Doppelspitzen in Unternehmen: Wie Chefarbeit zu zweit funktioniert

Doppelspitzen in Unternehmen: Wie Chefarbeit zu zweit funktioniert
Zwei Personen die sich den Chefsessel teilen? Wie das funktionieren kann und woran Tandems scheitern können.

Das Jahr 2021 begann für Jakob Matuschka-Gablenz und Raphael Hartl im selben Büro. Seit etwas mehr als zwei Monaten sind beide Regionalleiter der Bankhaus-Spängler-Niederlassung in Wien. Es mache Sinn, wenn die Schreibtische in der Nähe stehen, alles andere wäre viel zu umständlich, heißt es unisono.

„Man kriegt mit, wenn der andere telefoniert und weiß sofort über Besprochenes Bescheid. Wenn jeder in seinem Kämmerchen sitzen würde, wäre das mühsam“, so Matuschka-Gablenz. Jetzt, wo man im Homeoffice arbeite, erkenne man die Vorteile eines gemeinsamen Büros umso mehr.

Rücken freihalten

Als Doppelspitze treffen sie nun Entscheidungen zu zweit und spielen sich gegenseitig den Rücken frei, indem sie administrative Aufgaben aufteilen, um so mehr Zeit für Kundenberatungen zu haben. Diese möchten nämlich beide neben ihrem Management-Job weiterhin ausüben.

Die beiden wirken gut aufeinander abgestimmt und eingespielt. „Weil die Chemie zwischen uns stimmt“, sagt Hartl. „Das ist ganz wesentlich, damit ein Tandem funktioniert.“

Geteilte Agenden

Auch im Wiener Büro des Beratungshauses Kienbaum gibt es seit Jänner 2021 eine Doppelspitze: Cornelia Zinn-Zinnenburg, zuvor Solo-Geschäftsführerin von Kienbaum, bekam mit Sandra Schrögenauer eine gleichberechtigte Kollegin. Die Agenden haben sie klar untereinander aufgeteilt:

"Ich übernehme gern den Lead bei marktbezogenen Themen und im Bereich People Development“, so Schrögenauer. „Dabei stimmen wir uns im Vorfeld ab. Umgekehrt bin ich auch gut eingebunden und informiert, wenn es um kommerzielle Themen wie auch interne und externe Kommunikation geht. Da verlasse ich mich auf Cornelias Erfahrung.“

Hohe Konsensfähigkeit

Verantwortungen und Zuständigkeiten gerecht aufteilen, auf Augenhöhe arbeiten, gemeinsam Ideen entwickeln, zu zweit das letzte Wort haben. Das Halbe-Halbe-Prinzip klingt verlockend. Doch es hat auch seine Tücken.

„Tandem-Arbeit kann sehr fruchtbar sein. Ich sehe diese Fünfzig-Fünfzig-Aufteilung aber auch kritisch“, sagt Eva Rechberg, Geschäftsführerin von Systworks. „Wenn zwei Personen die Verantwortung übernehmen, kann das Abstimmungen schwerer und zeitintensiver machen.“

Außerdem setze es eine hohe Konsens- und Konfliktfähigkeit voraus, sowie die Bereitschaft, auf Geschäftsführungsebene an einer Beziehung zu arbeiten, Vertrauen aufzubauen und sich an Regeln zu halten. „Es ist auch eine Typenfrage, ob man das kann.“

Reibereien

Rechberg hat bereits viele Führungstandems gecoacht. Sie weiß, es gibt vor allem zwei Zeitpunkte, bei denen Duos zu ihr kommen: „ Zu Beginn, wenn an einer gemeinsamen Strategie gearbeitet wird, oder aber, wenn ein Konflikt entsteht und das ganze nicht mehr rund läuft.“

Reibereien würden klassischerweise dann entstehen, wenn Überschneidungen von Aufgabenfeldern zu Irritationen führen, oder wenn der Erfolg des Unternehmens sinkt. „Dann steigt der Druck und nicht jeder ist gleich stressresistent.“

Permanente Dialogbereitschaft

Rechbergs Erfahrung zeigt, dass Führungsduos auch Konflikte überstehen – „vorausgesetzt, er ist nicht allzu verhärtet.“ Jakob Matuschka-Gablenz und Raphael Hartl sind sich über mögliches Konfliktpotenzial bewusst. Aber: „Um es nicht so weit kommen zu lassen, muss man Themen offen ansprechen, dann halten sich Uneinigkeiten im Rahmen“, so Matuschka-Gablenz.

Auch für Cornelia Zinn-Zinnenburg und Sandra Schrögenauer hängt der Erfolg ihrer Zusammenarbeit stark von der permanenten Dialogbereitschaft ab. „Gute Abstimmung und Planung ist ein Muss“, so Zinn-Zinnenburg. Doppelspitzen können ein Zeichen des Wandels sein, findet Hartl. „Ein Tandem ist ein moderner Zugang zu Leadership. Das Bild, das lauter einzelne Alphatiere die Rangordnung ausmachen, ist veraltet.“

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