Die entscheidende Frage: Was willst du werden?
Mit 17, da hast du noch Träume ... Oder bist völlig verwirrt. Mit 17 sollten Jugendliche schon wissen, welchen beruflichen Weg sie einschlagen wollen – oder ihn schon gehen: Das österreichische Schulsystem reißt die Jugendlichen bereits mit 14 früh aus ihren diffusen Träumen und macht Druck: Lehre oder weiterführende Schule? Diese Entscheidung ist oft längst vorgegeben: Wer ein Gymnasium in der Unterstufe besucht (aus statistisch eher gutem Hause), wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht in eine Lehre wechseln – außer, er hat dermaßen schlechte Noten, dass ein Fortkommen an der Schule unwahrscheinlich scheint. Jugendliche in Haupt- oder Neuer Mittelschule (eher aus Nichtakademiker-Familien) zieht es tendenziell in den Lehrberuf – vor allem, wenn sie sich mit dem abstrakten Lernen schwer tun.
Unüberlegt
Diese erste große berufliche Entscheidung wird meist unüberlegt getroffen. Du machst, was der Papa macht. Oder die Hauptdarstellerin in der Lieblings-Serie. Oder was die Freundin machen will. Das zeigt eine Grazer Studie, in der Schüler zu ihren beruflichen Interessen und den Berufen ihrer Eltern befragt wurden. Den Forschern fiel auf: "Dass da oft ein Mädchen sitzt, das Friseurin werden will und die vier Mädchen daneben geben den gleichen Wunsch an", erzählte Silke Luttenberger vom Institut für Psychologie an der Uni Graz kürzlich der APA. Bei den Burschen ist die Nummer eins: Kfz-Techniker. Bei der Berufswahl prägen immer noch klassische Rollenbilder.
Das bestätigt auch Karrierecoach Elfriede Gerdenits: "Es gibt derzeit 300 Lehrberufe in Österreich. Hier bräuchte es viel mehr Offenheit." Die AHS sei allerdings "oft eine Notlösung, weil die Jugendlichen nicht wissen, was sie machen wollen". Doch der Entscheidung entkommt m an nicht: nach der Matura heißt es: Studium, Kolleg oder Arbeit? Und was genau?
Lehre und Matura
Dem versucht Direktorin Elisabeth Sinn im Evangelischen Gymnasium in Wien-Simmering entgegenzuwirken. Die Privatschule ist die einzige AHS in Wien mit Handwerksausbildung. Die Jugendlichen machen in der Oberstufe eine Lehre zum Tischler, Goldschmied oder in IT, die Matura findet in der 9. Schulstufe statt. Diese ungewöhnliche Kombination spricht verschiedene soziale Schichten an. "Wir haben Kinder aus Adelsfamilien und aus Arbeiterfamilien", sagt Sinn. Auf die Berufswahl werden sie in der 4. Schulstufe vorbereitet, "wir bieten Schnuppertage in unseren Werkstätten an", so Sinn. Oft würden Eltern sich in die Wahl ihres Kindes einmischen: "Ich sage ihnen, dass das Kind entscheiden muss. Sonst hält es die Ausbildung nicht durch."
Elisabeth Gerdenits sieht die Schulen gefordert: "Die Berufsorientierung ist an den Schulen auf einem schlechten Niveau." Informationen zu gefragten Berufen in der Wirtschaft gebe es kaum, sinnvoll sei eine Kooperation der Schulen mit Experten aus der Wirtschaft. Girls und Boys Days seien für die Berufswahl nur bedingt geeignet, ebenso wie die Eignungstests an AMS-Berufsorientierungszentren. "Sinnvoller ist eine Potenzialanalyse für Jugendliche, die kostet Geld", sagt sie. Besser: Schnuppertage in Betrieben.
Um die Berufswahl zu erleichtern, haben Sandra Baierl und Teresa Richter-Trummer (siehe Kolumnen weiter unten) aus der KURIER-Karrieren-Redaktion den Was-willst-werden-Ratgeber ( Linde Verlag, ab Dienstag im Handel) verfasst. Darin finden Jugendliche viele Tipps. Folgende Fragen sollten sie sich zur Berufsorientierung stellen:
1. Wer bin ich und was will ich?
Frag dich: Wer bin ich, was will ich, was interessiert mich? Welcher Beruf passt zu mir?Will ich in die Technik, Wirtschaft, in den Rechtsbereich, sozial oder kreativ arbeiten? Will ich fixe oder flexible Arbeitszeiten?
2. Was kann ich?
Wo liegen meine Begabungen, Stärken? Was fällt mir schwer? Führe ich gern oder arbeite ich lieber mit?
3. Was möchte ich investieren?
Möchte ich die große Karriere oder nur genug Geld zum Leben verdienen? Wie viel Zeit, Kraft und Geld will ich investieren?
4. Welche Ausbildung passt?
Möchte ich Praxisbezug oder lieber Theorie? Will ich einen festen Stundenplan oder frei und ungebunden lernen?
5. Entscheide auf Probe
Triff im Kopf eine Entscheidung und frage dich: Warum entscheide ich so? Weil mein Freund es auch macht? Bei mehreren Varianten: Entscheide dich für eine, und frag dich nach einer Woche, ob du sie noch willst.
Nachgefragt: Was willst werden?
Gabriel Loidl, 18, Gärtner
Was machst du beruflich?
"Ich habe meine Lehre als Gärtner abgeschlossen und arbeite im Familienunternehmen mit."
