Die Arbeit soll ruhen: So schaffen Sie das Abschalten im Urlaub

Die Arbeit soll ruhen: So schaffen Sie das Abschalten im Urlaub
Im Urlaub sollten wir genug Abstand zur Arbeit gewinnen, um uns ausreichend zu erholen. Was man tun kann, um besser abzuschalten, damit der Urlaub nicht zu einer weiteren To-do-Liste wird.

Einschalten. Ausschalten. Gestern war man noch im turbulenten Arbeitsmodus, hat hundert Entscheidungen getroffen, noch schnell 20 Dinge auf der To-do-Liste abgehakt und heute liegt man bereits am Strand, völlig entspannt, in der Sonne badend ohne Gedanken an die Arbeit. Wäre es nicht traumhaft, wenn wir vom stressigen Alltag mit einem Fingerschnipsen abschalten könnten?

Abschalten fällt schwer

Die Realität sieht anders aus. Die meisten Menschen benötigen zwei bis vier Tage, um im Urlaub richtig anzukommen. Vielen fällt es generell immer schwerer abzuschalten – sei es im Alltag, am Wochenende oder im Urlaub.

To-do-Liste in der Freizeit

„Das Problem ist, wir verwechseln abschalten mit umschalten“, sagt Chris Surel, Schlaf- und Erholungscoach. Der Irrglaube dahinter: Wenn man nicht mehr arbeitet, sondern etwas anderes tut, macht man eine Pause. In Wahrheit schalten wir einfach nur um, von der To-do-Liste in der Arbeit auf die To-do-Liste in der Familie, im Haushalt, in der Freizeit. „Wir tun damit auch außerhalb der Arbeit weiterhin Dinge, die unser Stresslevel oben halten“, sagt Surel.

Wir kommen nicht zur Ruhe

Dadurch kommen unser Gehirn und unser Nervensystem nicht mehr zur Ruhe. Ständig ist das Gehirn dabei, Informationen zu checken und Entscheidungen zu treffen. „Wir unterschätzen massiv die Überflutung von Reizen und Informationen, die täglich auf uns niedergehen“, so Surel. Dieses Verhalten des Beschäftigtseins ist für uns mittlerweile selbstverständlich und wir verhalten uns darum auch im Urlaub so.

Urlaubstage werden durchgeplant

Die Auswirkungen: In der Ferienzeit werden immer wieder E-Mails gecheckt, Social-Media-Kanäle auf Inhalte überprüft oder jeder Urlaubstag wird so durchgeplant, damit man ja viel erlebt, gesehen und gepostet hat. „Im Urlaub darf es ab und an auch langweilig sein. Unser Gehirn und unser Nervensystem brauchen das. Aber in Wahrheit halten es viele Menschen gar nicht mehr aus, einfach in der Natur zu sein oder nichts zu tun“, sagt Surel. Ist also nichts tun die Lösung?

Qualität des Urlaubes

Nicht zwingend. „Erholung muss nicht passiv sein“, sagt Carmen Binnewies, Arbeitspsychologin spezialisiert auf Erholung, Stress und Urlaubsforschung. „Die Urlaubstätigkeiten müssen nur unähnlich zu dem sein, was wir sonst machen und generell ist das, was wir im Urlaub tun, nicht so wichtig für den Erholungsfaktor als das, wie wir es tun.“ Die Expertin spricht hier die Qualität des Urlaubes an und für jene hat der KURIER Tipps gesammelt, damit Sie im Urlaub besser abschalten können:

Stress akzeptieren

Den Urlaub neu rahmen: Vor dem Urlaub ist der Stresspegel meistens sogar noch höher als normal, da es vorab noch einiges zu erledigen gibt. „Man sollte früh anfangen zu planen, rechtzeitig, je nach Job, Aufgaben delegieren oder gewisse Projekte gar nicht mehr starten“, sagt der Achtsamkeitstrainer Klaus Kirchmayr. Und falls das wirklich nicht geht, so der Experte: „Akzeptieren Sie, dass es jetzt noch stressiger ist. Gehen Sie nicht in den Widerstand, denn dann wird es noch schlimmer.“ Und damit noch stressiger und schwerer, im Urlaub abzuschalten.

