"Die Kamera ist deine Freundin"

Mehrdokht Tesar: Sie ist Geschäftsführerin der Agentur floorfour und Expertin für Unternehmenskommunikation. Thomas Kvicala: Er ist Mediencoach, war ORF- Journalist und u. a. Pressesprecher im Frauenministerium. Regelmäßig veranstalten sie Seminare, u. a. „Bühne frei für Frauen“: Ein Auftritts- und Medientraining für Frauen, um Blockaden abzulegen und Reden spannend zu gestalten. www.buehnefreifuerfrauen.at
Acht Stunden Medientraining: ein Selbstversuch und viele Tipps.

Die Bühne ist ein fremder, unfreundlicher Ort. Augen, die beobachten, Ohren, die zuhören, und Hirne, die jedes Wort bewerten. Das Herz galoppiert, möchte raus aus dieser Situation. Ich vergesse alles. Tunnelblick. Sekunden später schaue ich in eine Kamera und tanze meinen Lebenslauf.

Weil mir Bühnensituationen eine Heidenangst einjagen, habe ich mich für das Medien- und Auftrittstraining "Bühne frei für Frauen" angemeldet. Sich möglichst verrückt und kurz vorzustellen war die erste Aufgabe dieses Tages. Also tanze ich und sage: "Mein Name ist Andrea Hlinka und ich schreibe beim KURIER. Ich lehne Moderationsanfragen ab, deswegen bin ich heute hier." Ein spontaner Rap. Es geht nicht peinlicher. Dachte ich. Dann waren die anderen Teilnehmer an der Reihe: Eine erzählt von einem Bauchfleck auf der Bühne. Eine andere von einem Vogel, der ausgerechnet auf dem Weg zum ersten Arbeitstag, sein Geschäft auf ihrem Kopf verrichtet hat.

Das Eis war geschmolzen. Die beiden Medien-Profis Mehrdokht Tesar und Thomas Kwicala wissen genau, was sie tun. Dieses Training haben sie speziell für Frauen erstellt. Wir sind an diesem Freitag sieben, alle unterschiedlich, aber alle mit demselben Ziel: Nie wieder zu schweigen, wenn es etwas zu sagen gibt, und sich auf Bühne oder vor der Kamera wohlzufühlen. Mehr als das: Es zu genießen, dass andere zuhören, und im Applaus zu baden. "Ihr werdet nach diesem Tag ganz heiß drauf sein, auf die Bühne zu gehen", versprechen die beiden.

1. Peinlichkeiten sind Geister Die erste Übung, die peinliche Vorstellrunde, hat eines gelehrt: Peinlichkeiten sind Geister. "Wer bestimmt überhaupt, was peinlich ist?", fragt Merdohkt Tesar. Man selbst zu sein und sich nicht zu verstellen, sei nie peinlich. "Aber werde ich so ernst genommen?", frage ich. Tesar sagt: "Wir Frauen beschäftigen uns viel zu sehr damit, ob wir kompetent wirken. Hören wir auf damit: Entweder man ist es oder nicht. Bin ich denn inkompetent, weil ich diese Haare habe? Ich schaue anders aus – na und?". Als wir die Videos von uns später ansehen und analysieren, merke ich, dass keiner von uns peinlich war, sondern alle sympathisch und mutig.

Die Nervosität vor Auftritten, die Unsicherheit und Zweifel, kennt Tesar gut. Doch sie relativiert sie und sagt, dass erstens die meisten Menschen – auch berühmte Schauspieler – vor Auftritten nervös sind. Zweitens sagt sie, dass das Publikum die Nervosität selten bemerkt. Und tatsächlich: Auch bei keinem unserer insgesamt je drei Videos ist die Anspannung zu sehen. Ein Tipp: Keine A4-Zettel für Notizen verwenden, denn sie geben jedes Zittern wieder. Besser: Moderationskarten verwenden, weil ihr Papier stärker ist und sie kleiner sind.

2. Start und Landung vorbereiten Nach einem theoretischen Teil müssen wir eine Rede vorbereiten. Dazu Tipps von Thomas Kvicala: "Der Start und die Landung sind die kritischsten Momente. Bereitet den ersten und den letzten Satz vor." Ein Richtwert ist, nicht mehr als drei Argumente zu bringen. 15 Zeilen sind circa eine Minute Sprechzeit. Ein Satz sollte leicht verständlich, kurz, bildhaft sein. "Versucht, Großes mit einfachen Worten zu sagen."

3. Pausen setzen "Pausen kommen uns selbst vier Mal länger vor als dem Publikum", erklärt Thomas Kvicala. Er motiviert zu "Mut zur Pause!". Denn bewusst gesetzte Pausen verstärken die Wirkung.

4. Haltung einnehmen In aller Kürze: Stabil mit beiden Beinen am Boden stehen, aber sie nicht ganz durchstrecken. Schultern nicht hängen lassen. Hände oberhalb der Körpermitte ineinanderlegen, Moderationskarten oder einen Stift halten oder mit den Handbewegungen Argumente unterstreichen. "Probiert aus, was euch passt", sagt Thomas Kvicala.

5. Auftritt genießen "Ein Auftritt beginnt nicht mit dem ersten Wort und endet mit dem letzten", sagt Kvicala. Bevor man loslegt, sollte man sich sammeln. Er zeigt uns in einem Video, wie ein Auftritt und Abgang idealerweise aussieht: Jungschauspielerin Emma Watson nimmt sich in ihrer Rede vor den Vereinten Nationen ausreichend Zeit zum Ankommen. Noch bevor sie ihre Brandrede auf Gleichberechtigung anstimmt, blickt sie in aller Ruhe ins Publikum – keine Eile.

Auch nach ihrem letzten Satz verweilt sie für einige Momente auf der Bühne. Sie möchte nicht von der Bühne fliehen und sie erträgt die Situation auch nicht mit Unbehagen. Sie schätzt die Reaktionen vom Publikum, saugt sie auf. "Genießt den Applaus und die Aufmerksamkeit. Wir kriegen sonst eh so wenig im Leben", sagt Kvicala.

Kommentare