Die ganze Welt in einem Geschäft
Der Tag, auf den Minoo Amir-Mokri-Belza, Julia Lehner und Brigitte Lendl ein Jahr lang hingearbeitet haben, ist heute. Heute öffnen sie zum ersten Mal offiziell die Türen ihres Geschäfts „The Vienna Globe“ in der Zieglergasse 65 in Wien.
So viele, so einzigartige Dinge gibt es hier: Seifen vom Label Miss Bubble Shot, einer Mexikanerin, die in Wien Bio-Seifen herstellt, Bilder vom Label Papiergedanken, Möbel vom Industrial Designer Petjo Damjanov, Hängekörbe aus handbedruckten Stoffen von Annamay, Kaffee von Fürth, Gastronomisches von Unger & Klein und noch so vieles mehr. Man müsste Stunden hier verbringen, um alles zu sehen und zu kosten. Man möchte Stunden hier verbringen. Damit haben die drei wohl ihr Ziel erreicht: „Unsere Zielgruppe sind Menschen, die Lust aufs Schöne haben, die verweilen und dann vielleicht etwas kaufen“, sagt Brigitte Lendl. „Und ein bisserl Verantwortung übernehmen für eine gute Sache“, ergänzt Minoo Amir-Mokri-Belza.
Das Vienna Globe ist nämlich kein Ort des niederen Konsumwahns, viel mehr soll es getragen werden von Sinn und den Raum dafür bieten, junge Künstler, Designer und Handwerker zu unterstützen. Man versteht sich als Plattform und Showroom für die Arbeiten von Kreativen. „Wir haben die vergangenen Jahre sehr viele Menschen mit Migrationswurzeln kennengelernt und haben dann überlegt, wie wir ihre Kompetenzen und Fähigkeiten speziell fördern können“, erzählt Minoo Amir-Mokri-Belza. So kam das Programm „Mendes“ zustande, wo sie zehn junge Migranten für zehn Monate coachen, betreuen, unterstützen, ihnen helfen ein Netzwerk aufzubauen.
Zudem wird ein Teil der Erlöse zwei Sozialprojekten zukommen: Dem Verein „Tralalobe“, der Flüchtlingskindern hilft, Geborgenheit zu finden und dem Projekt „Concordia“, das sich für Menschen, vor allem in Rumänien, Bulgarien und Moldawien, einsetzt.
Freiheit für Neues
Das ganze Projekt „The Vienna Globe“ scheint wie die logische Folge ihrer Biografien zu sein: Minoo Amir-Mokri-Belza, Julia Lehner und Brigitte Lendl haben einander bei ihrem vorigen Arbeitgeber, dem Roten Kreuz, kennengelernt und Freundschaft geschlossen: Die Juristin Minoo Amir-Mokri-Belza, selbst iranischer Herkunft, leitete dort die Abteilung Migration. Julia Lehner war nach Jahren in der Spitzenhotellerie beim Roten Kreuz im Bereich Human Resources tätig. Und die Historikerin Brigitte Lendl beschäftigt sich seit Jahren mit sozialen Projekten im schulischen Kontext, zuletzt im Rahmen des Migrationsprojektes „ProjektXchange“.
Alle drei haben den Job gekündigt, um sich voll ihrem neuen Projekt zu widmen. Wieso sie ihren sicheren Job an den Nagel hängten? „Weil mich eben diese Sicherheit gestört hat. Nach zehn Jahre war es einfach Zeit für etwas Neues“, sagt Minoo Amir-Mokri-Belza. „Es hat sich ganz schnell nach der richtigen Entscheidung angefühlt“, sagt Julia Lehner. „Es war für uns alle nicht leicht, aber es ist eine neue Chance und wir können von null an mitbestimmen, wie es werden soll. Aber es würde nicht gehen, würden unsere Familien nicht so hinter uns stehen“, sagt Brigitte Lendl.
Es sei eine neue Art von Freiheit. Dass diese neue Freiheit auch Differenzen bringt, ist den drei Frauen mit beneidenswerter Gelassenheit bewusst. Vielleicht liegt das darin begründet, dass eine Mitte 30, die andere Anfang 40 und die dritte Anfang 50 ist und alle drei längst im Berufsleben stehen, ihren Charakter gefestigt haben und Familien gegründet haben. „ Wir werden immer wieder an eigene Grenzen stoßen, aber ich glaube, bei einem so großen Projekt muss sich das Ego hinten anstellen. Wir müssen uns den Raum nehmen, uns zu sagen, das gefällt mir, das nicht. Wichtig ist, dass wir miteinander Spaß haben, dass wir alles ausreden und dann ein Glas Prosecco trinken“, sagt Brigitte Lendl mit einem Lächeln im Anschluss.
Das könnte funktionieren.
1. Brigitte Lendl: Das wichtigste ist das Vertrauen zueinander und der Spaß an der Sache. Das haben wir. Und es geht bei uns nur in dieser Konstellation: mit Minoo, mit Julia und mit Brigitte.
2. Minoo Amir-Mokri-Belza: Nicht lockerlassen, bis man alle Informationen hat, die man braucht. Diese hunderten Behörden und Amtswege – es gibt in Österreich nicht die eine Stelle, wo man alle Informationen bekommt. Man muss sich alles erst mühsam erarbeiten. Der Tipp ist: Dranbleiben und mit vielen Menschen reden – dann kommt man an die Informationen ran. Julia Lehner: Zum Thema Förderungen: Ja, Förderungen sind schön und gut, aber an die muss man weit bevor es ans Gründen geht, denken. Wir sind glücklicherweise im AMS-Gründungsprogramm, die finanzielle Unterstützung ist genial.
3. Julia Lehner: Sich Zeit nehmen: Lieber die Dinge überlegen und richtig vorbereiten und nichts überstürzen. Weil alles, was in Folge kommt, ist dann wirklich hundert Mal leichter.
4. Brigitte Lendl: Geld investieren: Wenn man das Ersparte für das eigene Geschäft draufhaut, ist das zwar sicher riskant, aber es ist auch enorm wichtig. Wir wollten nicht von Beginn an jemanden haben, der bestimmt, was wir zu tun haben.
5. Brigitte Lendl: Mir sind der Spaß und die Leidenschaft wirklich wichtig. Das muss man mitbringen. Minoo Amir-Mokri-Belza: Wir wollten etwas Sinnvolles machen und etwas, das Freude macht. Das haben wir geschafft.
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