Zeitgestaltung 

Ashley Whillans ist Assistenzprofessorin an der Harvard Business School. Sie forscht und berät Firmen zu Zeitgestaltung und Zufriedenheit. In ihrem Buch „Time Smart“ zitiert sie eine Studie, in der die Teilnehmenden aufgefordert wurden, das nahende Wochenende wie einen Urlaub zu behandeln. Das Ergebnis: Die Angesprochenen kosteten ihre Freizeit mehr aus und fühlten sich wohler. Es braucht daher für einen entspannten Urlaub oft einen anderen Zugang und ein Bewusstmachen darüber, welches Ziel man mit dem Urlaub verfolgt. „Wir Menschen wollen alles. Der Urlaub soll uns entspannen. Wir wollen aber auch Neues erleben, Spaß haben, körperlich fitter werden, am besten noch drei Bücher lesen und mehr. Das funktioniert nicht. Fünf Tage Rom-Urlaub zur Hauptsaison wird uns kaum entspannen. Darum sollte man sich vorab klar werden, welches Ziel man mit dem Urlaub verfolgt“, sagt Surel.

Realistische Einschätzungen

Wichtig sei auch, dass man schon im Vorfeld entscheidet, wie man mit Arbeit im Urlaub umgehen will. „Viele nehmen sich vor, im Urlaub nicht zu arbeiten. In einigen Positionen ist das aber unrealistisch. Surels Empfehlung für den Urlaub: sich täglich in der Früh eine Stunde für Mails, Anrufe etc. Zeit zunehmen und dann Handy und Laptop außer Sichtweite zu bringen. „Dann hat man noch 23 Stunden Erholung.“

Handy und Co. 

Apropos Handy: „Wir konnten in Studien feststellen, je mehr man Kommunikationsmedien wie Smartphone und Laptop in seiner Urlaubszeit nutzt, desto schlechter kann man abschalten und entspannen. Übrigens unabhängig davon, ob wir uns mit privaten oder geschäftlichen Dingen beschäftigen“, sagt Carmen Binnewies. Der Grund: Handy und Co. holen uns gedanklich immer wieder in den Alltag zurück. Wir sind damit immer ein wenig im Urlaub und ein wenig daheim, aber nie mit der ganzen Aufmerksamkeit im Urlaub.

Übergangszeit nutzen

Übergangszeit nutzen: Um bereits entspannt in den Urlaub fliegen zu können, empfehlen Experten vor und nach der Reise ein, zwei Tage daheim zu verbringen. In dieser Zeit kann das System herunterfahren, man kann in Ruhe noch Nötiges erledigen und springt nicht gleich vom Arbeitsalltag in den Urlaub. Ist das keine Option, kann auch folgender Tipp helfen: Nützen Sie die Zeit im Flugzeug oder im Auto bewusst, um noch einmal alles gedanklich durchzugehen, sich zu vergewissern, das man nichts vergessen hat oder die letzten Mails zu schreiben.

Aufschreiben

„Es hilft auch, sich gewisse Dinge aufzuschreiben, um den Kopf frei zu bekommen“, sagt Binnewies. „Und dann ist es natürlich wichtig, sich selbst ganz bewusst zu sagen: ’Ich bin jetzt auf Urlaub’, sich also mental auf Urlaub programmieren“, sagt Klaus Kirchmayr. Er schlägt vor, von der To-do-Liste auf die To-be-Liste zu wechseln. Also vom permanenten Tun in das einfache Sein zu kommen. Das klingt einfach, erfordert aber Übung und gelingt am besten mit Hilfe unserer Sinne (siehe Kasten). Weg vom ständigen Dinge erledigen und Ziele erreichen.

Treiben lassen

Der Urlaub soll keine weitere To-do-Liste sein. Daher: Nicht so viel planen , sich mehr treiben lassen und Raum für Spontanes schaffen. Letztlich zählt die Qualität des Urlaubes und nicht die Länge. Binnewies: „Es zeigte sich in Studien, dass der Erholungseffekt unabhängig von der Länge des Urlaubes bei maximal drei Wochen liegt. Wir können den Erholungseffekt aber konservieren, wenn wir uns auch im Alltag täglich mehr entspannen.“

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