Die Verhaltens-Aufpasser räumen auf

Die Verhaltens-Aufpasser räumen auf
Anfüttern, Insiderhandel, Geschenkannahme: Der Compliance Officer soll Korruption in Unternehmen verhindern.
Die Verhaltens-Aufpasser räumen auf

Erst seit 28. 3. 2012 ist es  klar angeordnet: "Mittel oder Vermögenswerte von Telekom Austria Group dürfen nicht als Parteispenden dienen." Der neue Verhaltenskodex für die Mitarbeiter soll künftig das Anfüttern von Politikern verhindern. Ausgearbeitet hat ihn der neue Compliance Officer Martin Walter. Für Lobbying-Aufträge ab  100.000 Euro muss es jetzt einen Vorstandsbeschluss geben. Geschenke ab einem Wert von  100 Euro  müssen abgelehnt werden. Und: "Sollte ein Angestellter in dubiose Geschäfte involviert sein, hätte dies unmittelbare Konsequenzen", sagt Walter.

Compliance Officer, "Verhaltens-Aufpasser", und ihre Abteilungen beschäftigen sich mit Geschäftsethik und Antikorruption,   verhindern Insiderhandel und Marktmissbrauch, erstellen einen genauen Verhaltenskodex für Mitarbeiter. Seit den Wirtschaftsskandalen der vergangenen Jahre  – Siemens, Hypo, Bawag, Telekom –   setzen Konzerne stark auf das Thema. Aber nicht nur: "Auch viele kleinere Unternehmen ergreifen die Initiative", sagt Karin Mair, Partnerin bei der Personalberatung Deloitte und  Mitglied im Beirat  vom Transparency International Österreich.

Irmgard Hoislbauer, bei der Bit-Gruppe für die Entwicklung von Compliance-Lernprogrammen zuständig, bestätigt den Trend: "Die Nachfrage nach solchen Programmen steigt." Firmen suchten derzeit händeringend nach Compliance Officers: "Ich könnte zurzeit drei Stellen besetzen", sagt Mair. Leicht zu finden seien sie nicht: Der Job sei herausfordernd, "man muss unternehmerische Abläufe gut verstehen, braucht rechtliches und betriebswirtschaftliches Wissen und gute Kommunikativität".   

 

Reputation

Im Ernstfall muss der  Compliance Officer persönliche Haftung übernehmen (siehe Interview). "Ziel ist es, Haftungen des Unternehmens und Reputationsschäden zu vermeiden", sagt  Robert Eichler, Chief Compliance Officer bei der OMV. Der Ölkonzern hat eine solche Abteilung  in Wien im Jänner 2011 eingerichtet.  Im Vorjahr wurden drei Personen wegen Compliance-Verstößen entlassen. Um wirksam arbeiten zu können,  muss der Compliance Officer unabhängig sein. Bei der OMV ist er dem Finanzvorstand unterstellt. "Das ist kein Problem,  solange er weisungsfrei ist", sagt Mair. "Maßstab  des Handelns sind  einzig und allein gesetzliche Vorgaben und interne Richtlinien", entgegnet Eichler.  Zurzeit gehöre es schon fast zum guten Ton, eine Compliance-Abteilung zu haben, sagt Mair: "Oft sind Unternehmen aber auch ohne sie sehr ,compliant" – wegen ihrer  guten Unternehmenskultur." Denn: Ist die Unternehmenskultur schlecht, helfe auch der beste Verhaltenskodex nichts.  Mitunter gebe es auch Alibi-Aktionen, um das angeschlagene Image zu heben.

Die Frage ist also nicht, ob das Unternehmen eine Compliance-Abteilung einrichtet, sondern in welcher Effizienz. So gab es bei Siemens schon vor der Schmiergeldaffäre 2006  eine Compliance-Abteilung, "allerdings war sie nicht sonderlich wirksam", gibt Walter Sölle, Cluster Compliance Officer bei Siemens Österreich, zu. Heute hat der Konzern ein weltweites Netz aufgebaut, Sölle ist mit  60 Mitarbeitern  für die CEE-Länder, Zentralasien und Russland zuständig, agiert unabhängig. "Der Compliance Officer hat bei uns das Recht, in alle Geschäftsbereiche Einblick zu bekommen", sagt Sölle. Illegale Parteispenden hätten  keine Chance: "Bei uns geht keine Zahlung ungeprüft raus." Und wenn die oberste Führungsriege in dubiose Geschäfte verwickelt wäre? Seine prompte Antwort: "Darauf nehme ich keine Rücksicht. Ich bin unabhängig."

Tatsache ist: Der Compliance Officer braucht  ein starkes Rückgrat. "Natürlich wird so eine Funktion auch  kritisch gesehen", sagt  Eichler. "Da ist es erforderlich, Compliance-Entscheidungen gut zu begründen." Er rät: "Viel zuhören und  das Vertrauen der Mitarbeiter gewinnen."

Recht: Anfüttern (noch nicht) verboten

"Wenn Sie in Ihrer Heimatgemeinde dem Bauamtsleiter Festspielkarten im Wert von 500  Euro schenken, weil Sie vielleicht in ein paar Jahren bauen wollen, ist das derzeit strafrechtlich nicht verboten." Mit diesem Beispiel bringt es Rechtsanwalt Gerald Ganzger auf den Punkt: Anfüttern ist derzeit erlaubt.  

Verbot alt 2008 wurde ein striktes  Anfütterungsverbot eingeführt. Die Wirtschaft lief Sturm, betrieb massives Lobbying dagegen. Einladungen zu teuren Essen, auf die Jagd oder zu Festspielen sind seit 2009  daher wieder erlaubt – sofern sich nicht der Vorsatz beweisen lässt als Gegengeschäft eine pflichtwidrige Amtshandlung zu begehen.

Verbot neu Nach den Wirtschaftsskandalen hat Justizministerin Beatrix Karl erneut eine Verschärfung im Korruptionsstrafrecht ausgearbeitet. Strafbar sollen Handlungen  dann sein, wenn hinter Geschenken ab 100 Euro die Absicht steckt, ein konkretes Amtsgeschäft mit einem Beamten/Politiker anzubahnen.  Karl will das  Gesetz bis zum  Sommer beschließen.

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