro Umsatz. Im März 2014 war alles vorbei.

KURIER: Was ist Ihr bester Fehler?

Damian Izdebski: Es gibt keinen Fehler, auf den ich stolz bin. Im Gegenteil, ich bereue den Ausgang der Geschichte. Emotional wünsche ich keinem Unternehmer, was mir passiert ist. Fachlich müsste das eine Pflichtveranstaltung sein. Man lernt in kurzer Zeit sehr viel.

Sie waren 15 Jahre lang Unternehmer. Was wussten Sie nicht?

In jeder Hinsicht war ich sehr naiv, weil ich das Wachstum nicht mit genug Eigenkapital finanziert hatte. Ein paar Jahre vor der Insolvenz hätten wir die DiTech für 16 Millionen Euro verkaufen können. Ich habe das Gespräch damals beendet mit: "Kommt in drei Jahren wieder, mit 30 Millionen", bin aufgestanden und gegangen. Ob ich das bereue? Ich weiß nicht. Ich hätte einen finanzstarken Partner hineinnehmen sollen, das Ding mit Eigenkapital ausstatten. Aber: Damals war die Situation eine andere. Fremdkapital war leicht zu kriegen, die Banken sind den 30-prozentigen Wachstumskurs mitgegangen, genauso die Kreditversicherer. Da denkst du: Warum soll ich die Hälfte der Firma abgeben?

Erzählen Sie von dem Moment, als Sie wussten, es ist vorbei.

Der war viel zu spät bei mir, das war einer der großen Fehler. Du nimmst alles Geld, was du hast, alle Energie zusammen, weil du hoffst, dass du das noch retten kannst. Das macht auch den Neustart jetzt so schwierig, weil alles weg ist. Wir waren eine GmbH, viele glauben, dass man da als Unternehmer nicht haftet. So ein Scheiß! Es gibt keine beschränkte Haftung. Der Inhaber hängt voll drin. Über die Jahre haben wir einen Großteil unserer Ersparnisse in die Firma gesteckt, als Sicherheit für die Banken. Das waren gute 700.000 Euro privates Geld. Drei Monate vor der Insolvenz haben wir noch einmal 120.000 Euro zusammengekratzt für eine Kapitalerhöhung. Alles weg. Das Schlimme daran: Die Nachfrage war vier Wochen vor der Insolvenz immer noch massiv da. Wir hatten 9000 Bestellungen im System, konnten sie aber nicht bedienen,weil wir keine Ware bekommen haben. Ein Luxustod, aber trotzdem einer.

Dann bleibt nur die Kapitulation.

Irgendwann siehst du, dass nichts mehr geht. Dann stellen die Banken die Finanzierungen fällig, dann sind die Konten eingefroren, dann geht es schnell. Wir haben versucht, Investoren für eine Sanierung zu finden, hätten acht Millionen Euro gebraucht. Das ist nicht gelungen. Dann bin ich mit einem Brief an die Öffentlichkeit gegangen, das war dann auch die erste Nacht, in der ich wieder schlafen konnte.

Wir sprechen von einer 25-Millionen-Pleite, 254 gekündigten Mitarbeitern, enttäuschten Lieferanten.

Die genaue Zahl ist schwierig zu sagen. Mir tut das alles sehr leid, ich hätte es gerne anders gehabt. Ich habe alles versucht, bis zur letzten Sekunde gekämpft, aber es nicht geschafft. Ich kann mich nur bei allen Kunden und Partnern entschuldigen. Es tut mir zutiefst leid! Wobei: Die Lieferanten sind wahrscheinlich die, die am wenigsten enttäuscht sind. Die meisten haben vorher mit uns viel Geld verdient.

Sie sagen: Mit dem Konkurs ist man plötzlich allein.

Als die DiTech gut lief, waren wir jeden Abend irgendwo eingeladen. Eine Woche nach der Insolvenz verschwindest du aus jedem Verteiler. Mir war das egal, weil mir eh nicht nach Party war, aber die Logistik hat mich fasziniert, wie schnell das bereinigt wird. Fakt ist: Du bist allein, richtig scheißallein.

Wie begegnen Ihnen die Menschen heute?

Viele würden sich wünschen, ich wäre tot. Weg von der Oberfläche, nie wieder gesehen. Man gab mir oft das Gefühl, ich soll verschwinden.

Wer ist übrig geblieben?

