E-Learning: Der Business-Boom mit der digitalen Bildung

E-Learning: Der Business-Boom mit der digitalen Bildung
E-Learning ist das Schlagwort. Doch wie sieht der Markt dahinter aus und ist das ein reines Corona-Phänomen?

Ein schier unüberschaubares Angebot: IT-Skills, BWL, Social Skills, Selbstoptimierung, sogar Hundetraining. Das E-Learning- Geschäft boomt und könnte vielfältiger nicht sein.

Schon vor dem Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie war die globale Nachfrage nach digitalen Lernprogrammen und sogenannten Tutorials groß. "Es gibt natürlich viele institutionelle Angebote von Bildungseinrichtungen, etwa Hochschulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Aber ob uns das gefällt oder nicht, Youtube ist in der Praxis die größte informelle Lernplattform. Das ist eine große Provokation für Bildungseinrichtungen“, sagt Birgit Aschemann, Psychologin, Bildungswissenschaftlerin und Bereichsleiterin Digitale Professionalisierung beim Verein für Bildungsforschung und Bildungsmedien (Conedu).

Bildung geht heute anders

2020 ist die Welt im Wandel, nicht nur durch die Corona-Pandemie. Auch EU-Institutionen, die österreichische Bundesregierung, sowie Behörden setzen mittlerweile immer stärker auf E-Learning Tools und fördern diese.

Das Grazer IT-Unternehmen Speicherkraft wurde jetzt für seine, innerhalb weniger Wochen entwickelte "Homeschool“-App mit dem E-Award der Regierung ausgezeichnet. Auch aus Deutschland kämen viele Anfragen für dieses Produkt, berichtet Speicherkraft-Geschäftsführer Christian Günther im KURIER-Interview.

"Aber die Nachfrage nach E-Learning-Angeboten wächst nicht erst seit ein paar Wochen. Es gibt einen eindeutigen Leitmedienwandel auch in der Bildung. Das heißt, es ist ein Entwicklungsprozess. Was vor Jahrtausenden mit der Entwicklung der Schrift begonnen und sich vor Jahrhunderten mit dem Buch fortgesetzt hat, führt uns jetzt zum Leitmedium Computer und Internet.“, erklärt Aschemann. "Die Erwachsenenbildung ist heute selbstbestimmter und flexibler und es wird stetig breiter angenommen.“

Boomender Markt

Der Markt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Laut einer Untersuchung des Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Österreich (WIFI) aus dem Jahr 2017 gaben vor drei Jahren noch 68 Prozent der Befragten an, sie hätten noch nie digitale Lerninhalte genutzt. Auf die Frage, ob diese Inhalte aktuell und in Zukunft genutzt werden würden, gaben nur 12 Prozent an, dass sie es zwar bisher noch nicht genutzt hätten, aber es in Zukunft vorhätten.

Trotz der verhaltenen Angaben der Befragten aus dem Jahr 2017 – seither wächst der Markt jedenfalls stetig. Eine Untersuchung der Recherche Plattform Global Market Insight zeigte, dass der globale E-Learning Markt im Jahr 2019 einen Wert von 200 Milliarden US-Dollar überschritten hat. Es wird erwartet, dass dieser weiter mit einer achtprozentigen Wachstumsrate jährlich weiter zulegt. Diese Prognose allerdings wurde sogar noch vor dem Corona-Ausbruch berechnet.

Für den österreichischen Markt gibt es derzeit noch keine umfassenden Erhebungen. „Deutschland ist da schon deutlich weiter. Österreich ist etwas hinten nach, was die Evaluierung dieses Marktes betrifft“, erklärt Manfred Brandner, Geschäftsführer der bit media, eines der führenden Unternehmen am E-Learning-Markt in der DACH-Region im KURIER-Gespräch.

Corona-Nachfrage

Die Nachfrage nach E-Learning Angeboten sei aber durch den Lockdown naturgemäß weiter nach oben geschnellt, berichten unterschiedliche Anbieter dem KURIER, und zwar sowohl in dem Endnutzer- als auch im Firmenkundensektor.

