Die Ausbildungspflicht als Chance
Just zu Ferienbeginn heißt es: Länger lernen für alle Pflichtschulabgänger. Denn der Nationalrat hat vergangene Woche die Ausbildungspflicht beschlossen. Mit der Verpflichtung für Jugendliche, bis zur Volljährigkeit eine Lehre zu absolvieren oder ein Praktikum zu machen, wurde eine wirksame Maßnahme gegen den frühzeitigen Bildungsabbruch beschlossen. Ausgenommen davon sind nur Jugendliche, die bereits eine Ausbildung abgeschlossen haben, Kindergeld beziehen oder ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren.
Risikogruppen
Bildungsexperten begrüßen die Neuerung – vor allem in Hinblick auf das hohe Arbeitslosenrisiko von Jugendlichen mit maximal Pflichtschulabschluss. Denn rund 5000 Jugendliche verlassen nach Schätzungen das Sozialministeriums jedes Jahr das Bildungssystem ohne einen über die Pflichtschule hinausgehenden Abschluss. Sie haben ein besonders hohes Risiko, arbeitslos zu werden und landen häufig in schlecht bezahlten Hilfsjobs. "Wir können es uns nicht leisten, dass sieben bis zehn Prozent eines Jahrgangs nicht weiterlernen", sagt Gernot Mitter, Arbeitsmarktexperte der Arbeiterkammer. Gleichzeitig werden die Erziehungsberechtigten in die Pflicht genommen. Eltern müssen einerseits melden, wenn ihr Kind vier Monate nach der Schule keine neue Ausbildung beginnt, auch Ausbildungsstätten müssen das tun, wenn die Lehre oder der Kurs abgebrochen wird. Eltern, die nicht glaubhaft machen können, dass sie alles versucht haben, damit ihr Kind der Ausbildungspflicht nachkommt, können zu einer Strafzahlung zwischen 100 und 500 Euro, im Wiederholungsfall zu 1000 Euro verdonnert werden – allerdings erst ab dem Schuljahr 2017/2018. "Ich fände es wichtig, die Sanktionen nicht in den Mittelpunkt zu stellen", betont Mitter. "Denn es geht darum, schulmüden Menschen – es trifft vor allem junge Männer – Selbstwertgefühl und eine Perspektive zu vermitteln."
Bis 2017 sollen Koordinierungsstellen eingerichtet werden, die sich der Herausforderung stellen müssen, ausreichend passende Angebote für Jugendliche bereitzustellen. Denn niemand kann verpflichtet werden, wenn es zu wenige Ausbildungsplätze gibt. Nötig wären auch Coaches, die Interessen und Fähigkeiten der frühen Schulabbrecher erheben und sie am Weg zu diesem Ziel begleiten. Das Arbeitsmarktservice, so der Plan, wird für Betroffene einen Perspektiven- und Betreuungsplan erstellen.
Junge Asylwerber werden jedoch nur am Rande in das Ausbildungsprogramm miteinbezogen. Jene Gruppe, die die meisten Startschwierigkeiten am Arbeitsmarkt hat, wird damit fast gänzlich ausgeklammert. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil das Risiko zum frühen Schulabbrecher zu werden, für Migranten sieben Mal so hoch ist wie für Jugendliche mit österreichischen Wurzeln.
11,7 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren sind arbeitslos. Damit ist ihre Anzahl im Vergleich zum Vorjahr weiter gestiegen, wie aus den aktuellen Zahlen der Statistik Austria hervorgeht. Im ersten Quartal 2016 waren 64.400 Jugendliche ohne Job. Die Arbeitsmarktsituation der Jugendlichen stellt sich schlechter dar als jene der übrigen Erwerbsbevölkerung. Nach Bildungsabschluss betrachtet gab es Anstiege der Arbeitslosigkeit eher bei Personen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen.
Die Gründe für frühen Schulabbruch sind vielfältig und reichen von Orientierungslosigkeit über den Mangel an Vorbildern oder fehlendem Selbstvertrauen wegen schlechter Noten bis hin zu Leistungsdefiziten aufgrund mangelnder Unterstützung durch Schule und Eltern.
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