Die Flüsterin der Josefstadt

Souffleuse Sabrina Berger, Theater an der Josefstadt
Souffleuse Sabrina Berger hilft, wenn auf der Bühne peinliche Stille herrscht

Nur zwei Meter sind es für sie bis zu den Brettern, die die Wiener Theaterwelt bedeuten. Sabrina Berger ist Souffleuse am Theater in der Josefstadt und in den Kammerspielen, leitet das Soufflagenteam – drei Frauen, zwei Männer. Bis zu drei Stücke gleichzeitig muss die 41-Jährige intus haben. Manchmal hat sie wochenlang keinen freien Tag. Trotzdem sagt sie: „Ich bin theaterverrückt.“

Wann haben Sie zuletzt eingesagt?

Vor ein paar Tagen in „Hedda Gabler“. Ein klassischer Texthänger, der Schauspieler ist im Text gesprungen, ich habe ihn zurück in die Szene geholt.

Welche Aufgaben haben Sie?

Ich helfe den Schauspielern bei Texthängern, das ist Sekundenarbeit. Bei den Proben greifen wir laut ins Geschehen ein, bei den Vorstellungen leise. Wir sind von der ersten Leseprobe am Tisch bis zur Vorstellung dabei, ändern im Auftrag des Regisseurs auch die Texte.

Wie kamen Sie auf die Idee, Souffleuse zu werden?

Ich wollte schon als Kind ans Theater und Schauspielerin werden. Im Haus meiner Eltern hat eine Souffleuse gelebt, die 20 Jahre im Theater in der Josefstadt gearbeitet hat. Sie riet mir ab, meinte, „alle dort sind schrecklich, das wirst du nicht aushalten“. Das hat mich erst recht bestärkt. Ich mache es jetzt elf Jahre, bereue es nicht.

Wie viele Stücke können Sie auswendig?

Zwei bis drei gleichzeitig. Zurzeit sind es „Hedda Gabler“ und „The King’s Speech“. Ich habe zwar mein Buch, aber wenn ein Satz auf der Bühne fällt, weiß ich schon den nächsten. Ich rede in Gedanken mit.

Wie laut darf man flüstern?

Hinter dem Bühnenportal hat man keinen Blickkontakt, muss laut sprechen, dass es im Zuschauerraum gehört wird. Früher, im Souffleurkasten vor der Bühne war das besser.

Wie sind Ihre Arbeitszeiten?

Ich arbeite in Vollzeit montags bis samstags tagsüber bei den Proben, dazu kommen die Vorstellungen abends. Es kann passieren, dass man wochenlang keinen freien Tag hat. Zeitausgleich gibt es nicht.

Was machen Sie als Erstes, wenn Sie ins Theater kommen? Und was als letztes?

Ich gehe durch die Garderoben, begrüße die Schauspieler. Es ist psychologisch wichtig, dass sie wissen, dass man da ist für sie. Am Schluss treffen wir uns oft in der Kantine.

Was muss eine gute Souffleuse können?

Sie braucht sprachliches, auch psychologisches Geschick, muss sich in die Schauspieler einfühlen können. Der eine lässt sich gern helfen, der andere will es selber schaffen. Darauf muss man sich einstellen.

Was gefällt Ihnen am Job?

Die Arbeit mit den Schauspielern. Und die Abwechslung. Kein Theaterabend ist wie der andere. Das reizt mich.

Was gar nicht?

Die schlechte Bezahlung. Netto bleiben mir 1400 Euro.

Ihre größte Hürde bisher?

Ich musste beim Stück „Halbe Wahrheiten“ als Queen Mum auf der Bühne sitzen, mitagieren, aber auch nebenher soufflieren. In „Mich hätten Sie sehen sollen“ durfte ich eine Souffleuse spielen. Das Stück war großartig besetzt, mit Elfriede Ott, Fritz Muliar, Renate Holm.

Interessiert Sie Theater privat überhaupt noch?

Ich bin theaterverrückt, gehe an jedem freien Abend ins Theater. Schon als Volksschulkind bin ich gern ins Renaissancetheater gegangen.

Welche Pläne haben Sie?

Ich möchte den Job bis zur Pension machen. Für die Schauspielerin ist es zu spät. Wenn sich kleine Rollen ergeben, sag’ ich gern ja.

Seit Dezember 2001 ist Sabrina Berger im Theater in der Josefstadt und in den Kammerspielen in Wien als Souffleuse tätig.
Berger studierte zwei Semester Anglistik und Theaterwissenschaft an der Uni Wien, besuchte danach die Tourismusschule in Bischofshofen. Als Rezeptionistin arbeitete sie in diversen Hotels, wechselte 1994 in den Kundenservice von MasterCard.
Nebenher absolvierte sie die Schauspielausbildung am Konservatorium Prayner in Wien und eine 18-monatige Sprechausbildung.

Theater in Zahlen

1788 gründete Karl Mayer das Theater in der Josefstadt im Garten des Wirtshauses seines Onkels. 1910 wurden die Kammerspiele gebaut. Ab Mai dieses Jahres werden sie renoviert. 320 Tausend
Besucher zählten Josefstadt und Kammerspiele insgesamt im Jahr 2010/11.

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