"Ab dem Moment des 13. März hatten wir eine starke Nachfrage, zuerst nach Online-Beratung und -Support, und dann gleich nach Online-Schulungen“, so Aschemann von Conedu. Auch das Wifi verzeichnet seit dem Lockdown einen deutlichen Anstieg in der Nachfrage Online-Weiterbildungsprogrammen. "Wir haben im gesamten Jahr 2019 rund 5.000 E-Learning Kurse abgehalten, im Corona-März alleine aber waren es 2.900 Kurse mit rund 37.500 Teilnehmern“, sagt Wifi-Institutsleiterin Tatjana Baborek. Auch in den Sommermonaten, die üblicherweise auch beim Wifi ruhiger verlaufen, spüre man heuer eine verstärkte Nachfrage.

Naturgemäß verzeichnete nicht nur das persönliche E-Learning und Weiterbildung einen Schub, auch die Nachfrage nach betriebsinternen Aus-, und Weiterbildungen sowie Einschulungen ging durch Corona weiter nach oben: „Wir haben in Deutschland und Österreich mehr Nachfragen generiert als vor Covid“, erzählt Brandner von bit media. Die Kunden würden sich zudem viel schneller zu einem E-Learning-Programm für ihren Betrieb entscheiden als früher. Nur im KMU-Bereich sei der Wert betriebsinterner e-Weiterbildungen noch nicht ganz angekommen, so Brandner. "E-Learning ist seit 10 Jahren in großen Unternehmen integriert. Jetzt aber wird es zur neuen Norm werden, von unterwegs lernen zu können.“

Typenfrage

Das aber sei nicht für alle Menschen gleich wirkungsvoll. Natürlich, so berichten viele Weiterbildungsexperten, ist das Lernen immer auch eine Frage des Lerntypen und des Formats.

Das heißt, nicht jeder kann sich alle Inhalte rein über Tutorials und Online-Formate aneignen. "Es gibt Anwender, die können sich nichts selber beibringen, die brauchen Ansprechpartner. Haptische Lerntypen müssen Dinge angreifen und durchspielen, die steigen bei E-Learning aus,“ erklärt die Trainerin und Expertin für Vertriebs- und Verhandlungspsychologie, Ulrike Knauer. Sie hat selbst einige ihrer Trainingseinheiten in den digitalen Raum verlagert. "Es ist immer eine Frage des Inhalts. Social Skill Training und Persönlichkeitsveränderungen brauchen auch Ansprache zum Trainer und direkten Austausch. Das geht mit hybriden Systemen. Reine Inhalte funktionieren im E-Learning, verinnerlicht werden sie aber nur durch Präsenz – oder zumindest über direkte Zoomtreffen.“ Wissenseinheiten, etwa neue MS-Programme, allerdings ließen sich gut autonom lernen.

Präsenztreffen würde künftig ein neuer Wert beigemessen, erklärt auch die Erwachsenenbildnerin Aschemann. "Man kann online viel mehr tun, als die Meisten denken. Klar, Massageausbildungen kann man nicht machen, da muss man aneinander üben.“

Worin sich alle Experten einig sind: E-Learning-Einsatz ist gekommen, um zu bleiben. Aber auch, dass das Digitale die persönliche Lehrkompetenz von Menschen nie vollständig ersetzen wird.

Wohin das in Österreich führt?

"Der Markt ist hierzulande noch lange nicht ausgeschöpft“, sagt Brandner. Auch die Trainerin Ulrike Knauer berichtet: "Der Markt ist zwar jetzt überflutet mit Trainern, die spontan online gegangen sind. Aber bald wird sich die Spreu vom Weizen trennen.“

Viele turbo-digitalsierte Trainer würden nach Covid das Gelernte in ihr Angebot übernehmen. Die Zukunft heißt weiterer Wandel im E-Learning und Blended Learning. Das ist eine hybride Form aus autonomen E-Learning und persönlichem Training. Künftig würde sich das E-Learning auch weiter zu Augmented Reality (computergestützte Erweiterung der Sinne) und Virtual Reality hinwandeln. "Es gibt noch viel Potenzial auf diesem Markt“, so Brandner.

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