Ich will Arzt werden

Mike Fischer und Anika Krug wollen Ärzte werden. Anfang Juli machten sie den Test, der darüber entscheidet.
Eine Prüfung entscheidet, wer Arzt werden darf und wer nicht. Anika Krug und Mike Fischer sind angetreten.

KURIER: Wie finden Sie es, dass man Ihnen vielleicht den Traumberuf verwehrt?

Anika Krug: Es ist ziemlich blöd, wenn man diesen Traum hat und nicht weiß, ob man ihn verwirklichen darf. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich je etwas anderes machen wollte.

Mike Fischer: Ich wollte immer Medizin studieren, aber ich habe mir schon in der Schule gedacht, ich schaffe das nie. Deshalb habe ich an der WU begonnen. Vor einem Jahr habe ich mich zum ersten Mal über den MedAT getraut. Ich glaube, ich könnte ein guter Zahnarzt sein, ich tu mir mit den manuellen Fertigkeiten wirklich leicht – da habe ich fast die vollen 30 Prozent gehabt. Es wäre wirklich schade.

Beispiele für den MedAT finden Sie hier

Welche Chancen rechnen Sie sich aus? Nur jeder 9. kommt durch.

Anika: Ich kann’s nicht einschätzen. Ich bin eher negativ eingestellt, dann bin ich weniger enttäuscht.

Mike: Man kann das gar nicht einschätzen. Es ging mir eher gut als schlecht. Aber es kann auch voll daneben gewesen sein. Die Qual ist, dass wir erst im August das Ergebnis erfahren.

Denken Sie jetzt viel daran?

Anika: Ich versuche, nicht darüber nachzudenken, weil es mich eh nur fertigmacht.

Mike: Ich versuch auch nicht darüber nachzudenken, aber es geht nicht. An manchen Tagen denke ich, dass ich ihn geschafft habe. An anderen Tagen denke ich mir das Gegenteil. Es ist ein Ab und Auf – echt schlimm.

Was ist Ihr Plan B? Wann sollte man den Traum loslassen?

Anika: Ich würde den MedAT nächstes Jahr jedenfalls noch einmal probieren.

Was machen Sie in der Zwischenzeit?

Anika: Ich bin jetzt mal für Biologie und Psychologie inskribiert.

Mike: Ich bin ja schon auf der WU und ich würde das weitermachen. Ich würde den MedAT noch einmal probieren und es dann bleiben lassen. Ich bin schon 21. Wenn es nicht sein soll, soll es nicht sein.

Privatuni?

Anika: Kommt für mich nicht infrage. Ich will nicht später das Gefühl haben, dass ich zu dumm war, diesen Test zu schaffen. Da mache ich lieber etwas anderes.

Mike: Keinesfalls.

Was war schwierig beim Test?

Anika: Am schwersten ist mir beim kognitiven Teil der Komplex Wortflüssigkeit gefallen.

Mike: Das war auch wirklich schwierig. Weil das nicht Wörter wie Fisch sind, sondern etwa Rezession. Wir hatten 20 Minuten für 15 Wörter.

Anika: Mehr Zeit hätte auch nichts gebracht – entweder man sieht die Wörter sofort oder nicht.

Mike: Mir sind die Zahlenfolgen schwerer gefallen als erwartet. Es waren zehn Zahlenfolgen und ich habe nur sechs oder sieben geschafft. Beim Üben war ich viel besser. Der Komplex "soziales Entscheiden" war Schwachsinn.

Dieser Teil ist heuer neu dazugekommen. Wie wurde das geprüft?

Anika: Ich finde es gut, dass man das feststellen will. Aber durch solche Fragen? Zum Beispiel: Eine Freundin lernt nicht mit dir für einen Test. Beim Test will sie aber bei dir abschreiben. Was sind deine Überlegungen?

Mike: Einerseits ist es gegen die Regeln, abzuschreiben, also ist es vielleicht besser, anzukreuzen, sie nicht abschreiben zu lassen. Andererseits soll ich nicht besser nett sein, obwohl es verboten ist? Was ist die richtigere Antwort? Was soll das aussagen? Wie hält man diesen Test durch – er dauert ja einen ganzen Tag?

Mike: Eigentlich eh nicht. Wichtig ist, dass man gut isst. Ich hab mir mittags Avocado mit Thunfisch gemacht, mich an einen Brunnen gesetzt. In der Ferne habe ich Leute über die Antworten reden gehört und hab mir gedacht, das ist so blöd.

Anika: Ich habe nichts runterbekommen – ich war so aufgeregt.

Wieso nicht darüber reden?

Mike: Man macht sich nur fertig. Anika: Man macht es trotzdem, aber es ist gescheiter, wenn man nicht darüber redet.

Es heißt, der Test ist so konzipiert, dass man nicht alle Antworten in der anberaumten Zeit lösen kann. Was denken Sie?

Anika: Ich war echt gut drauf, aber selbst in Bio, wo ich in der Schule wirklich gut war, konnte ich nicht alle Fragen beantworten. Wenn man mit der Einstellung reingeht, man muss alles wissen, wird man nach zehn Minuten verzweifeln.

Mike: Merkt man, dass es nicht weitergeht oder etwas falsch ist, muss man weiterblättern. Man darf sich nicht aufhalten lassen.

Anika: Zurückblättern darf man nicht, dann gibt’s entweder eine Verwarnung oder der Test wird sofort weggenommen.

Mike: Mein Nachbar hat eine Verwarnung bekommen. Eine Aufpasserin hat zu ihm gesagt: "Einmal noch und du bist weg."

