Druck von oben und unten

Druck von oben und unten
Anweisung vom Oberboss trifft verständnislosen Mitarbeiter. Dazwischen: Das mittlere Management.

Die Abteilungsleiterin ist im Dilemma. Vom Chef hat sie die Anweisung bekommen, einen Mitarbeiter zu kündigen. Sie ist anderer Ansicht. Wer es sein soll, bleibt ihr überlassen. Was tun? Sie will hinter ihrem Team stehen, aber muss auch zum Chef loyal sein. Am Ende muss ein Mitarbeiter gehen - gegen ihre Überzeugung.

Die typische Zwickmühle von Führungskräften der mittleren Etage. Sie stehen dazwischen, sind Druck und Anweisungen von oben, sich wehrenden und beschwerenden Mitarbeitern von unten ausgesetzt. Platz für Mitbestimmung und Gestaltung bleibt da oft kaum. Davon erzählen auch drei Betroffenen (siehe unten) , die lieber anonym bleiben wollen.

Zerrissen

"Das mittlere Management ist im Spannungsfeld", sagt Katharina Lichtmannegger, Geschäftsführerin des Hernstein Instituts für Management und Leadership. "Die Führungskräfte sollen einerseits Vermittler für die Direktiven von oben nach unten sein, andererseits müssen sie die Problemlagen der Mitarbeiter nach oben kommunizieren." Sie seien aber nicht nur Schaltstelle für den internen Kommunikationsfluss: "Sie haben Führungsaufgaben, müssen aber auch fachlich tätig sein. Denn schließlich hat ihre Kompetenz sie ja aufsteigen lassen."

Diese Mehrfachfunktion nagt nicht selten an der Motivation der Sandwich-Manager. Hinzu kommt: Wird umstrukturiert, setzt in den mittleren Etagen das große Köpferollen ein. Muss eingespart werden, werden ihre Boni - die oft einen Bruchteil jener der Top-Manager ausmachen - zuerst gekürzt, wie die deutsche LAB-Bonusstudie zeigt. Dabei sei die Motivation und das Engagement der mittleren Riege entscheidend für den Unternehmenserfolg, meint Bernhard Stieger, Geschäftsführer von Aon Hewitt Österreich: "Je engagierter die mittleren Führungskräfte, desto engagierter sind auch die Mitarbeiter."

Das hat auch eine Studie von Aon Hewitt unter 700 Führungskräften in zehn europäischen Ländern bestätigt. Bei der Motivation ihrer Mitarbeiter zu mehr Engagement würden die mittleren Führungskräfte aber zu wenig unterstützt, so Stieger. "Manager brauchen Ziele, sie müssen wissen, was von ihnen erwartet wird. In den Unternehmen gibt es da oft zu wenig Kommunikation von oben." Auch bekämen die mittleren Führungskräfte zu selten Feedback vom Top-Management, würden selbst zu wenig geführt. Sie bräuchten ein Umfeld, in dem sie gestalten können, "den Gestaltungsspielraum müssen sie aber auch beherrschen", sagt Stieger. Dazu müssten die Unternehmen stärker in ihre Führungskräfte investieren. "Die Besten der Besten investieren auf allen Ebenen in ihre Führungskräfte, das Mittelmaß investiert nur in High Potentials." Was bedeutet: "Ist der Mitarbeiter einmal zur Führungskraft aufgebaut, wird die Investition in ihn gestoppt."

Hilfe von oben

"Das Top-Management hat einen erheblichen Einfluss darauf, wie das mittlere Management performt", bestätigt auch Katharina Lichtmannegger. Das obere Management sollte mit den Führungskräften in Dialog treten, "sie nicht nur fachlich, sondern auch in ihrer Führungstätigkeit unterstützen. Und erkennen, wo mittleres Management Qualifizierungslücken hat, und für Potenzialentwicklung sorgen. Aus meiner Wahrnehmung tun das die Unternehmen zu wenig." Das Hernstein Institut bietet für das mittlere Management Curricula zur Führungskräfteentwicklung an. Langsam würden die Firmen erkennen, dass die mittlere Ebene Qualifizierung benötige, sagt Lichtmannegger: "Die Nachfrage nach Inhouse-Programmen steigt."