Wie bist auf deinen Beruf gekommen?
"Meine Eltern haben eine Baumschule, das hat mich früher aber nie interessiert. Im 9. Schuljahr hatte ich dann das Unterrichtsfach Pflanzenbau. Ich dachte: mir taugt das doch."
Was wünschst du dir für deinen beruflichen Weg?
"Wenn es passt, werde ich nächstes Jahr den Meister machen und später im Ausland Erfahrungen in meiner Branche sammeln. Das ist in diesem Beruf nicht so üblich."
Belinda Spörk, 18, Au-pair in Paris
Was willst werden?
"Ich verbringe ein Gap Year als Au-pair nahe Paris. So kann ich mein Französisch verbessern und mir überlegen, was ich werden möchte."
Wie wirst du’s angehen?
"Ich informiere ich mich im Internet und mache Interessenstests. Wichtiger ist es für mich, offen durch die Welt zu gehen und mich von anderen Leuten, Projekten und Organisationen inspirieren zu lassen."
Was wünschst du dir für deinen Beruf?
"Einen abwechslungsreichen Alltag und viel Kontakt mit Menschen. Auch das Reisen finde ich wichtig."
Tobias Ofner, 14, HLW-Schüler
Was willst du werden?
"Ich habe eine Vorstellung davon: Ich will etwas mit Sprachen machen, vielleicht eine Firma gründen. Management interessiert mich auch."
Wieso mit Sprachen?
"Ich bin mit Deutsch und Tschechisch aufgewachsen, lerne Englisch und Französisch. Ich bin sprachbegeistert. Die Auslandswoche von der Schule aus in England hat mir sehr gefallen. Auch mag ich es, zu präsentieren."
Wie stellst du dir deinen Beruf vor?
"Ich hätte gern Freiraum, in dem was ich tue, möchte etwas Eigenes, Kreatives machen."
Martin Grandits, 15, Gymnasiast
Was willst werden?
"Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich beruflich machen will. Aber ich würde gerne einmal in einer Bank arbeiten."
Wie bist du darauf gekommen?
"Mir gefällt es einfach, zu überlegen, wie man sein Geld am besten sparen und anlegen kann. Ich will mit vielen Leuten zusammenarbeiten und in einer Bank hätte ich ja viele Kollegen."
Was wünschst du dir im späteren Job?
"Einen geregelten Tagesablauf. Außerdem würde ich im Beruf gerne einmal einen Anzug tragen."
Der Arbeitsmarkt für die junge Generation ist schwierig: Gute Jobs sind rar, Firmen können nichts bieten, bauen eher Personal ab statt auf. Ausbildung ist alles, erklärt man den Jugendlichen. Nach dem Studium wartet trotzdem keine Arbeit auf sie. Sie werden völlig im Unklaren gelassen, ob man sie überhaupt braucht. Zudem sind die Einstiegsgehälter traurig niedrig. Reich werden durch Arbeit? Ist fast unmöglich geworden. Die Ys und Zs sind die Ersten, die weniger haben werden als ihre Eltern. Die Jugendlichen selbst nehmen das überraschend gelassen. Eigentum bedeutet ihnen wenig, Karrieren sind ihnen nicht wichtig. Sie sorgen sich nicht – und sorgen auch nicht vor. Eine radikale Lebenseinstellung mit großen Effekten: Den Firmen fehlt der Nachwuchs, weil Konzernkarrieren für die Zs nicht erstrebenswert sind. Kunden gehen verloren, weil der Besitz von Auto oder Haus oder der Abschluss einer Pensionsversicherung uninteressant ist – und finanziell oft gar nicht möglich. Wem wenig Chancen gegeben werden, der lebt lieber von einem Tag auf den nächsten. Ohne große Ansprüche, aber mit dem kleinen Spaß im Leben. Das mag kurzsichtig sein, ist aber die logische Antwort: Die Jungen gründen Start-ups, sharen statt zu besitzen, leben von den Eltern, so lange es geht. Sie kreieren sich ihre Welt – heute, morgen und sicher auch übermorgen.
Generation Z, Generation maybe, Generation Null-Fehler: Jugendliche müssen sich heute viele Labels gefallen lassen. Eigentlich interessant, denn zum Ärger der Forscher lässt sich die Jugend heute kaum fassen – viel zu individuell, diffus und in Subkulturen zersplittert präsentiert sie sich. Vielfältig eben. So vielfältig wie die Welt, in der junge Menschen heute aufwachsen.
Dass Vielfalt ihre Schattenseiten hat, erleben Jugendliche täglich: Wirtschafts- und Flüchtlingskrise, verschleppte Bildungsreformen, soziale Ängste der Eltern – es wundert wenig, wenn sie manchmal von allem einfach die Nase voll haben. Vor allem vom gut gemeinten, aber mit erhobenem Zeigefinger ertönenden Ratschlag "Nutz deine Chancen!", der ihnen erläutert, wie toll sie es nicht hätten, was sie nicht alles werden könnten. "Du sollst", hieß es früher, heute sagt man: "Du kannst". Aber dahinter versteckt sich ein: "Du musst, weil du ja kannst!" So entsteht ein subtiler Druck, dem viele junge Menschen nicht gewachsen sind: Die einen bauen sich sodann eine hübsche berufliche Fassade, werden irgendwas, die anderen klinken sich einfach aus. Schade. 20 Prozent aller Österreicher sind jünger als 20 Jahre alt. Sie sind die Zukunft. Und haben die Chance verdient, zu werden, was sie sein wollen.
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