Die Österreicher sind Eineinhalb-Verdiener

Die Österreicher sind Eineinhalb-Verdiener
Papa in Vollzeit, Mama in Teilzeit: So teilen Eltern ihre Jobs meistens auf. Das soll sich ändern. Wie das gelingen kann.

Sich verlieben, in eine gemeinsame Wohnung ziehen, ein Kind bekommen. Aber wie sollen beide weiterarbeiten, wenn die Familie zu dritt, zu viert ist? Eine Frage, die sich Eltern immer stellen. Jedenfalls die Mutter stellt sie sich. Sie ist nicht einfach zu beantworten. In den meisten Fällen endet die Diskussion dann so: Der Mann arbeitet weiter, ohne seine wöchentlichen Arbeitsstunden zu reduzieren, ohne auf sein volles Einkommen zu verzichten. Das macht zumindest finanziell Sinn – nach wie vor verdienen Männer meist besser. Die Frau hingegen geht Elternkarenz und kehrt in einem Teilzeit-Modell zurück in den Job. Jede zweite Frau arbeitet in Österreich weniger als 38 Wochenstunden.

Ein Umstand, den Paare mit gemeinsamen Kindern unter 15 Jahren gerne verändern würden, wie die neue Studie der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA), die im Auftrag der Arbeiterkammer durchgeführt wurde, zeigt. Dafür wurden Daten von 30.000 Paaren aus der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung der Jahre 2005, 2010 und 2015 herangezogen.

Arbeitszeit verändert sich

Der Vergleich zwischen den Jahren zeigt: Frauen mit Kindern drängen heute stärker und um ein bis zwei Jahre früher auf den Arbeitsmarkt zurück, die meisten in Teilzeit. Männer – vor allem mit kleinen Kindern – haben ihre Gesamtarbeitszeit reduziert oder zumindest weniger Überstunden gemacht. Aber vor allem zeigt sich, dass beide Elternteile ihre Arbeitszeit gerne weiter angleichen wollten. Denn trotz dieser Tendenzen leben die meisten Österreicher aktuell nach dem Eineinhalb-Verdiener-Modell: er verdient voll, sie halb. Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen und Familie in der Arbeiterkammer Wien, erklärt: „Viele Männer sagen: ,Ich habe eine Familie, natürlich möchte ich auch Zeit mit ihr verbringen.‘“ Die Allein-Ernährer-Rolle würden immer mehr Männer gerne ablegen wollen.

Begünstigt wird die Ungleichverteilung der Arbeitszeit laut der Analyse durch viele Faktoren. Etwa durch das Alter des Kindes: je jünger, desto ungleicher. Den Bildungsabschluss der Frau: je niedriger, desto ungleicher. Den Wohnort: in Wien ist die Chance auf Gleichverteilung am höchsten. Die Größe des Betriebes, in dem der Mann arbeitet: bei weniger als zehn Mitarbeitern ist die Ungleichverteilung höher. Und schließlich das Einkommen des Mannes: Verdient er mehr, bleibt sie eher zu Hause. Umgekehrt arbeitet die Frau mehr, wenn ihr Einkommen ökonomisch den Haushalt mitträgt. Moritz: „Jede zusätzliche Arbeitsstunde des Mannes erhöht die Chance auf eine Ungleichverteilung um 13 Prozent.“ Könnte eine höhere Männer-Teilzeit also zu einer gerechteren, gleicheren Verteilung von Arbeit führen? „Das wäre die Logik“, sagt Moritz. Wünschenswert sei eine Aufteilung von 30 bis 32 Stunden pro Woche für beide Elternteile.

Wunsch: Ausgeglichener

Viele Paare wollen also eine ausgeglichene Arbeitszeitaufteilung. Und obwohl man die Faktoren, die genau das verhindern, benennen kann: So richtig ändern will sich trotzdem nichts. Die Gründe dafür sind laut Wolfgang Mazal, Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung, in Unternehmen und in der Gesellschaft zu suchen: „Die Planung der Personalkapazitäten, der Arbeitsabläufe und der Arbeitsplatzbeschreibung erfordern Vollzeittätigkeiten und explizit Überstundenleistungen. Die Reorganisation der Arbeitsabläufe hat tatsächlich nicht stattgefunden. Außerdem gibt es in den vergangenen Jahren die gesamtgesellschaftliche Tendenz, Teilzeitbeschäftigung negativ zu sehen. Und doch sind 30- bis 35-Stunden-Jobs gewünscht.“ Es ist paradox.

Dass die Kinderbetreuung weiter ausgebaut werden müsse, um eine bessere Verteilung von Arbeit zu ermöglichen, sieht Wolfgang Mazal differenziert: „Es wird das Thema alleine nicht lösen. Faktum ist, man hat die Kinderbetreuung schon in den vergangenen Jahren intensiv ausgebaut. Aber natürlich kann man immer noch mehr tun.“

Faktum ist auch, dass die aktuelle Verteilung weitreichende Folgen hat. Denn wenn großteils Frauen in Teilzeit arbeiten und Männer das Gros des Geldes heranschaffen, wird sich ein Umstand nie ändern: Die finanzielle Abhängigkeit der Frau vom Mann – eine, die sich über das ganze Leben zieht. Ingrid Moritz erklärt: „Wenn man ein Jahr Teilzeit, etwa 20 Stunden pro Woche arbeitet, verringert das die Pension später um ein Prozent. Wer 20 Jahre in Teilzeit bleibt, hat 20 Prozent weniger Pension.“ Zudem: Kümmert sich nur einer ums Geld, steht das Leben auf wackligeren Beinen, als wenn beide arbeiten. Und vor Trennungen, Arbeitslosigkeit oder Krankheit ist niemand gefeit.

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