Die Umsattler: Betriebe erfinden sich in der Krise neu

Kathrin Hoffman, Event-Managerin
Ein Textilhersteller, eine Eventagentur und ein Schnapsbrenner nutzten ihre Kapazitäten – und stellten sich um.

Längst ist das Tragen von Masken zur Selbstverständlichkeit geworden. Schon während der Ausgangsbeschränkungen war der Bedarf nach Schutzmasken groß, vor allem in der Gesundheitsversorgung. Noch vor einem Monat kündigte Gesundheitsminister Rudolf Anschober an, 25 Millionen Schutzmasken aus China liefern zu lassen. Doch nun, da die Wirtschaft in Österreich allmählich wieder hochgefahren wird, steige der Bedarf nach Schutzausrüstung laut Wirtschaftskammer (WKO) noch mehr.

„Gewisse Güter sind knapp. Wir versuchen Engpässe in der heimischen Produktion von Schutzkleidung über internationale Lieferketten zu überbrücken.“

von Marian Kühnel

WKO-Generalsekretärin stv.

Wie hoch der Bedarf allein an Masken ist? „Genau lässt sich das nicht beziffern, nur hochrechnen“, sagt Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin der WKO. Die Wirtschaftskammer unterstütze die Behörden jedenfalls bei der Suche nach heimischen Unternehmen, die dringend gebrauchte Produkte produzieren können, wie Desinfektionsmittel, Mundschutzmasken oder Schutzanzüge, so Kühnel.

Neues Geschäftsfeld

Dass der Bedarf an Hygieneprodukten stetig wächst, bleibt auch heimischen Betrieben nicht verborgen. Sie machen die Not zur Tugend. Und produzieren jetzt Dinge, die aktuell dringender gebraucht werden als Schnäpse, Parfüm oder die neueste Frühjahrsmode. Zum einen möchten viele einen gesellschaftlichen Beitrag leisten, zum anderen springt auch ein kleiner Zuverdienst dabei heraus. Oder es entwickelt sich gar ein neues Geschäftsfeld.

Wolford: Masken statt Dessous

Die Umsattler: Betriebe erfinden sich in der Krise neu

Andrew Thorndike, COO bei Wolford

Die Firma: Die Wolford AG mit Hauptsitz in Bregenz ist ein österreichischer Hersteller von Textilien mit Schwerpunkt auf Strumpfhosen, Wäsche, Damenoberbekleidung und Accessoires. Die Produkte werden in über 60 Ländern an über 3.000 POS (Point of Sales) verkauft. 2018 wurde das Unternehmen vom chinesischen Mischkonzern Fosun übernommen. „Da China als erstes Land von der Corona-Pandemie betroffen war und wir dort zahlreiche Point of Sales schließen mussten, hatten wir einen erste Vorwarnung, was auf uns zukommt“, sagt Andrew Thorndike, seit Oktober 2019 CCO bei Wolford.

Die Neuausrichtung:  Im Jänner habe es bereits erste Überlegungen zur Herstellung von Masken gegeben, seit April werde produziert. Mit Ende April werde man rund  20.000 Masken hergestellt haben so  Thorndike. „Das ist je nach Bedarf skalierbar.“  In erster Linie wollte man damit die eigenen Mitarbeiter schützen, so Thorndike. „Wir rechnen aber damit, dass Masken auf längere Sicht unsere täglichen Begleiter werden – leider“, sagt der CCO. „Daher werden sie auch Kunden zum Verkauf angeboten.“ Das Produktportfolio mit Masken zu erweitern, sei bei Wolford keine „Revolution der Entwicklungsleistung“, sagt Thorndike. Als Textilunternehmen und Hersteller müsse man ständig auf saisonale Wechsel und Modetrends reagieren können. „Mit der Maskenproduktion folgen wir einer Nachfrage.“

Die Zukunft: Die Masken bleiben solange im Angebot, wie Bedarf da ist, so Thorndike. „Aber wir denken da groß.“ Eine eigene Versorgungskette für das benötigte Material habe man bereits auf die Beine gestellt. Kompensieren könne man damit die Umsatzverluste im stationären Handel natürlich nicht, so Thorndike

FrauHoffmann.Events: Anstellservice statt Veranstaltungen

Die Umsattler: Betriebe erfinden sich in der Krise neu

Kathrin Hoffmann von FrauHoffmann.Events

Die Firma: Kathrin Hoffmann machte sich nach ihrer zweiten Karenz selbstständig und gründete 2014 ihre Veranstaltungsagentur FrauHoffmann.Events. Sie macht für Kunden wie  die Münze Österreich AG, Bahlsen Österreich, die FHWien der WKW Business Events, Produktionspräsentationen, Galas, Kongresse und Tagungen – „alles, was es in der Corona-Krise nicht geben darf“, sagt Hoffmann.