Ist der Test fair?

Mike: Ja, schon.

Anika: Ich glaube auch.

Mike: Sie wollen ja überprüfen, ob man dem Studium gewachsen ist, sich hinsetzen und lernen kann und halbwegs was in der Marille hat.

Anika: Sie schauen mit dem Test auch, wie belastbar man ist.

Sagt er etwas über die Fähigkeit aus, ein guter Arzt zu sein?

Anika: Teilweise.

Mike: Ich weiß es nicht. Manche können super lernen, sind blitzgescheit, aber sozial unbegabt. Ob sie gute Ärzte werden, weil sie sich mit dem Lernen und mit dem Test leichter getan haben, weiß ich nicht. Leute beruhigen kann man wahrscheinlich nicht, wenn man in den Bart nuschelt.

Ist während dem Test jemand aufgestanden und gegangen?

Mike: Bei mir nicht. Nur, dass einige schon dringend aufs Klo mussten. Es gibt pro Sektor, zu je 30 Leuten, nur zwei Klokarten und nach der Mittagspause gibt es eigentlich keine Pause mehr. Irgendwer hat geschrien: "Folter".

75 Prozent der Plätze sind für Bewerber mit österreichischem Maturazeugnis reserviert. Ist das gut?

Mike: Ich finde das ganz gut, aber mir tun die Leute, die sich voll anstrengen und dann wegen der Quote nicht reinkommen, leid. Der Großteil der Studierenden aus den EU-Ländern stammt aus Deutschland. Bei ihnen geht es um alles, daher schneiden sie oft besser ab als Österreicher. Wenn es diese Quotenregelung nicht gäbe, hätten wir wahrscheinlich 80 Prozent deutsche Medizinstudierende.

Anika: Ich bin neben einem Deutschen gesessen. Er hat es letztes Jahr probiert, 92 % geschafft und ist trotzdem nicht reingekommen – finde ich ganz schlimm.

Weitere Infos zum Medizinstudium finden Sie hier

14.046 Bewerber hatten sich für die Teilnahme am Aufnahmeverfahren MedAT der Medizinischen Unis in Wien, Innsbruck und Graz und der Medizinischen Fakultät der JKU Linz bis Ende März angemeldet. 81,2 Prozent (11.408) haben am Freitag vor einer Woche auch teilgenommen. Die Ergebnisse werden erst im August bekannt gegeben. Nur jeder Neunte wird jubeln: Für das kommende Studienjahr stehen für Human- und Zahnmedizin insgesamt 1560 Plätze zur Verfügung. 75 Prozent davon sind für Bewerber mit österreichischem Maturazeugnis reserviert, 20 Prozent für Bewerber aus EU-Ländern und fünf Prozent für Bewerber aus Drittstaaten. Neben den vier öffentlichen Angeboten bieten noch die Sigmund Freud, die Paracelsus Privatuni und die Karl Landsteiner Privatuni in Krems Medizinstudien an.

... den Sinn des Aufnahmetests

„Der Test ist im Wesentlichen darauf ausgerichtet, gewisse Qualifikationen und Fertigkeiten zu testen, die dazu beitragen, das Medizinstudium möglichst rasch abzuschließen. Jedes Studienauswahlverfahren hat den Sinn, die Studienbefähigsten zu filtern, um die Ressourcen möglichst effizient einzusetzen. Beim Medizinstudium kommt hinzu, dass es zum patientenversorgenden Arzt qualifizieren soll, aber auch für eine wissenschaftliche Laufbahn. Die Tests, die verwendet werden, fragen mehr die wissenschaftliche Qualifikation ab.“

... die Fähigkeiten von Ärzten

„Patientenversorgende Ärzte brauchen zusätzlich Empathie, soziales Empfinden, Verständnis für komplexe Versorgungssituationen, Kommunikationstalent im Umgang mit Patienten, Angehörigen und Leistungserbringern im Gesundheitswesen. Zudem die Bereitschaft, über den normalen Arbeitsaufwand hinauszugehen – und das Interesse am Menschen in seiner gesamten physisch-psychischen Komplexität.“

... die Situation der Studierenden

„Wer das Medizinstudium beginnt, den erwartet ein hochinteressantes Studium – und ein aufnahmehungriger Arbeitsmarkt.“

... Jungmediziner-Abwanderung

„Der Medizinabsolvent trägt sein Kapital im Kopf und sein Wissen ist auf der ganzen Welt gefragt – dadurch ist er überaus mobil.“

... den Ärztemangel

„Der Mangel an Ärzten ist international so groß, dass um österreichische Ärzte geworben wird. Wir haben in Österreich am Anfang des Studiums eine Ausländerquote von 25 Prozent. Ein Großteil der ausländischen Absolventen geht ins Heimatland zurück. Zudem geht auch ein Teil der österreichischen Absolventen – zumindest für einige Zeit – ins Ausland und auch fertig ausgebildete Ärzte, wenn ihnen die heimischen Arbeitsbedingungen nicht gefallen – oft für immer.“

... mehr Studienplätze

„Man könnte dem Ärztemangel durch eine Erhöhung der Studienplätze begegnen. Das bedeutet aber auch eine Erhöhung der nicht österreichischen Studierenden. Und je mehr Studienplätze Österreich anbietet, desto größer ist die Gefahr, dass wir die Quotenregelung nicht behalten. Es bräuchte eine europäische Lösung. Zweitens müsste eine erhöhte Anzahl an Studienplätzen mit einer notwendigen Erhöhung der Mittel der Universitäten einhergehen.“

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