Die Geister, die ich rief

Die Geisteswissenschaft schult in kritischer und komplexer Denkweise – das sollten Studierende bei Bewerbungen vermarkten
Plato, Piaget und Plebiszit: Das Studium war intellektuell fordernd, nur: Wo sind die Jobs?

"Mit dem Pädagogik-Studium können Sie alles werden. Außer Lehrer." So hieß es einst auf einer Info-Veranstaltung an der Universität Graz. Die Autorin dieser Zeilen entschied sich dafür. Erstens, weil es sie interessierte. Zweitens, weil sie naiv glaubte, dass, wenn man schon nicht alles, dann doch wenigstens einiges werden konnte.

Später, bei der Jobsuche, kam die Ernüchterung. "Wir suchen Psychologen", sagten die Beratungsstellen. "Wir nehmen nur Sozialarbeiter", die Betreuungseinrichtungen. Pädagogen suchte niemand.

Philosophen, Pädagogen, Politikwissenschaftler befinden sich im Dilemma: Ihr Geist will Plato, Piaget und das Plebiszit verstehen. Nur, dem ökonomischen Geist des Arbeitsmarkts ist das herzlich egal.

"Uns Geisteswissenschaftlern wird von der Wirtschaft oft gesagt, wir brauchen euch nicht", erzählt Daniel Resch. Damit muss sich etwa jeder Zweite an der Universität Wien auseinandersetzen: 40 Prozent studieren ein geistes-, 15 Prozent ein sozialwissenschaftliches Fach. Der 34-Jährige hat vor zwei Jahren an der Uni Wien sein Kunstgeschichte-Studium abgeschlossen. Er hatte großes Glück, sagt er. Denn Taxis lenken musste er nicht. Zehn Jahre lang fand er spannende Nebenjobs in Kunstgalerien.

1. Schritt: Selbstreflexion

Mit Geisteswissenschaften in der Wirtschaft punkten, ist das realistisch? "Warum nicht?" sagt Sarah Kohlmaier, leitende Karriereberaterin bei Uniport, dem Karriereservice der Uni Wien. Sie selbst studierte Kulturanthropologie – das Gelernte fließt in ihre Beratung ein, sagt sie. Ihr Kollege im Marketing ist Soziologie-Absolvent. Ein Klient hat Geschichte studiert und ist heute Key Account Manager. Mit Studierenden und Absolventen arbeitet Kohlmaier an Selbstreflexion und Job-Erwartungen. "Meist haben unsere Klienten große Unsicherheiten, was ihre Kompetenzen betrifft", erzählt sie. Dabei habe jeder etwas zu bieten – sei es die Auseinandersetzung mit Werten, die kritische Reflexion oder die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu erkennen.

Viele Studierende hätten auch falsche Vorstellungen zu Tätigkeitsbereichen und Jobprofilen. "Ein Key Account Manager hat interessantere Aufgaben, als manche vermuten", sagt Kohlmaier. Wem Werte wichtig seien, der identifiziere sich eher mit einer NGO, "eine Philosophin mit analytischem Blick könnte im Qualitätsmanagement gut aufgehoben sein." Sie rät dazu, sich schon früh im Studium mit dem Jobmarkt auseinanderzusetzen, "das fällt einem sonst später auf den Kopf".

Daniel Resch, vormals Studentenvertreter im Vorstand des Kunsthistorikerverbandes, bestätigt das: "Nur zu studieren und Praktika zu machen, reicht nicht. Man muss Netzwerke aufbauen, sich engagieren, gut auftreten. Da haben viele Studierende Hemmungen."

Auch Weiterbildung ist zur Notwendigkeit geworden, um sich auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren. Resch besucht zur Zeit im AkademikerInnen-Zentrum Wien den Kurs Business Management. "Ich will mich neu in Richtung Museen orientieren und kann ökonomisches Wissen gut gebrauchen", sagt er. In zehn Wochen werden hier arbeitsuchende Akademiker ökonomisch fit gemacht. "Kaufmännische Themen sind für Geisteswissenschaftler eine gute Ergänzung, um in Führungspositionen zu kommen", erzählt Leiter Thomas Wychodil. Zusätzliche Versiertheit in digitalen Technologien und Sprachkenntnisse könnten Geisteswissenschaftlern zu guten Job-Chancen verhelfen.

Fraglich ist, ob man für den Job als Key Account Manager unbedingt Geschichte studieren muss. Doch Daniel Resch und Sarah Kohlmaier sind sich einig: Die besseren Teams sind jene, deren Mitarbeiter unterschiedliche Sichtweisen einbringen. Und das sei für Geisteswissenschaftler eine Chance.

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