Die Neuausrichtung: Von einem Tag auf den anderen gab es keine Aufträge mehr. „Zuerst haben die Kunden ihre Events in den Herbst verschoben – mittlerweile ist auch das unsicher bzw. weiß man nicht, unter welchen Bedingungen Veranstaltungen dann stattfinden dürfen“, erklärt Hoffmann. Und weiter: „Als dann klar war, dass der Shop der Münze Österreich wieder aufsperren darf, machten wir gemeinsam mit unserem Kunden einen Maßnahmen-Katalog: Wir fertigten Beklebungen und Wegweiser an, organisierten Personal, das Schutzmasken austeilt.“ Hoffmann erkannte, dass die „Corona-Kundenlogistik“ für alle Geschäfte interessant sein könnte, damit Einkaufen wieder  zu einem positiven Erlebnis wird. Ihr neues Service für Kunden  war geboren: ein modulares Angebot für den Handel – Anstell-Logistik, Bodenmarkierungen, Hilfs-Personal, Mundschutz und  Desinfektionsmittel.

Die Zukunft: Es läuft an, die Geschäfte sind interessiert aber eher zurückhaltend. Hoffmann hofft, dass sie mit diesem Service  auch größere Firmen ansprechen kann. Ihr Unternehmen möchte sie so  bis Jahresende durchbringen. „Im Moment ist es ein kleines Taschengeld zum Härtefallfonds, den ich ausschöpfen muss“, sagt sie.

Destillerie Freihof: Desinfektion statt Schnaps

Die Umsattler: Betriebe erfinden sich in der Krise neu

Johann Drexel, Geschäftsführer der Destillerie Freihof

Die Firma: Das Gründungsdatum der Destillerie Freihof in Lustenau geht auf das Jahr 1885 zurück. Ursprünglich  war der Freihof ein Gasthaus, bis sich der Großvater von Johann Drexel nur mehr auf die Herstellung von Obstbrand, Schnäpsen, Likör und Spirituosen konzentrierte.  Vor viereinhalb Jahren übernahm  Johann Drexel das Familienunternehmen.

Die Neuausrichtung: Da mit der Schließung der Gastronomie einer der Hauptabnehmer wegfällt, hat auch die Destillerie mit Umsatzeinbußen zu kämpfen. „Auch im Einzelhandel sind wir unter dem Vorjahresniveau“, sagt Johann Drexel. „Da keiner Gäste zu sich einladen kann, fällt der soziale Aspekt weg und es werden weniger Spirituosen gekauft.“ Einen Teil der Verluste kann die Destillerie nun mit der Herstellung von Desinfektionsmittel kompensieren, so Drexel. „Bisher haben wir 30.000 Liter produziert, ein Teil davon stammt aus gespendetem Restalkohol, welches wir hochdestilliert zu Desinfektionsmittel verarbeitet und an Gemeinden gratis weitergegeben haben.“  Zusätzlich werde aus reinem Ethanol Desinfektionsmittel für den Verkauf destilliert, bei der Herstellung halte er sich an die Rezeptur der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Abnehmer sind Unternehmen, Arztpraxen, die Gastronomie und über den Online-Shop auch an den Endkonsumenten. „Es ist ein sehr breites Kundenspektrum, was wir bedienen können.“

Die Zukunft: „Die Ministerien haben bis Ende August eine Sondergenehmigung für die Herstellung von Desinfektionsmittel ausgeben und auch die Alkoholsteuer für diese Art der Herstellung ausgesetzt“, so Drexel. „Wir prüfen derzeit, ob wir auch danach eine Gewerbeberechtigung unter Steueraussetzung erhalten.“ Auch in Zukunft wird der Bedarf an Desinfektionsmitteln  hoch bleiben, glaubt Drexel. „Die Spender in Supermärkten und Geschäften werden nicht gleich verschwinden, das Desinfektionsmittel wird auch im Alltag mehr zur Verwendung kommen als bisher.“ Sein Kerngeschäft, nämlich Genussmittel zu produzieren, wird er aber nach Öffnung der Gaststätten wieder stärker verfolgen. 

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