Ich war immer schon Realist genug, um zu wissen, dass viele meiner 2000 Kontakte im Handy die Freunde des DiTech-Eigentümers sind – und nicht von Damian Izdebski. Trotzdem ist es verstörend, wenn du anrufst und es hebt niemand ab. Und du auf der Kärntner Straße mit jemandem Blickkontakt hast, der die Straßenseite wechselt, nur damit er nicht mit dir reden muss. Man entwickelt aber eine emotionale Firewall. Man kann nicht alles verarbeiten, was an negativer Emotion an einen herangetragen wird. Am Ende bleibt nur eine Handvoll Freunde.

Wie steht man so etwas durch?

Man muss es durchstehen, was ist die Alternative? Meine Frau hat relativ schnell einen Job gefunden, das hat geholfen. Das Leben muss weitergehen.

Wie hoch sind Ihre Schulden?

Wir haben im Zuge der Insolvenz alle Ersparnisse vernichtet, in Summe 850.000. Die halbe Familie hat im Unternehmen gearbeitet, die standen plötzlich alle ohne Jobs da. Einmal kam meine kleine Tochter und hat gesagt: "Papa, nimm mein Fahrrad und mein iPad, verkaufe es, vielleicht retten wir so die Firma."

Kann man sich irgendwann sagen, "das ist nur Geld"?

Wenn man Geld hat, kann man das sagen. Nicht aber, wenn man keins hat. Ich habe Privathaftungen gegenüber Banken, 200.000 Euro, die ich innerhalb von zwei Jahren zurückzahlen muss. Das muss ich verdienen – für ein Start-up eine Riesenaufgabe.

Sie sehen sich mit techbold als Start-up-Unternehmer?

Ja, wir unterliegen allen Regeln, mit denen ein Start-up zu kämpfen hat. Wir kämpfen um jeden Auftrag, um jeden Kunden, arbeiten bis spät in die Nacht.

Wieso ein Neustart in der gleichen Branche, in der gleichen Straße?

Ich fahre täglich an der alten DiTech-Zentrale vorbei, aber es ist mir inzwischen egal. Ich kann nicht nachweinen, ich brauche die Energie für den Aufbau. Heute sind wir Dienstleister – ich kann mir Handel nicht mehr leisten. Ich habe 15 Jahre Handel gemacht mit einer Milliarde Umsatz und einer Million Online-Aufträgen, die wir abgewickelt haben. Aber im Handel braucht man Kapital für Ware. Das habe ich nicht.

Wie haben Sie den Neustart finanziert?

Mit 60.000 Euro von Freunden. Das ist ausgeborgtes Geld, wie damals, vor 15 Jahren.

Die Banken sind aus dem Spiel.

Mir wurde von Banken unmissverständlich mitgeteilt, dass ich nicht anzuklopfen brauche.

Würden Sie sich selbst Geld borgen?

Jetzt aktuell? Ich glaube schon. Es ist natürlich eine neue Firma mit neuen Risiken. Ich bin kein Wunderwuzzi, aber wir wollen auf dem Markt bestehen. Wir versuchen das mit besonderem Kundenservice.

Wie schwierig war es, Mitarbeiter zu finden?

Eigentlich gar nicht.

Sind das Ex-Mitarbeiter der DiTech?

Ein paar sind dabei.

Diesmal aber nicht im Doppelpack mit Ihrer Frau?

Sie ist bei techbold mit 10 Prozent beteiligt, aber die Aleksandra hat jetzt einen eigenen Job.

Wie groß ist die Angst, wieder abzustürzen?

Die ist immer da, bei jedem Unternehmer. Vor allem, wenn man erlebt hat, wie weh das tut. Man muss sie wegblenden.

Haben Sie immer noch schlaflose Nächte?

Ich bin abends so müde, dass ich schlafen muss. Ich arbeite 80 Stunden in der Woche. Ich will es wieder schaffen. Aber das Leben rundum, die finanzielle Situation ist extrem schwierig.

Was soll aus techbold werden?

Jetzt muss die Firma einmal überleben. Ich will mich als exzellenter Dienstleister etablieren.

Woher nehmen Sie die Kraft, wieder von vorne zu starten?

Ich habe nicht viele Optionen. Soll ich zum AMS gehen? Oder ins Ausland? Den Schulden kann ich nicht entkommen – ich muss Geld verdienen.

Kommentare