Diskriminierung und Rassismus im Job
Vor zwei Wochen starb der US-Amerikaner George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis. Es kam zu einer Protestwelle in den USA, die nicht nur Polizeigewalt gegen People of Colour anprangerte, sondern auch Alltagsrassismus und Diskriminierung. In Folge gab es auch zahlreiche Demonstrationen der „Black Lives Matter“-Bewegung in Europa, auch in Österreich. Auch hierzulande erlebt fast jeder Zweite eine Form von Diskriminierung.
2019 zeigte eine Umfrage der Arbeiterkammer, dass von 2.300 Personen 43 Prozent in den Bereichen Wohnen, Arbeit, medizinische Dienstleistungen und Ausbildung diskriminiert wurden – am häufigsten in der Arbeitswelt (siehe Interview weiter unten). „In diesem Bereich liegt Österreich leider im europäischen Spitzenfeld“, sagt Judith Kohlenberger, Kulturwissenschaftlerin an der WU Wien.
Qualifikation geht unter
Schon der falsche Name entscheide über eine Einladung oder eine Abfuhr zum Jobinterview, so Kohlenberger und verweist auf eine Studie der Johannes-Kepler-Universität Linz. „Bei gleicher Qualifikation und gleichem Lebenslauf werden ÖsterreicherInnen 1,5 Mal so häufig zu Bewerbungsgesprächen eingeladen, wie Menschen mit türkischen Migrationshintergrund und sogar doppelt so häufig, wie Menschen mit schwarzer Hautfarbe“, so Kohlenberger.
Der österreichische Arbeitsmarkt sei stark nach Herkunft segregiert. Dass es in vielen Unternehmen mittlerweile Diversitätsbeauftragte gebe, sei nur eine „kosmetische Fehlerkorrektur.“ Kohlenberger: „Es braucht gesamtgesellschaftliche Herangehensweisen, um Vorurteile abzubauen. Die Arbeitswelt allein kann da nicht gegensteuern.“
Diversitäts-Trainer: „Diskriminierung geschieht oft unbewusst“
Volker Frey hält im Auftrag der Organisation ZARA Diversitäts- und Anti-Rassismus-Workshops ab
KURIER: Wie verbreitet ist rassistische Diskriminierung in österreichischen Unternehmen?
Volker Frey: Das kann man schwer sagen. Eigentlich ist keiner frei davon, da wir alle von strukturellem Rassismus umgeben sind. Die Fallzahlen der Beratungsstellen bilden die Realität jedenfalls nicht ab. Die George Floyd-Debatte hat zwar zu einem verstärkten Bewusstsein in der Öffentlichkeit geführt, es gab mehr Beschwerden bei den Beratungsstellen. Verschwindet das Thema aber wieder aus der Öffentlichkeit, schlafen auch die Zahlen wieder ein.
Mit wem arbeiten sie zusammen?
Mit den unterschiedlichsten Zielgruppen. Ich gebe Trainings an Schulen, in NGO’s, in Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und bei der Polizei.
Werden Sie aufgrund eines rassistischen Vorfalls engagiert?
Es ist nicht immer anlassbezogen. Manche Firmen sagen, dass sie kein Problem haben, aber sich gern mit dem Thema beschäftigen würden. Im Workshop stellt sich dann raus, dass es einen Konflikt gibt. Andere möchten bestimmte Diversitätsstrategien in Personalabteilungen umsetzen.
Die meisten Menschen würden nicht von sich behaupten, rassistisch zu sein. Wie schaffen Sie es, dass solche Probleme von Teilnehmern selbst angesprochen werden?
Unser Ansatz ist es nicht, mit erhobenen Zeigefinger in den Workshop zu gehen. Es geht darum, Bewusstsein zu schaffen, wie Vorurteile entstehen und zu lernen, die eigenen blinden Flecken auszuleuchten. Wir zeigen in Übungen strukturelle Benachteiligungen und diskriminierende, gesellschaftliche Spielregeln und wie sich diese in der Arbeitswelt auswirken.
Und warum sind Menschen mit Migrationshintergrund seltener in Jobgesprächen?
Personalern ist oft nicht bewusst, dass sie im Auswahlprozess diskriminierende Entscheidungen treffen. Wenn man im Recruiting von 18 Bewerbern nur einen aufnehmen kann, schleichen sie sich unbewusst ein. Das Foto zum Beispiel lenkt ab. Man sieht das Geschlecht, die Hautfarbe, die Kleidung. Man fragt sich: Passt er oder sie ins Team? Was ist das für ein Sakko? Man gerät schnell auf eine unsachlichen Ebene.
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