Qualifizierungsbedarf dürfte es geben. Eine Befragung von 2000 Führungskräften in neun Ländern zeigt: Als wichtigste Aufgaben sehen die Befragten das Steuern von Veränderungsprozessen und das Treffen schwieriger Entscheidungen. Gut darauf vorbereitet fühlen sich nur magere elf Prozent.

"Kaum einbezogen"

Das Verständnis der Zentrale gegenüber den Niederlassungen in den Ländern ist nicht sehr ausgeprägt", erzählt Paul Heuregger*. "Die Zentrale geht häufig von sich aus - damit haben wir unterhalb vom Top-Management zu kämpfen." Heuregger ist Abteilungsleiter eines internationalen Konzerns der Konsumgüterindustrie. Als Führungskraft mittendrin kenne er den regionalen Markt sehr gut, "das Problem ist: Ich werde in Konzernentscheidungen kaum einbezogen."

Keine Mitsprache Von der Konzernleitung kämen globale Direktiven, die auf Länderebene schwer umzusetzen seien. "Wir müssen Dinge tun, auch wenn wir wissen, dass sie in Österreich nicht gut funktionieren. Da muss man schon sehr gute Argumente haben, um daran zu rütteln." Habe man die Order von oben umgesetzt, käme man erst recht in die Zwickmühle: "Wenn es tatsächlich nicht funktioniert, heißt es, ihr hattet eine negative Einstellung dazu. Dann muss man wieder argumentieren."
*Name von der Redaktion geändert

"Kaum Zeit zu führen"

Als Projektleiter bei einem IT-Dienstleister musste Stefan Weidinger* seinem Team den Projektstopp bekannt geben. Eine schwierige Aufgabe: "Von 18 Leuten konnten wir nur noch drei finanzieren." Weidinger wählte den offenen Weg: "Ich habe mich mit allen an einen Tisch gesetzt, sie gebeten, mir offen zu sagen, wer von ihnen den Job dringend braucht. Die Kollegialität im Team war zum Glück so gut, dass es keinen Konflikt gegeben hat."

Der Puffer Als Führungskraft auf mittlerer Ebene müsse man der Puffer für die Mitarbeiter sein, sagt Weidinger, "und zwar nach oben und außen. Ich versuche, den Druck von oben abzufedern und ihn nur dort weiterzugeben, wo er wirklich nötig ist." Weidinger versucht, den Spagat zwischen Führungs- und Fachaufgaben zu schaffen: "Natürlich muss ich auch massiv fachlich arbeiten", sagt Weidinger. "Für Führungsaufgaben bleibt oft wenig Zeit, die ich mir aber nehmen will - dann sitze ich eben länger im Büro."
* Name von der Redaktion geändert

"Man wird kurzgehalten"

Mit Druck von oben hat Miriam Brunner*, Filialleiterin in einem Handelskonzern, nicht zu kämpfen. Mit ihrer Führungsaufgabe schon: "Ich bin ins kalte Wasser geschmissen worden." Die junge Frau, zuvor Verkäuferin, musste sich ihre Position selbst erarbeiten: "Da hat es keine Einschulung gegeben. Es war sehr schwer, als junge Chefin den langjährigen Mitarbeitern klarzumachen, dass sie einen nicht übergehen sollen." Im Umgang mit der Kompetenzenverteilung hätte sie sich gern mehr Hilfestellung von oben gewünscht: "Das musste ich mit den Mitarbeitern ausdiskutieren."

Wenig Einblick Brunner hat drei Mitarbeiter, "der enge Kontakt in einem kleinen Team macht es noch schwieriger, wenn es keine klaren Richtlinien bei den Kompetenzen gibt." Die Gestaltungsmöglichkeit sei gering, sagt Brunner: "Bei uns wird man als Filialleiter sehr kurzgehalten, weil alles von der Zentrale geregelt wird. Ich habe sehr wenig Einfluss auf Abläufe, bin eine bessere Verkäuferin mit Führungsverantwortung. Ich hätte gern mehr Einblick in die Umsatzplanung."

*Name von der Redaktion geändert

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